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PFAS-Verbot: Eine Welt ohne Teflon?

Die europäische Chemikalienagentur ECHA erwägt weit reichende Beschränkungen für fluorierte Chemikalien, die in Düsentriebwerken, Elektroautos, Kühlsystemen, Halbleitern und unzähligen Endprodukten verwendet werden. Das hätte Folgen für viele Lebensbereiche.
Eine Nahaufnahme zeigt Öltröpfchen, die von einer schwarzen Teflon-Pfanne abperlen.
Teflonbeschichtete Oberflächen, etwa in Bratpfannen, weisen Wasser und Öl ab und sind hitzebeständig.

Im Februar 2023 hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) in Helsinki einen Vorschlag veröffentlicht, der die weltweite Produktion von Chemikalien so stark beschneiden könnte wie noch nie. Die Umweltbehörden aus fünf Ländern – Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden – haben einen Plan vorgelegt, der die Herstellung von mehr als 12 000 Stoffen massiv beschränken würde. Sie sind als per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS, bekannt und werden auf Grund ihrer Langlebigkeit oft als »Ewigkeitschemikalien« bezeichnet.

Vertreter dieser Stoffe sind überall in unserer Umgebung zu finden. Sie bilden Antihaftbeschichtungen auf Kochgeschirr, Smartphone-Bildschirmen, wetterfester Kleidung und Schmutz abweisenden Textilien. Man verwendet sie in Mikrochips, Düsentriebwerken, Autos, Batterien, medizinischen Geräten und Kühlsystemen.

PFAS sind außerordentlich nützlich. Ihre mit Fluor gespickten Kohlenstoffketten lassen Fett und Wasser von Textilien abperlen und schützen Industrieanlagen vor Korrosion und Hitzeschäden. Doch die starken Kohlenstoff-Fluor-Bindungen lassen sich durch natürliche Prozesse nicht aufbrechen. Wenn PFAS also aus Fabriken, Haushalten und Fahrzeugen in die Umwelt entweichen, kommt es zu einer langsam, aber stetig wachsenden Umweltverschmutzung. Laut dem Vorschlag zur PFAS-Beschränkung vom Februar 2023 gelangen allein in Europa pro Jahr schätzungsweise mehrere zehntausend Tonnen solcher Chemikalien in die Umwelt.

»Wir sehen, dass jetzt ein inakzeptables Risiko besteht«Richard Luit, politischer Berater am Nationalen Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt der Niederlande

Von einigen PFAS weiß man heute, dass sie giftig sind. Sie können Krebserkrankungen und Schädigungen des Immunsystems hervorrufen und sind mittlerweile laut nationalen und internationalen Gesetzen verboten. Die meisten PFAS sind jedoch noch gar nicht toxikologisch bewertet; ob sie gesundheitsschädlich sind, weiß man schlicht nicht. Nach Ansicht der Vertreter der Umweltbehörden, die den Plan bei der ECHA eingereicht haben, werden sie sich durch ihre Langlebigkeit allerdings nach und nach unweigerlich in der Umwelt anreichern, so dass ihre Konzentrationen eines Tages jene sicheren Schwellenwerte überschreiten werden, die man bislang noch gar nicht kennt. »Wir sehen, dass jetzt ein inakzeptables Risiko besteht«, sagt Richard Luit, politischer Berater am Nationalen Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt im niederländischen Bilthoven.

Ein sofortiges Verbot steht nicht in Aussicht, denn die ECHA berät zuerst über den Vorschlag, bevor sie dazu Stellung bezieht. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die europäischen Gesetzgeber nicht vor 2025 über einen Plan abstimmen, und selbst der aktuelle Vorschlag sieht Übergangsfristen vor, damit Hersteller alternative Materialien oder Systeme entwickeln können. In einigen Fällen planen die Antragsteller Fristen von mehr als zehn Jahren und schlagen auch dauerhafte Ausnahmen vor: etwa für fluorierte Arzneimittel wie das Antidepressivum Fluoxetin oder für Materialien, die zum Kalibrieren wissenschaftlicher Instrumente dienen.

