Direkt zum Inhalt

Übergewicht: Plastikextrakte fördern Bildung von Fettzellen

Versuche in Zellkultur stützen die Vermutung, dass Chemikalien in Kunststoffen Übergewicht fördern. Sie zeigen aber vor allem, dass noch sehr vieles unbekannt ist.
Gestapelte Plastikschalen mit Salaten.

Versuche mit Extrakten verschiedener Kunststoffe stützen eine verbreitete Theorie über die Zunahme von Übergewicht weltweit. Eine Arbeitsgruppe um Johannes Völker von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) stellte fest, dass viele der Chemikaliengemische in Kulturen von Mäusezellen neue Fettzellen entstehen und gedeihen ließen. Wie das Team in »Environmental Science & Technology« berichtet, lieferten 11 von 34 Kunststoffproben aus dem Alltag Extrakte, die das Wachstum von Fettzellen förderten. Vier davon erwiesen sich als aktiver als die Vergleichssubstanz Rosiglitazon, die Gewichtszunahme bewirkt. Den Ergebnissen zufolge spielen Chemikalien in Alltagsprodukten eine Rolle dabei, dass weltweit immer mehr Menschen übergewichtig sind.

Laut Statistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich die Zahl der übergewichtigen Menschen weltweit seit 1975 verdreifacht. Ein Teil dieses Anstiegs liegt an der Veränderung von Ernährung und Lebensstil. Untersuchungen legen jedoch nahe, dass es einen weiteren bedeutenden, bisher nicht identifizierten Faktor geben muss. Im Verdacht haben Fachleute unter anderem als endokrine Disruptoren bezeichnete Chemikalien in Kunststoffen. Diese Moleküle, darunter Bisphenol A und Phthalate, beeinflussen mutmaßlich das Hormonsystem, das Stoffwechsel und Gewicht steuert.

Ob diese Stoffe allerdings für Übergewicht verantwortlich sind und welche davon, ist bislang unklar. Wie die Studie der Gruppe um Völker zeigt, ist ein solcher Effekt plausibel – doch die verursachenden Substanzen sind wohl nur sehr schwer zu identifizieren. Das Team analysierte die Zusammensetzung der verschiedenen Extrakte und fand eine enorme Vielfalt an Molekülen: Insgesamt 55 300 chemische Signaturen registrierte es mit hochauflösender Massenspektromentrie.

Von diesen konnten die Forscher 629 Signale Stoffen zuordnen, von denen elf erwiesenermaßen Auswirkungen auf den Stoffwechsel haben. Allerdings erklären bereits bekannte Effekte die Resultate nicht. So gab es in Experimenten keinen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit der Extrakte, bestimmte Signalwege des Fettstoffwechsels anzuregen, und dem tatsächlichen Entstehen von Fettzellen. Während die Studie nicht nachweisen kann, dass die Stoffe in Plastik wirklich Auswirkungen auf den Stoffwechsel haben, zeigen die Vielfalt der gefundenen Moleküle und ihre unbekannten Wirkmechanismen, wie dringlich das Problem der Chemikalien in Kunststoffprodukten ist.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.