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News: Sanfter Norden, rauer Süden

Könnte man in Zeitrafferaufnahmen die Bewegung der Landschollen von den Anfängen der Kontinentalverschiebung bis in die ferne Zukunft hinein beobachten, so würde der südliche Teil Kaliforniens rasch ins Meer schießen und als einsame Insel im Pazifik schwimmen. Unter normalen Gegebenheiten bemerkt man die Bewegungen an der San Andreas-Verwerfung und einer ihrer größten Seitenäste, der Hayward-Verwerfung, jedoch lediglich als leichtes Rütteln. Doch manchmal bauen sich zwischen den sich gegensätzlich bewegenden Landmassen große Spannungen auf, die sich dann schlagartig entladen, was schwere Erdbeben zur Folge hat. Im Falle von Hayward ist die Gefahr hierfür in den nördlichen Bereichen gering, da die Erdschollen mehr oder weniger sanft aneinander vorbei gleiten. Im Süden der Verwerfung sitzen die Schollen dagegen fest und kommen nur ruckweise vorwärts.
Die Hayward-Verwerfung ist mit 120 Kilometern Länge einer der Hauptäste der bekannten San Andreas-Verwerfung, die sich über mehr als 1 000 Kilometer entlang der kalifornischen Küste erstreckt und bei San Francisco ins Meer übergeht. Am 12. Oktober 1868 kam es zum letzten großen Erdbeben am südlichen Abschnitt der Hayward-Verwerfung. Damals rieben die gewaltigen Erdschollen auf einer Strecke von 40 bis 50 Kilometern aneinander, was zu einem Beben der Stärke sieben auf der Richter-Skala führte. Betroffen waren die Städte Fremont und Berkeley in unmittelbarer Nachbarschaft von San Francisco. Seither haben Wissenschaftler vermutet, dass es im nördlichen Abschnitt der Verwerfung innerhalb der nächsten 30 Jahre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem größeren Erdbeben kommen kann.

Roland Bürgmann von der University of California in Berkeley und seine Kollegen fanden jedoch jetzt heraus, dass Platten dort auch in der Tiefe anscheinend relativ ungestört aneinander vorbei gleiten (Science vom 18. August 2000). "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein großes Erdbeben nur am nördlichen Abschnitt der Hayward-Verwerfung entsteht, ist eher gering", meint Bürgmann. Denn bei der Bewegung reiben die Erdschollen allmählich und sanft aneinander, ohne dass es zu Spannungen kommt, die sich ruckartig entladen. Wie sich die Platten bewegen, bestimmen die Eigenschaften der Verwerfungszone wie beispielsweise Temperatur, Spannung, Flüssigkeiten und die Art des Gesteines.

Um das Ausmaß der Gleitbewegung an der nördlichen Hayward-Verwerfung zu untersuchen, vermaßen die Forscher sie mit dem Satelliten-gestützten Navigationssystem GPS und berücksichtigten auch Daten von Radarsatelliten sowie Informationen über Anhäufungen von Kleinstbeben, die sich tief in der Verwerfung ereignet hatten. All diese Daten kombinierten sie in einem Modell, das Oberflächenbewegungen mit dem Aneinandergleiten der Verwerfungszonen in der Tiefe verknüpft. Dies ermöglichte den Forschern, einen flüchtigen 3D-Eindruck von der Kontaktstelle der Erdschollen zu gewinnen. Auf diese Weise fanden die Forscher heraus, dass auch am Grunde der Verwerfung dieses langsame, aseismisches Gleiten auftritt, das sie auch im oberen Bereich der nördlichen Hayward-Verwerfungszone beobachteten. Das seismische Szenarium, das am besten auf ihr Modell zutrifft, verleiht der Hayward-Störung eine gespaltene Persönlichkeit: Eine relativ unbewegliche südliche Hälfte, die in der Tiefe festsitzt, und ihre anschließende frei gleitende nördliche Fortsetzung.

Obwohl die Wahrscheinlichkeit größerer Erdbeben an der nördlichen Hayward-Verwerfung gering zu sein scheint, können die Forscher die Entstehung größerer Erdbeben an benachbarten Verwerfungen, wie beispielsweise den südlichen Bereichen der Spalte oder der Rodgers Creek-Verwerfung nicht ausschließen. "Die durchgeführten Studien deuten klar auf eine erhebliche Erdbebengefahr aus diesen und anderen Verwerfungen in der Bucht von San Francisco hin", meint Bürgmann.

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