Insgesamt geht es aber darum, die Verwendung von PFAS auf ein Minimum zu reduzieren. »Wir verlangen von der Gesellschaft eine ziemliche Umstellung«, sagt Luit. »Wir möchten zurück an den Entwurfstisch gehen und alternative Lösungen entwickeln.«

Bei Produkten für Endkunden ändert sich bereits etwas. Weil immer mehr Beispiele für giftige PFAS bekannt werden, haben sich schon mehr als 100 Unternehmen und Marken, beispielsweise Apple, dazu verpflichtet, PFAS schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei ist noch nicht klar, ob andere Materialien das Gleiche leisten können.

Für Industriekunden ist die Aussicht auf eine Welt ohne PFAS jedoch eher erschreckend. Daher hat der Vorschlag vom Februar 2023 eine Debatte darüber ausgelöst, bei welchen Anwendungen die Welt auf fluorierte Chemikalien verzichten kann – und bei welchen sie auf sie angewiesen ist.

Drei Formen von Ewigkeit

Eine Besonderheit der fluorierten Verbindungen ist, dass einige tödlich sind, während andere sich bedenkenlos in medizinischen Produkten einsetzen lassen. »Fluorverbindungen sind in dieser Hinsicht wirklich sehr, sehr seltsam«, sagt Mark McLinden, Chemieingenieur am US National Institute of Standards and Technology in Boulder, Colorado. »Bestimmte Fluorverbindungen sind unglaublich giftig. Und dann gibt es Fälle wie (das Gas) R134a, das so harmlos ist, dass man es sich mit Asthmainhalatoren direkt in die Lunge sprüht.«

»Ewigkeitschemikalien« gibt es in drei verschiedenen Formen. Die berüchtigten giftigen Arten sind perfluorierte Tenside (PFT). Diese Moleküle ähneln denen in Seife und setzen sich aus zwei Teilen zusammen: Während ein Teil aus Kohlenstoffketten mit Fluoratomen besteht und alle anderen Stoffe abstößt, erlaubt es ein hydrophiler Teil am Ende der Ketten den Molekülen, sich in Wasser zu lösen.

Drei Klassen von PFAS | Zu PFAS zählen rund 12 000 Verbindungen. Sie lassen sich in drei höchst unterschiedliche Klassen einteilen.

Nachdem klar geworden war, dass einige solcher Moleküle für schwerwiegende Gesundheitsschäden und großflächige Wasserverschmutzung verantwortlich sind, wurden einzelne Stoffe international verboten oder im Gebrauch stark eingeschränkt: im Jahr 2009 zunächst PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), dann folgte im Jahr 2019 PFOA (Perfluoroctansäure), 2022 schließlich PFHxS (Perfluorohexansulfonsäure). Die Hersteller sind inzwischen auf andere fluorierte Tenside ausgewichen – von denen viele noch nicht toxikologisch untersucht worden sind.

In dem ECHA-Proposal vom Februar wird vorgeschlagen, alle fluorierten Tenside auf einmal aus dem Verkehr zu ziehen. Das solle verhindern, dass ungünstige Ersetzungen vorgenommen werden, sagt Jona Schulze, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Denn der Ersatz für einen verbotenen Stoff kann unter Umständen genauso gefährlich oder gar schädlicher sein als die Ursprungssubstanz.

Doch der Vorschlag geht noch weiter. Die fünf Umweltbehörden, die hinter dem Vorschlag stehen, legen ihm eine Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für PFAS zu Grunde: Ein Molekül zählt als PFAS, wenn mindestens eines der Kohlenstoffatome in der Kette zwei Fluoratome trägt – oder drei, wenn es am Ende der Kette steht. Die Beschränkungen im Rahmen dieser weit gefassten Definition gelten damit ebenso für die beiden anderen Arten von »Ewigkeitschemikalien«.

