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OSIRIS-REx: Lieferdienst aus dem All

Am 24. September 2023 bringt eine Raumsonde Gesteinsproben vom Asteroiden Bennu auf die Erde. Die Untersuchung des gesammelten Materials soll Einblicke in die Frühzeit des Sonnensystems geben.
OSIRIS-REx im Anflug auf Bennu
Die NASA-Raumsonde OSIRIS-REx nähert sich der felsigen Oberfläche des Asteroiden Bennu, um eine Gesteinsprobe zu nehmen. (Illustration)

Wie fühlt es sich an, ein Stück Weltraum in Händen zu halten? Nicht viele Menschen haben das Glück, diese Frage beantworten zu können. Ab dem 24. September 2023 wird es einige mehr von ihnen geben. Dann kehrt die NASA-Raumsonde OSIRIS-REx (kurz für: Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security-Regolith Explorer) von ihrer siebenjährigen Mission zurück. Die Sonde soll einen Behälter mit Steinchen und Staub auf die Erde werfen, die sie von der Oberfläche des erdnahen Asteroiden Bennu eingesammelt hat. »Bennu ist eine Zeitkapsel des frühen Sonnensystems«, sagt die an der Mission beteiligte Isotopengeochemikerin Amy Hofmann vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. »Wir werden die Ersten sein, die sehen, was in dieser Kapsel drin ist. Ich bekomme bereits eine Gänsehaut, wenn ich nur darüber rede.«

Hofmann gehört zu den rund 200 Fachleuten, die kleine Portionen des Asteroidenstaubs erhalten, den OSIRIS-REx zur Erde bringt. Am 24. September 2023 soll die Sonde den Probenrückführungsbehälter im All freisetzen, der anschließend durch die Erdatmosphäre rauschen und mit einem Fallschirm auf dem Test- und Übungsgelände des Verteidigungsministeriums in Utah landen wird. Bergungsteams bringen die Kapsel dann mit einem Hubschrauber in einen mobilen Reinraum und entfernen dort den Hitzeschild und die Rückwand. Dann geht es weiter zu einer speziell vorbereiteten Einrichtung im Johnson Space Center in Houston. Erst dort, in einem von allen denkbaren Verunreinigungen abgeschirmten Handschuhkasten, wird das Innerste der Kapsel frei gelegt. Darin befinden sich die noch vollkommen ursprünglichen Asteroidenstückchen. Denn auch wenn täglich unzählige Meteoriten auf die Erde herabprasseln – sie alle verändern ihre Form und Zusammensetzung auf Grund der hohen Temperaturen beim Durchqueren der Atmosphäre.

Asteroiden sind Überbleibsel aus der Entstehungszeit des Sonnensystems. Die Proben werden deswegen – so die Hoffnung der Wissenschaftler – Aufschluss darüber geben, wie es damals beschaffen war und welche Aminosäuren sowie anderen chemischen Verbindungen vorhanden waren, die für biologische Vorgänge wesentlich sind. »Das O in OSIRIS-REx verweist auf den Ursprung des Lebens«, erklärt der leitende Forscher der Mission, Dante S. Lauretta von der University of Arizona. »Wir wollen verstehen, welche Rolle solche kohlenstoffreichen Asteroiden dabei gespielt haben, die Bausteine des Lebens auf die Erde zu bringen.«

OSIRIS-REx startete im Jahr 2016 ins All und kam 2018 bei Bennu an. Die Sonde verbrachte zwei Jahre bei dem Asteroiden und vermaß ihn mit ihren Kameras, Spektrometern und anderen mitgeführten Instrumenten. Das verriet bereits eine Menge über Bennu und seine Struktur. Offenbar handelt es sich dabei eher um einen recht lockeren Geröllhaufen als um ein festes, kompaktes Objekt. Zudem ist in seinen Mineralen Wasser gebunden.

Asteroid Bennu | Diese Ansicht des rund 500 Meter großen Himmelskörpers besteht aus zwölf Einzelbildern, die aus einem Abstand von 24 Kilometern aufgenommen wurden.

Der erkenntnisträchtigste Teil der Mission wird allerdings mit den Proben kommen. »Hier auf der Erde haben wir Zugang zu den modernsten Technologien«, erläutert Planetologin Michelle Thompson von der Purdue University in West Lafayette. »Uns stehen genügend Zeit sowie ein großes Team zur Verfügung. Wir können koordinierte Analysen durchführen und dieselbe Probe mit mehreren verschiedenen Techniken untersuchen. Das ist durch nichts zu ersetzen.«

Im Oktober 2020 näherte sich die Sonde dem Asteroiden und berührte die Oberfläche kurz mit ihrem Roboterarm TAGSAM (Touch-and-Go Sample Acquisition Mechanism). Ein Stoß aus Stickstoffgas wirbelte Staub und Gestein auf, die sich in einem speziellen Behälter sammelten. »Er sieht aus wie ein Luftfilter, nur dass wir die Luft mitgebracht haben«, erklärt Lauretta. Fotos, die während des Vorgangs angefertigt wurden, zeigen viel aufgenommenes Material. Zusätzlich blieben sogar einige Stückchen an der Außenseite von TAGSAM hängen.

