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Photonik: Tarnung im Rotlicht

In so manch peinlicher Situation würde man sich zu gerne in Luft auflösen. Einfach verschwinden. Ganz so weit ist die Forschung leider noch nicht, aber auf dem Weg dorthin ist sie allemal.
Simulation
Hexen verpuffen einfach zu einer großen Rauchwolke, und Zauberer verhüllen sich in ihrem riesigen Mantel, um unsichtbar zu sein. Was in vielen Märchen ganz alltäglich ist, könnte theoretisch auch in der realen Welt funktionieren. Und dazu bedarf es nicht einmal dunkler Magie: Allein schnöde Physik soll diese tollkühne Vision wahr werden lassen.

Davon träumt Vladimir Shalaev von der Purdue-Universität in West Lafayette, der zusammen mit seinem Team an einer Tarnvorrichtung forscht. Die zu Grunde liegende Idee ist weder neu, noch besonders kompliziert: Denn eine Person oder ein Gegenstand sind nur zu sehen, weil das Licht an ihnen zurückgeworfen wird.

Tarnung durch Umleitung

Um einen Körper unsichtbar zu machen, darf er die elektromagnetischen Wellen also nicht reflektieren. Könnte man das verhindern, bliebe aber trotzdem eine dunkle, schattenähnliche Form des Objekts zurück – keine perfekte Tarnung also. Deshalb muss das Licht zusätzlich um das zu Tarnende herumgeleitet werden, ähnlich wie beispielsweise das Wasser um den Bug eines Schiffes herumströmt. Damit sehen die Beobachter auch, was sich hinter der Person verbirgt – nicht aber die verhüllte Gestalt.

Und hier lag die Schwierigkeit, denn mit den bekannten Materialien war eine solche Umleitung des Lichts undenkbar. Physiker knobelten über Jahre an dem Problem und entwickelten schließlich so genannte Metamaterialien. Deren Eigenschaften hängen nicht von ihren Ausgangsstoffen ab, sondern nur von ihrer Struktur. Ihre Besonderheit: Sie haben einen negativen Brechungsindex.

Dieser legt fest, wie sich das Licht innerhalb eines Materials ausbreitet, wie das Licht abgelenkt wird und wie schnell es in seinem Inneren ist. Natürliche Materialien haben einen Brechungsindex, der größer als eins ist. In den Metamaterialien kann er aber auch Werte zwischen Null und eins annehmen, und damit wird das Licht an diesem Material in die falsche Richtung gebrochen.

Wie eine Haarbürste

Shalaev und seine Kollegen entwickelten nun einen Tarnmantel aus einem solchen Metamaterial. Er besteht aus einer Zylinderoberfläche, auf der nanometerdicken Nadeln nach außen zeigen – vergleichbar mit einer runden Haarbürste mit winzigen Borsten. Der Brechungsindex variiert innerhalb des Mantels von Null bis eins an der äußeren Oberfläche.

In Simulationen überprüften die Physiker nun das Verhalten der Lichtwellen an ihrer theoretischen Apparatur. War der Gegenstand von den winzigen Nadeln umhüllt, spalteten sich die eintreffenden Wellenfronten an ihm und liefen beiderseits vorbei. Erst hinter ihm vereinigten sie sich wieder und fügten sich in das ungestörte Wellenmuster ein.

Leider hat die Anlage einen entschiedenen Nachteil gegenüber den Mänteln echter Zauberer: Sie lässt das Objekt nur für eine einzige Wellenlänge verschwinden – in diesem Fall für rotes Licht. Trotzdem sei es ein erster Schritt zu der Erschaffung einer Tarnvorrichtung, die für das gesamte optische Spektrum funktioniert, beschwichtigt Shalaev. Denn auch bei jeder anderen Wellenlänge im sichtbaren Licht sollte die Apparatur wirken.

Zweifelsohne hat ihr Tarnmantel den bisherigen Konzepten etwas voraus, denn diese ließen Objekte nicht im optischen Wellenlängenbereich verschwinden, sondern etwa im für uns ohnehin unsichtbaren Mikrowellenspektrum. Und im Gegensatz zu den Vorläufermodellen, könnte der neu entworfene Tarnumhang beliebig groß sein. Groß genug um Menschen, Autos oder ganze Flugzeuge verschwinden zu lassen – zumindest in der Theorie.

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