Fluorpolymere: Antihaftende Beschichtungen

Mit Fluorpolymeren, auch Fluorkunststoffe genannt, sind die meisten Verbraucher vertraut. Das berühmteste Beispiel ist Teflon, mit chemischem Namen Polytetrafluorethylen (PTFE), bei dem lange Kohlenstoffketten rundum von Fluoratomen umgeben sind. Teflonbeschichtungen hindern Lebensmittel daran, in der Bratpfanne festzukleben, lassen Katheter leichter durch den Körper gleiten und schützen Implantate vor Beschädigungen. Auf der Innenseite von Medizinfläschchen und Blisterverpackungen verhindern sie, dass die Medikamente mit ihren Behältern wechselwirken. In Flecken abweisenden Textilien kommt eine Variante der Teflonstruktur zum Einsatz, bei der von der zentralen Kohlenstoffkette fluorumhüllte Seitenketten abzweigen.

Die dritte Kategorie von PFAS besteht aus kleinen, leichten Fluorkohlenstoffmolekülen, die meist als Gase oder Flüssigkeiten vorliegen. R134a, das Treibmittel für Asthmainhalatoren, ist beispielsweise auch ein gängiges Kältemittel in Kühlschränken und mobilen Klimaanlagen. Empfindliche Geräte, die leicht überhitzen, etwa Server in einem Rechenzentrum, können in Fluorkohlenwasserstoff-Flüssigkeiten getaucht werden. Diese kühlen die Geräte, ohne dass es zu Kurzschlüssen kommt oder Brandgefahr besteht.

Auch wenn Fluorpolymere und Fluorkohlenwasserstoffe den Menschen nicht direkt schaden, so entstehen Probleme bei ihrer Produktion und am Ende der Nutzungsdauer. Um Fluorpolymere herzustellen, sind giftige fluorierte Tenside nötig, die das Wasser und den Boden in der Umgebung von Fluorpolymer-Produktionsanlagen weltweit verschmutzen. Manche Fachleute vermuten darüber hinaus, Fluorpolymere könnten während ihrer langen Lebenszeit kleine Bruchstücke abgeben, die so klein sind, dass sie verschluckt werden könnten, ähnlich wie es bei Mikroplastik der Fall ist. Einige der Fluorkohlenwasserstoffe sind darüber hinaus starke Treibhausgase, andere wiederum zerfallen in kleinere PFAS, die sich heute bereits im Wasser anreichern.

»Werden keine Maßnahmen ergriffen, übersteigen die gesellschaftlichen Kosten für die weitere Verwendung eines Tages voraussichtlich die Kosten, die jetzt mit der Beschränkung dieser Stoffe verbunden sind«, sagt Schulze.

Von Hydraulik bis Lack: Fluorierte Verbindungen in Fahrzeugen

In Autos sind alle drei Formen von PFAS auf einmal zu sehen. Deren Klimaanlagen verwenden ein Kältemittel aus Fluorkohlenstoffen; die hydraulischen Flüssigkeiten enthalten in der Regel fluorhaltige Tenside, die Korrosion verhindern; das lackierte Gehäuse ist wahrscheinlich mit einer wetterfesten Fluorpolymerbeschichtung versehen; die Sitze sind mit einem Schmutz abweisenden fluorierten Stoff bezogen.

Elektrofahrzeuge sind wegen ihrer Lithium-Ionen-Batterien sogar noch stärker auf fluorierte Materialien angewiesen. Diese Batterien erhalten ihre hohe Energiedichte und damit ihre Reichweite durch den Betrieb bei relativ hohen Spannungen, erklärt Gao Liu, Chemiker am Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley, Kalifornien. Der metallische Anteil in den Kathoden besteht in der Regel aus einem Pulver, das mit einem Material verbunden werden muss, welches der hohen Spannung standhält. In den 1990er Jahren diente dazu PTFE; heute verwenden die Batteriehersteller ein billigeres Fluorpolymer namens Polyvinylidenfluorid (PVDF), das nur halb so viel Fluor enthält.

