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Navigation: Große Tümmler spüren elektrische Felder

Delfine nehmen mit Hilfe kleiner Gruben an ihrer Schnauze schwache elektrische Felder wahr. Vermutlich hilft das bei der Nahrungssuche. Können sie sich dank des Elektrosinns auch am Erdmagnetfeld orientieren?
Großer Tümmler jagt Fische
Der Elektrosinn hilft Großen Tümmlern vermutlich dabei, ihre Beute im Nahbereich aufzuspüren.

Was unter anderem bei Haien, Rochen und Guyana-Delfinen schon länger bekannt ist, konnten Forscher auch beim Großen Tümmler (Tursiops truncatus) bestätigen: Die Delfine nehmen schwache elektrische Felder wahr und reagieren darauf. Das hilft ihnen vermutlich nicht nur bei der Suche nach Fischen im Meeresbodensediment, sondern auch bei der Orientierung in den Weltmeeren. Darauf gebe es Hinweise, schreibt das Team aus Rostock und Nürnberg im Fachmagazin »Journal of Experimental Biology«.

»Der Hai ist ein absoluter Elektrospezialist bei den marinen Tieren«, so Studienleiter Guido Dehnhardt von der Universität Rostock. Bei den Säugetieren wurde die Elektrorezeption bisher beim Schnabeltier, beim Kurzschnabelameisenigel und 2012 auch beim Guyana-Delfin nachgewiesen. Und nun beim Großen Tümmler.

Letztere haben kurz nach der Geburt zwei Reihen von Tasthaaren entlang der Schnauze. Diese Vibrissen fallen jedoch bald aus, es bleiben kleine Gruben zurück, aus denen die Härchen einst wuchsen (Vibrissenfollikel). Tim Hüttner und Guido Dehnhardt hatten sich im Vorfeld der Studie gefragt, ob die Gruben wohl mehr als ein Relikt sind. Ermöglichen sie erwachsenen Delfinen, schwache elektrische Felder wahrzunehmen? Immerhin ähneln sie den Strukturen, mit denen Haie elektrische Felder registrieren. 2021 fanden Hüttner und Dehnhardt bereits erste Hinweise darauf in Versuchen mit vier Großen Tümmlern. Nun haben die Forscher den Elektrosinn der Meeressäuger genauer unter die Lupe genommen.

Das Team führte Versuche mit den Großen Tümmlern Dolly und Donna im Tiergarten Nürnberg durch. In dem Delfinarium lernten die Meeressäuger, in eine Apparatur zu schwimmen und dort ihre Schnauzen auf einer Vorrichtung abzulegen, in deren Nähe sich Elektroden befanden. Bei einem elektrischen Signal sollten sie den Kasten innerhalb von einigen Sekunden wieder verlassen. Richtige Entscheidungen wurden immer mit einem Fisch belohnt. »Dabei ging es um sehr schwache Gleichstromfelder, die man ohne richtige Rezeptoren nicht wahrnehmen kann«, so Hüttner gegenüber der dpa. »Ich habe da mal meine Hand drunter gehalten. Da passierte gar nichts.«

Experiment im Delfinarium Nürnberg | Der Delfin schwimmt in die Apparatur und legt seine Schnauze in die Kieferstation (jaw station), gleichzeitig berührt er den Ball (target). Die Elektroden (electrodes) befinden sich ungefähr 10 Zentimeter von den Vibrissengruben (vibrissal crypts) des Tieres entfernt. Bei einem elektrischen Reiz soll der Delfin das Gerät innerhalb von drei Sekunden verlassen. Bei Versuchen ohne Reiz bleibt der Tümmler mindestens zwölf Sekunden lang in der Station. Der Sichtschutz (visual cover) verhindert, dass der Versuchsleiter das Tier ungewollt anspricht.

Die Fachleute verringerten das elektrische Feld schrittweise von 500 auf 2 Mikrovolt pro Zentimeter und waren beeindruckt: Donna und Dolly reagierten auf die stärksten Felder gleich empfindlich und schwammen fast jedes Mal richtig weg. Bei sehr schwachen Feldern zeigte sich Donna etwas sensibler: Sie nahm Stärken bis zu 2,4 Mikrovolt pro Zentimeter wahr, Dolly bis zu 5,5. Damit lagen die beiden Großen Tümmler mit ihrer Erkennungsschwelle in der gleichen Größenordnung wie Schnabeltiere und Guyana-Delfine.

Schwache bioelektrische Felder geben eine zuverlässige Informationsquelle im Nahbereich ab, da alle Lebewesen im Wasser auf Grund des Ionenflusses bei der Osmoregulation elektrische Gleichstromfelder erzeugen. Bei Delfinen könnte der Elektrosinn also das Aufspüren von Beute erleichtern. Die von lebenden Tieren erzeugten elektrischen Felder sind jedoch nicht nur statisch. Die pulsierenden Bewegungen der Fischkiemen bewirken, dass sie schwanken. Können Donna und Dolly also auch pulsierende Felder wahrnehmen? Ja, wie sich herausstellte, allerdings reagieren sie darauf weniger empfindlich.

Ob die Vibrissenfollikel den Delfinen auch ermöglichen, sich am Erdmagnetfeld zu orientieren, bleibt spekulativ. Zumindest sei durch die Versuche gezeigt worden, dass sie die sensorische Voraussetzung dafür haben, sagt Dehnhardt.

Bei der Interpretation der Ergebnisse müsse man jedoch bedenken, dass es sich um zwei gefangene Delfine handelte. »Wir wissen nicht, ob sie diese Fähigkeit tatsächlich auch in der freien Wildbahn benutzen«, gibt Meeresbiologin Juliana López-Marulanda von der Université Paris Nanterre gegenüber »The New York Times« zu bedenken.

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