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Innere Uhr: Neandertaler-Gene machen Menschen zu Frühaufstehern

In unseren biologischen Taktgebern hat sich viel Neandertaler-Erbgut erhalten. Vermutlich verbesserte es die Anpassung an wechselnde Tageslängen im hohen Norden.
Neandertaler-Nachbildung im Museum Mettmann
Frühaufsteher: Neandertaler-Rekonstruktion im »Neanderthal Museum« Mettmann.

Einige Neandertaler-Gene, die bei heutigen Menschen erhalten sind, machen uns zu Frühaufstehern. Genabschnitte, die die biologischen Taktgeber steuern, enthalten überdurchschnittlich oft Erbgutfragmente von unseren ausgestorbenen Verwandten, berichtet ein Team um Keila Velazquez-Arcelay von der Vanderbilt University in Nashville. Wie die Gruppe in einer nun in der Fachzeitschrift »Genome Biology and Evolution« veröffentlichten Arbeit schreibt, hängen die stärksten Effekte der vom Neandertaler stammenden Varianten mit dem Frühaufsteher-Chronotyp zusammen. Die Fachleute vermuten, dass die Varianten Menschen in nördlichen Regionen einen Vorteil verschafften und deswegen in höherem Maße erhalten blieben.

Nur ein kleiner Teil des Genmaterials, das einst über gemeinsame Nachkommen mit Neandertalern in das Genom moderner Menschen gelangte, hat sich bis heute erhalten. In Ostasien und Europa, wo sich am meisten archaisches Erbgut in modernen Populationen erhalten hat, macht es etwa zwei Prozent des Genoms aus. Viele Fachleute vermuten, dass sich diese Varianten erhielten, weil sie mit für das Überleben hilfreichen Eigenschaften verknüpft waren. So sind Erbgutbestandteile von anderen Menschenarten daran beteiligt, dass Tibeter in großer Höhe mehr Sauerstoff im Blut binden können. Auch an Eigenschaften des Immunsystems und der Zusammensetzung von Körperfetten sind Neandertaler-Gene beteiligt.

Das Team um Velazquez-Arcelay untersuchte insgesamt 246 Gene im Zusammenhang mit so genannten zirkadianen Zyklen, den inneren Taktgebern, die unsere biologischen Rhythmen steuern. Darunter fand es insgesamt 44 Gene, die bei archaischen Menschenarten wie Neandertalern und Denisovanern anders verarbeitet und gesteuert wurden. Das deutet darauf hin, dass die »innere Uhr« bei unseren Verwandten anders funktionierte – und davon abgeleitete Varianten womöglich auch bei heutigen Menschen noch einen Unterschied machen.

Neandertaler und wir: Innere Uhr tickt anders

Die Arbeitsgruppe testete deswegen, ob Menschen, die solche Varianten tragen, womöglich merklich anders tickende innere Taktgeber haben. Dabei wurde sie fündig. Viele der von unseren Verwandten übernommenen Varianten beeinflussen das Schlafbedürfnis – und weit überwiegend hängen sie mit einer Neigung zusammen, früh in den Tag zu starten. Diese stammt daher, dass die innere Uhr etwas schneller läuft als bei anderen Menschen. Das ist mutmaßlich günstig in Regionen mit ausgeprägten Jahreszeiten und sehr unterschiedlichen Tageslängen. Dadurch kann sich die innere Uhr leichter an veränderte äußere Zeitsignale wie den Sonnenaufgang anpassen.

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