Kleinere fluorierte Moleküle haben ebenfalls an Bedeutung gewonnen. Gibt man sie zu Batterieelektrolyten hinzu, kann sich auf den Elektroden eine Schutzschicht aus Lithiumfluorid bilden. Sie verbessert die Leistung und verlängert die Lebensdauer, indem sie Risse verhindert, sagt Cheng Zhang, Chemiker an der University of Queensland in Brisbane, Australien. Batteriehersteller liefern sich einen Wettbewerb auf dem Gebiet und entwickeln verschiedene Mischungen fluorhaltiger Additive.

Liu hat ein fluorfreies Bindemittel entwickelt, das sich jedoch nur für Batterien mit geringerer Spannung eignet, etwa für solche auf Basis von Lithiumeisenphosphat. Diese Speicher haben Vorteile: Sie halten länger und benötigen keine kritischen Mineralien wie Kobalt, Nickel oder Mangan – laut Liu wichtige Faktoren bei der Steigerung der Batterieproduktion im Kampf gegen den Klimawandel. Lithium-Eisenphosphat-Batterien seien als stationäre Energiespeicher geeignet und treiben Liu zufolge auch bereits die Hälfte der chinesischen Elektrofahrzeuge an, für Langstreckenfahrzeuge seien sie aber möglicherweise nicht kosteneffizient genug.

»Der gesamte Bereich muss sich mit besseren chemischen Systemen befassen«, fordert Liu. »Wir steigen auf Batterien um, um die Umwelt zu schützen. Es ergibt keinen Sinn, etwas zu erfinden, das noch schmutziger ist als das, was es ersetzen soll.«

PFAS für die Wasserstoffwirtschaft

Beim Streben nach sauberer Energie kommen fluorhaltige Materialien an einer weiteren Front zum Einsatz: beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen stehen Elektrolyseure, die »grünen« Wasserstoff durch die Spaltung von Wasser erzeugen und mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden.

Weil Wind und Sonneneinstrahlung stark schwanken, eignen sich dafür vor allem Elektrolyseure, die mit einer Protonenaustauschmembran (PEM) funktionieren. Solche Systeme lassen sich schnell an- und ausschalten, im Gegensatz zu den älteren, bereits etablierten Wasser-Elektrolyseuren. Wie der Name sagt, handelt es sich bei PEM um Membranen, die die Bewegung von Protonen – also positiv geladenen Wasserstoffionen – zwischen den Elektroden steuern. Für die Membranen verwendet man bevorzugt fluorierte Materialien, da sie die sauren Betriebsbedingungen gut vertragen.

Im Januar 2023 kündigte der Fluorchemikalien-Hersteller Chemours an, rund 200 Millionen Dollar (180 Millionen Euro) in zusätzliche Produktionskapazitäten für fluorierte Nafion-Membranen zu investieren. Ziel sei es, in die Produktion von grünem Wasserstoff einzusteigen. Das Material Nafion wird derzeit für die wirtschaftlich bedeutende Chlor-Alkali-Elektrolyse verwendet, bei der eine Kochsalzlösung elektrisch in Chlor und Natriumhydroxid gespalten wird. Beide Produkte kommen wiederum in der Hälfte aller industriellen chemischen Prozesse zum Einsatz.

Doch für grünen Wasserstoff benötigt man keine PFAS: Als Alternative zu PEM zeichneten sich Systeme ab, die stattdessen negativ geladene Hydroxidionen in einer alkalischen Umgebung über Membranen transportierten, erzählt Benjamin Britton, ein Chemiker, der das Start-up-Unternehmen Ionomr Innovations im kanadischen Vancouver mitbegründet hat. Ionomr gehört zu den Unternehmen, die fluorfreie Membranen für solche Anionenaustauschsysteme entwickeln.

