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News: Scheidewege

Artenvielfalt und ein vielfältiges Lebensraumangebot fallen in modernen Agrarlandschaften meist ökonomischen Gesichtspunkten zum Opfer. Im Agrarland Holland fördert daher die Europäische Union schon seit 20 Jahren Flächen mit nachhaltiger Nutzung zur Erhöhung der Biodiversität. Bei einem Vergleich mit konventionell genutzten Äckern fanden jetzt Wissenschaftler dort heraus, dass gerade bedrohten Vogelarten wie Uferschnepfe und Austernfischer - zusammen mit gefährdeten Gefäßpflanzen - nachhaltig genutzte Flächen nicht bevorzugen.
Die gute alte Zeit: Da boten reichlich vorhandene Feldraine, Brachflächen und Gehölze genügend Ausweichräume für die Flora und Fauna, wenn der Bauer seine Felder beackerte und die Wiesen mähte. Moderne Agrarlandschaft lässt dagegen zahlreiche Arten zu Obdachlosen und Hungernden werden: Die Biodiversität an Pflanzen und Tieren ist dementsprechend auf landwirtschaftlichen, intensiv bewirtschafteten Flächen besonders niedrig, dort existieren meist nur weit verbreitete, wenige Arten.

Das hat dermaßen dramatische Züge angenommen, dass die Europäische Union mittlerweile rund 20 Prozent ihrer Anbauflächen zur nachhaltigen Bewirtschaftung und Erhöhung der Biodiversität subventioniert. Mit heute 20 Jahren Förderung war das Agrarland Holland einer der ersten Nutznießer davon. Dort steht besonders der Wat- und Wiesenvogelschutz im Vordergrund.

David Kleijn und seine Kollegen von der Wageningen University kamen jetzt bei der Untersuchung von nachhaltig bewirtschafteten holländischen Agrarflächen zu einem verblüffenden Ergebnis: Die vier Naturschutz-Zielarten Kiebitz (Vanellus vanellus), Austernfischer (Haematopus ostralegus), Rotschenkel (Tringa totanus) und Uferschnepfe (Limosa limosa) waren auf Flächen mit nach hinten verschobenem Mähzeitpunkt zahlenmäßig weniger als in konventionell bewirtschafteten Arealen zu finden. Da die meisten Arten ein Revier beanspruchen und die Untersuchung zur Brutzeit stattfand, kann man daraus auch auf weniger Bruten schließen. Besonders beim Austernfischer fanden sich auf nachhaltig bewirtschafteten Flächen signifikant weniger Nester. Der weit verbreitete Star (Sturnus vulgaris) hingegen bevorzugt die EU-Flächen.

In Bezug auf Gefäßpflanzen sehen Hollands Äcker ähnlich leer aus: Nachhaltige Bewirtschaftung an sich und auch deren Dauer zeigen bis jetzt keinen Einfluss auf die Pflanzenvielfalt in Feldrainen und es gibt keinen signifikanten Unterschied zu konventionell bewirtschafteten Flächen.

Solche Ergebnisse sind eine eiskalte Dusche für alle Naturschutzbemühungen. Betrachtet man jedoch die Zahlen im Kontext, wandelt sich das Bild: So stammen nach Kleijns Untersuchung 85 Prozent aller gefangenen Bienen auf holländischen Agrarflächen von nur drei Arten: der Honigbiene (Apis mellifera) - einem Haustier - sowie zwei verbreiteten Hummelarten, Bombus pascuorum und B. terrestris. Blütenbestäubende Hautflügler leben danach kaum noch auf Hollands Äckern. Die Artenverarmung ist so weit fort geschritten, dass auch die nachhaltige Bewirtschaftung von isolierten Einzelflächen selbst bei flugfähigen Insekten bis jetzt nicht mehr zu Wiedereinwanderung führte.

Das Beispiel von Holland kann für die Landwirtschaft in etlichen EU-Staaten gelten. Eine Erfolgskontrolle von Langzeitprogrammen in der Landwirtschaft durch ständige wissenschaftliche Begleitung kann in Zukunft früher zum Umdenken bei Maßnahmen führen, so Kleijn. Die flächendeckende Artenverarmung von intensiv genutzten Agrarflächen ist weiter fortgeschritten als bisher angenommen.

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