© NASA
Am 24. September 2023, ab 16 Uhr (MESZ), überträgt die NASA die Landung des Probenbehälters

Ein Schatz wird aufgeteilt

Sobald die Wissenschaftler die Kapsel auf der Erde geöffnet haben, wird das OSIRIS-REx-Team ein Viertel der Fracht entnehmen und vom Johnson Space Center aus an Labore in der ganzen Welt verteilen. Außerdem gehen vier Prozent der Probe nach Kanada. Mindestens 0,5 Prozent werden nach Japan geschickt, einen Pionier der Probenrückführung: Mit dessen beiden Hayabusa-Missionen kamen 2010 und 2020 die ersten Gesteinsproben von Asteroiden überhaupt zur Erde. Die restlichen 70 Prozent des eingesammelten Materials bleiben unberührt, zumindest vorerst. »Wie beim Apollo-Programm wollen wir den Großteil der Proben für künftige Wissenschaftler aufbewahren«, sagt der Leiter der OSIRIS-REx-Arbeitsgruppe für die physikalische und thermische Analyse, Andrew Ryan, der ebenfalls an der University of Arizona arbeitet. »Es werden sich neue Fragen ergeben und andere Werkzeuge zur Verfügung stehen, und bis es so weit ist, stellen wir sicher, dass wir nicht schon die gesamte Menge verbraucht haben.«

Übung für den Ernstfall | Am Johnson Space Center in Houston verschafft sich das OSIRIS-REx-Team am Modell eines Handschuhkastens Routine. Beim Öffnen der Kapsel muss jeder Handgriff sitzen. Es gilt, jegliche Kontamination des Probenmaterials zu vermeiden, während es sortiert und zum Verschicken an internationale Labore oder zur Einlagerung vorbereitet wird.

Bereits mit den ersten Messungen wird sich unser Wissen über Asteroiden wie Bennu erheblich erweitern. Ryans Team untersucht beispielsweise, wie viel Wärme das Material leitet, wie locker das räumliche Gefüge ist und wie stark die einzelnen Partikel zusammenhalten. Zu solchen Kennzahlen gibt es bereits Schätzungen auf Basis der Beobachtungen von Bennu.

Der Vergleich zwischen Daten aus dem All und denen aus dem Labor hilft dabei, andere Asteroiden zuverlässiger aus der Ferne zu charakterisieren. Sollte die Menschheit irgendwann einmal einen Felsbrocken von seinem Kollisionskurs mit der Erde abbringen müssen, wird der Missionserfolg entscheidend davon abhängen, die Eigenschaften des fremden Geschosses richtig zu modellieren.

»Solche Analysen waren zur Zeit der ersten Planungen für OSIRIS-REx noch gar nicht möglich«Amy Hofmann, Isotopengeochemikerin am Jet Propulsion Laboratory der NASA

Mit einem speziellen Massenspektrometer, einer Orbitrap, will Amy Hofmann organische Moleküle mit unterschiedlichen Isotopenzusammensetzungen in der Probe identifizieren und deren Mengen vergleichen. Die Messung des Anteils von Kohlenstoff-13-Atomen (eine seltene, stabile Form des Kohlenstoffs mit einem zusätzlichen Neutron) relativ zu dem des häufigeren Kohlenstoff-12 in einem bestimmten Molekül kann beispielsweise Aufschluss über die Temperatur geben, bei der die Verbindung entstanden ist. »Solche Analysen waren zur Zeit der ersten Planungen für OSIRIS-REx noch gar nicht möglich«, erläutert Hofmann.

Michelle Thompson will mit Elektronenmikroskopen untersuchen, wie Bennu im Lauf der Zeit durch Einschläge anderer Gesteinsbrocken und durch energiereiche Teilchen von der Sonne verändert wurde. Die Messungen sollen zusammen mit den Ergebnissen anderer geplanter Experimente ein genaues Bild von dem Zustand und der Entwicklung unseres frühen Sonnensystems vermitteln. »Wir werden einen umfassenden Katalog von Fragen beantworten«, betont Thompson. »Sie reichen vom grundsätzlichen Wissen über die Bausteine des Sonnensystems bis hin zu physikalischen Materialeigenschaften. Am Ende der Mission wird ein völlig neues Verständnis für diese Art von Himmelskörpern stehen. Alle sind mit Recht äußerst gespannt.«

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  • Quellen

Ajluni, T. et al.: OSIRIS-REx, returning the asteroid sample. 2015 IEEE Aerospace Conference, 2015

Lauretta, D. S. et al.: OSIRIS-REx: Sample return from asteroid (101955) Bennu. Space Science Reviews 212, 2017

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