Als schwieriger könnte es sich erweisen, Nafion im Chlor-Alkali-Prozess zu ersetzen: Dort sind fluorierte Membranen besser als andere Materialien in der Lage, dem korrosiven Angriff des Chlors zu widerstehen. Fachleute untersuchen allerdings bereits, ob dieser Prozess vielleicht sogar ganz ohne Membranen funktioniert.

Kampf um das beste Kühlmittel

Die bei Weitem größte Quelle für PFAS-Freisetzungen sind leichte Fluorkohlenwasserstoffgase. Sie werden hauptsächlich als Kühlmittel verwendet. Ein frühes Kältemittel war Ammoniak, das heute noch in industriellen Anwendungen genutzt wird. Doch erst fluorierte Verbindungen, insbesondere Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), machten Klimaanlagen und Kühlschränke für die breite Masse verfügbar. Denn anders als Ammoniak sind sie weder reizend noch brennbar.

Weil FCKW zum Abbau der Ozonschicht in der Atmosphäre führen, ist ihre Produktion verboten worden, und die Substanzen wurden durch Fluorkohlenwasserstoffe wie R134a ersetzt. Da es sich hierbei aber um Treibhausgase handelt, wird derzeit auf Hydrofluorolefine (HFO) umgestellt. Solche Verbindungen enthalten eine Doppelbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen. An dieser Stelle können Stoffe, die in der Atmosphäre vorkommen, angreifen, und die Moleküle werden innerhalb weniger Wochen zerlegt.

Problem gelöst? Nicht ganz. Umweltwissenschaftler sowie Vertreter von Umweltbehörden fordern jetzt die schrittweise Abschaffung von HFOs, weil bei ihrem Zerfall in der Atmosphäre Trifluoressigsäure (TFA) entsteht. Laut Karsten Nödler, einem analytischen Chemiker am Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe, ist TFA zwar nicht direkt gesundheitsschädlich, doch ihre Anhäufung in der Umwelt bereitet Fachleuten Sorgen, weil der Stoff außerordentlich schwer aus dem Wasser zu entfernen ist. Sollte es eines Tages nötig sein, Gewässer zu sanieren, bleibt dazu nur die Umkehrosmose, eine teure Technik, als letzte Option.

PFAS in Europa | Einsatzgebiete von PFAS in der EU (Schätzung für 2020).

Neben Ammoniak kommen als fluorfreie Kältemittel Kohlenwasserstoffe oder Kohlenstoffdioxid in Frage. Erstere sind brennbar, Letzteres verliert vor allem bei heißem Wetter, wenn die Kühlung am dringendsten benötigt wird, an Effizienz, wie McLinden erläutert. In europäischen Kühlschränken werden bereits Kohlenwasserstoffe verwendet, doch in großen Klimaanlagen können sie ein zu großes Brandrisiko darstellen. Klimaanlagen für kleine Wohnhäuser sind inzwischen sicher genug für Kohlenwasserstoffe, argumentiert Audun Heggelund, ein leitender Berater der norwegischen Umweltbehörde in Oslo. Der ECHA-Vorschlag vom Februar räumt der Klimaanlagenindustrie eine Frist von zwölf Jahren für die Umstellung auf Kohlenwasserstoffe ein, gewährt aber eine dauerhafte Ausnahmeregelung für Fälle, in denen brennbare Kältemittel aus Sicherheitsgründen verboten sind.

McLindens Ansicht nach sollte man vor allem gezielt gegen Lecks vorgehen. Kältemittel arbeiten in einem geschlossenen Kreislauf – wenn das System undicht ist, funktioniert das Gerät nicht. Könnten die Hersteller also sicherstellen, dass keine Lecks auftreten, wäre jedes Kältemittel geeignet, argumentiert er.

