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News: Nur gemeinsam stark genug

Helicasen müssen die stabile DNA-Doppelhelix zunächst entwinden, bevor deren Information kopiert werden kann. Ein Entwindungsenzym alleine ist mit diesem Kraftakt scheinbar überfordert.
Die DNA, der biologische Informationsträger einer jeden lebenden Zelle, stellt ein raffiniertes Stück natürlicher Datenspeicher-Technik dar: Eine enorme Menge an Informationen ist in ihr bemerkenswert sicher, dauerhaft und stabil verpackt. Informationssicherheit und Stabilität allein machen allerdings noch keinen idealen Datenträger. Dieser sollte zudem schnell, effizient und buchstabengetreu kopiert und in identischer Form weitergegeben werden können – etwa bei Zellteilungen an entstehende Tochterzellen.

Schon bei einfachsten Organismen wie den Bakterien sind an der DNA-Replikation, dem Kopiervorgang des zelleigenen Gesamt-Erbguts, eine Vielzahl enzymatischer Werkzeuge beteiligt: Solche beispielsweise, welche die in den DNA-Basen, den Buchstaben des genetischen Daten-Alphabets, codierte Information lesen und reproduzieren, oder solche, die abschließend noch einmal korrekturlesen und Fehler ausbessern.

Eine besondere Aufgabe haben bereits vor dem eigentlichen Kopiervorgang die so genannten Helicasen: Sie brechen die doppelsträngige DNA zunächst einmal in ihre Einzelstränge auf – ähnlich dem Zipper eines Reißverschlusses – um die Basen-Informationen im Inneren der DNA-Helix den Kopierenzymen überhaupt erst zugänglich zu machen. Um die stabilen Bindungen zwischen den beiden DNA-Strängen einer DNA-Doppelhelix zu trennen, benötigt die Helicase Energie. Diese wird dem Enzym in Form von ATP, dem universellen Energie-Treibstoff der Zellen, zur Verfügung gestellt.

Nun hat sich ein Wissenschaftlerteam um Taekjip Ha von der University of Illinois das energieverschlingende Tun der Helicasen von dem Bakterium Escherichia coli genauer angesehen. Sie beobachteten die bakteriellen Enzyme in Aktion – mit einem neuentwickelten Untersuchungsverfahren, der "Einzelmolekül-Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer-Technik" (single molecule fluorescence resonance energy transfer, FRET).

Durch die Technik mit dem Wortungetüm-Namen können nun einzelne Moleküle im Gewusel der verschiedenen Replikationsenzyme unter einem Fluoreszenz-Mikroskop genau beobachtet werden. Dazu erhielten die interessierenden Helicase-Enzyme von den Forschern eine punktgenaue Markierung mit einem grün oder rot fluoreszierenden Signalstoff, anhand dessen sie dann das Zusammenspiel einzelner Enzymmoleküle während des Kopiervorgangs nachvollziehen konnten.

Dabei offenbarte sich den Wissenschaftlern Überraschendes im perfekt geölt geglaubten Mechanismus der DNA-Replikation: Offensichtlich läuft der helicaseabhängige Entwindungsprozess der DNA recht stockend. Gelangten einzelne Helicasen an einen Übergangsbereich zwischen bereits getrennten Einzel- und noch verbundenem Doppelstrang, so hielten die Enzyme stets inne, bis ein zweites Helicase-Molekül ihnen zur Seite trat. Erst als gemeinsames Tandem waren die Helicasen in der Lage, die Trennung beider DNA-Einzelstränge zu bewerkstelligen. Einmal in Aktion erwiesen sich diese Tandems zudem als nicht sehr ausdauernd, denn regelmäßig stockte der Fortgang der Helicase-Aufgabe nach einer gewissen Zeit – offensichtlich deshalb, weil eines der Tandem-Enzyme von der Baustelle wegdiffundierte und eine einzelne, allein überforderte Helicase zurückließ.

Nur Helicase-Doppelpacks, deren Assoziation zudem wenig dauerhaft ist, sind demnach offenbar in der Lage, die DNA zu entwinden – der biologische Sinn hinter diesem komplizierten Mechanismus bleibt bislang verborgen. Ein komplizierter Mechanismus eröffnet aber vielleicht auch mehr Möglichkeiten, Sand ins Getriebe unerwünschter Organismen zu streuen. Ha und seine Kollegen denken beispielsweise darüber nach, wie die Helicase des Hepatitis-C-Virus – die vom Erreger stets selbst mitgebracht wird – in Zukunft einmal gezielt ausgeschaltet werden könnte. Auch – und gerade – im Licht der neuen Erkenntnisse liegt davor aber wohl noch viel weitergehendere Forschungsarbeit.

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