Klein, aber allgegenwärtig: Korrosionsbeständige Dichtungen und Schmiermittel

Der einfachste, aber häufigste Einsatz von PFAS in Maschinen – von Motoren bis hin zu chemischen Reaktoren – erfolgt dort, wo Anlagenteile aufeinandertreffen. Fluorpolymerfette schmieren bewegliche Oberflächen, Ringe und Dichtungen aus fluorhaltigen Elastomeren verbinden Teile miteinander. (Elastomere sind Polymere, die nach einer Verformung wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren, wie etwa Gummibänder.) Fluorhaltige Materialien seien die einzigen flexiblen Werkstoffe, die gegen starke chemische Korrosion, sehr hohe Temperaturen und in einigen Anwendungen sogar ultraviolette Strahlung bestehen könnten, sagt Michael Eason, Werkstoffingenieur beim Unternehmen James Walker, das Hochleistungsdichtungen herstellt. Fluorelastomer-Dichtungen kleben außerdem nicht, was praktisch ist, wenn Geräte zur Wartung auseinandergebaut werden.

Fluorierte Materialien unterscheiden sich von anderen weichen Werkstoffen allein schon durch ihre Hitzebeständigkeit: PTFE etwa könne zehn Jahre lang einer konstanten Temperatur von 260 Grad Celsius standhalten und verliere dabei nur ein Prozent seiner Masse, sagt Barbara Henry, Materialwissenschaftlerin beim Materialentwickler W. L. Gore mit Sitz in Newark, Delaware. Dadurch könnten Dichtungen so lange halten wie die Geräte, an denen sie eingesetzt werden. Das minimiert die Wartung und damit die Gefährdung der Arbeiter. Außerdem können Maschinen wie Düsentriebwerke bei höheren Temperaturen arbeiten und werden damit effizienter. »Weil es fluorierte Polymere gibt, kommen in jedem Gerät, das einem kapitalistischen Prozess folgt und versucht, stets schneller und effizienter zu werden, mittlerweile fluorierte Materialien zum Einsatz«, sagt Eason.

PTFE schützt auch die Arbeiter in der Schwerindustrie. Eine dünne Innenschicht aus PTFE in mehrlagigen Textilien sorgt dafür, dass die Kleidungsstücke leicht und atmungsaktiv bleiben und gleichzeitig ausreichend hitzebeständig sind, um Lichtbögen standzuhalten, also explosiven elektrischen Entladungen, die Textilien mit der Haut verschmelzen können. Gore hat fluorfreie wetterfeste Oberbekleidung für Endkunden entwickelt (unter Verwendung von expandiertem Polyethylen), aber für Hochleistungsbekleidung wird immer noch PTFE benötigt, wie Henry berichtet.

Eason und Chaoying Wan, Materialwissenschaftler an der University of Warwick (Großbritannien), wollen vor dem Hintergrund des anstehenden PFAS-Verbots gemeinsam Alternativen finden. Es sei »fast unmöglich«, einen Ersatz zu finden, der alle Eigenschaften von PTFE besitzt, sagt Eason. Doch man könne alternative Stoffe für Anwendungen entwickeln, bei denen nur eine oder zwei Eigenschaften von PTFE benötigt werden, auch wenn das die Lieferketten komplizierter machen würde. Eason geht davon aus, dass es am Ende Dutzende von Spezialprodukten geben wird, während heute eine Hand voll Fluorpolymere den Bedarf von so unterschiedlichen Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Pharmazie und Halbleiterindustrie deckt.

Auf der Jagd nach dem besten Ersatz

Die Hersteller fluorierter Chemikalien werden auch durch den weltweiten Wettlauf um die Vorherrschaft in der Halbleiterindustrie angetrieben. Im September 2022 gab Chemours bekannt, seine Anlage in North Carolina zu erweitern, um die dortige Halbleiterproduktion zu unterstützen. Und die Asahi Glass Company, ein Hersteller von Glas und Chemikalien in Tokio, will laut einer Ankündigung von 2023 die Produktion fluorierter Chemikalien für 35 Milliarden Yen (knapp 225 Millionen Euro) ausbauen, weil die Halbleiterindustrie die Produkte so stark nachfrage.

PFAS werden beim Herstellen von Computerchips auf vielfältige Weise eingesetzt. In einem entscheidenden Schritt beschichtet man die Oberfläche eines Siliziumwafers mit einem »Fotolack«, der PFAS enthält. Wird der Lack mit Licht bestrahlt, setzen die PFAS starke Säuren frei, die Teile der Beschichtung zersetzen und auf diese Weise eine genau strukturierte Lücke hinterlassen. Anschließend werden die nun frei liegenden Teile des Wafers weggeätzt – beim »Trockenätzen« wird ein Gasgemisch verwendet, das in der Regel einige Fluorkohlenwasserstoffe enthält. In einer Vielzahl von Mikrochip-Beschichtungen werden zudem Fluorpolymere verwendet.

Es ist nicht einfach, Alternativen zu den starken Säuren oder Ätzgasen zu finden. Fluoratome verleihen den Säuren die notwendige Stärke, während Fluorkohlenstoffgase wegen ihrer Präzision beim Ätzen geschätzt werden. Die Semiconductor Research Corporation, ein Konsortium mit Sitz in Durham, North Carolina, fördert die Erforschung von Möglichkeiten zur Begrenzung von PFAS-Emissionen und zur Suche nach Alternativen für die Mikrochip-Industrie.

»PFAS sind ein Innovationshemmnis«Martin Scheringer, Umweltwissenschaftler an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich

In einem Fall ist es den Unternehmen gelungen, auf einen kleinen Teil der fluorierten Tenside beim »Nassätzen« – einem Verfahren, bei dem Chemikalien in Lösung eingesetzt werden – zu verzichten. In diesem Fall dienten die fluorierten Tenside als Hilfsmittel, damit sich die Lösungen auf den zu ätzenden Oberflächen verteilten, erklärt Christopher Christuk, Präsident des Elektronikchemikalienlieferanten Transene in Danvers, Massachusetts. Transene verwendet jetzt fluorfreie Tenside, die Fachleute der University of Massachusetts Lowell (UML) gefunden haben. Das Massachusetts Toxics Use Reduction Institute habe das Forschungsprojekt ins Leben gerufen und finanziert, wie Christuk erzählt. Die staatliche Behörde ist dazu in der Lage, da sie Gebühren von Unternehmen erhebt, die giftige Chemikalien einsetzen.

Branchen, die bisher nichts außer Fluorchemie kannten, müssten sich vom Glauben an die Magie des Fluors verabschieden, sagt Martin Scheringer, Umweltwissenschaftler an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. »PFAS sind ein Innovationshemmnis«, konstatiert er und verweist dazu auf Löschschäume. Obwohl der multinationale Technologiekonzern 3M jahrzehntelang Schäume aus PFOS herstellte, gelang es ihm 2002, einen fluorfreien Feuerlöschschaum zu entwickeln – allerdings erst, nachdem PFOS zu einem viel beachteten Schadstoff geworden war. Zahlreiche andere Branchen müssen nun ähnliche Durchbrüche erzielen. »Wir brauchen viele Materialien, die noch nicht erfunden wurden und die fluorfrei sind«, sagt Scheringer.

Inspektion eines Triebwerkes, das PFAS enthält | Ein Techniker für Luft- und Raumfahrtantriebe arbeitet in einem Flugzeugtriebwerk und prüft mit einer Taschenlampe die Dichtung von zwei Triebwerkskomponenten.

Im Dezember 2022 kündigte 3M an, die Herstellung all seiner fluorchemischen Produkte – einschließlich Fluorpolymeren sowie Fluorkohlenstoffgasen und -flüssigkeiten – bis 2025 einzustellen. Der Konzern verriet aber nicht, was an ihre Stelle treten solle. Im Juni 2023 schloss das Unternehmen einen Vergleich über 10 Milliarden US-Dollar (9 Milliarden Euro), um die Entfernung von fluorierten Tensiden aus dem Trinkwasser in Teilen der USA zu finanzieren, und es gibt weitere Rechtsstreitigkeiten, die noch nicht beigelegt sind.

Derzeit betreffen die meisten Förderungen im Zusammenhang mit PFAS die Beseitigung von Umweltverschmutzungen. In keinem der gewaltigen, von Regierungen finanzierten Programme der Europäischen Union oder der USA zur Förderung sauberer Energien oder zur Herstellung von Halbleiterchips wird die Notwendigkeit erwähnt, Alternativen zu PFAS aufzutun. »Wir sollten mehr Mittel für die Forschung bereitstellen, um neue Lösungen zu finden«, sagt Jonatan Kleimark, Berater bei ChemSec, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz im schwedischen Göteborg, die sich für sicherere Chemikalien einsetzt.

»Ein verantwortungsbewusstes Unternehmen sollte versuchen, den Einsatz fluorierter Materialien zu minimieren«Michael Eason, Werkstoffingenieur beim Dichtungshersteller James Walker

Eason und Wan versuchen, Wege zur Herstellung von Fluorpolymeren ohne giftige fluorierte Tenside ausfindig zu machen. Wenn das gelingt, sollte man nach Easons Ansicht Fluorpolymere weiterhin dort verwenden können, wo sie nicht zu ersetzen sind – vorausgesetzt, man findet eine Möglichkeit, sie am Ende ihres Lebens zu recyceln. Eason ist sich jedoch bewusst, dass die Beständigkeit der Fluorpolymere ein Problem darstellt. »Der ECHA-Vorschlag hat allen klargemacht, dass sie etwas ändern müssen«, sagt er. »Meiner Meinung nach sollte ein verantwortungsbewusstes Unternehmen versuchen, den Einsatz fluorierter Materialien zu minimieren.«

Die Behörden, die das Verbot vorgeschlagen haben, begrüßen Vorstöße der Industrie zur Ausweitung der Herstellerverantwortung und zur Entwicklung geschlossener Kreislaufsysteme für das Recycling von Fluorchemikalien. »Sie müssen die Informationen bereitstellen und einen Schritt vorwärts machen«, sagt Heggelund. Er ist aber sehr skeptisch und verweist auf die niedrigen Recyclingraten bei Kunststoffen. Wenn Fluorpolymere ohne giftige Tenside hergestellt werden könnten, dann hätten die Hersteller das seiner Meinung nach von Anfang an tun sollen und nicht erst nach einer Regulierung.

Die Europäische Chemikalienagentur ist bislang weltweit die einzige Einrichtung, die solch umfassende PFAS-Beschränkungen in Erwägung zieht. Ein Verbot hätte jedoch eine Signalwirkung für den Rest der Welt, was den Umgang mit den Chemikalien angeht. Zhanyun Wang, Umweltwissenschaftler an der ETH Zürich, glaubt darüber hinaus, dass der Vorschlag die Forschung zu gänzlich neuartigen Lösungen dort ankurbeln wird, wo es noch keine offensichtlichen Alternativen zu fluorhaltigen Substanzen gibt. In Bereichen hingegen, in denen bereits Alternativen existieren, könnten das ECHA-Proposal und die daraus folgenden Marktveränderungen als Wegweiser dienen: um Industriebetrieben weltweit zu zeigen, wie man »Ewigkeitschemikalien« ein für alle Mal loswird.

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  • Quellen

Evich, M. G et al.: Per- and polyfluoroalkyl substances in the environment. Science 375, 2022

Fenton, S. E.: Per- and polyfluoroalkyl substance toxicity and human health review: Current state of knowledge and strategies for informing future research. Environmental Toxicology and Chemistry, 2020, doi: 10.1002/etc.4890

Xiao, F.: Emerging poly- and perfluoroalkyl substances in the aquatic environment: A review of current literature. Water Research 124, 2017

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