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News: Tiefe Freundschaft

Gäbe es sie nicht, dann wäre das Klima auf unserem Planeten deutlich ungemütlicher: Methanoxidierende Bakterien im Meer verhindern, dass große Mengen dieses Treibhausgases freigesetzt werden. Hierfür benötigen sie jedoch Sauerstoff, und der ist in den Sedimenten des Meeresbodens knapp. Deshalb haben sich die Methanoxidierer mit Sulfatreduzierern verbündet. Zusammengepackt in engen Klümpchen leben sie auf dem Grunde des Meeres und versorgen sich gegenseitig.
Mehr als zehn Billionen Tonnen Methan sind am Grunde des Meeres vergraben. Damit übersteigen die Methanvorräte die Mengen an Kohle, Öl und anderer fossiler Brennstoffe um mehr als das Doppelte. Als Treibhausgas ist Methan 25-mal wirksamer als Kohlendioxid. Würden diese gigantischen Mengen in die Atmosphäre freigesetzt, dann herrschte auf der Erde ein ähnlich ungemütliches Klima wie auf der Venus. Doch glücklicherweise erreicht das Gas nicht die Wasseroberfläche. Bereits die Sedimente, in denen methanproduzierende Bakterien leben, sind fast methanfrei. Wo bleibt das Gas?

Die Meeresforscher vermuten schon lange, dass das Gas von methanoxidierenden Bakterien verbraucht wird. Dabei ergibt sich jedoch ein Problem: Zur Oxidation wird Sauerstoff benötigt. Nun kommt Sauerstoff zwar auch im Meereswasser vor, dringt jedoch nur wenige Millimeter in das Sediment des Meeresbodens ein. Der Lebensraum der vermuteten Bakterien ist damit praktisch sauerstofffrei.

Es gibt jedoch eine Substanz, die reichlich im Meerwasser vorhanden ist und mit dem Porenwasser auch tief in das Sediment eindringt: Sulfat. Und das von oben hineindiffundierende Sulfat verschwindet genau in der Sedimenttiefe, in dem auch das von unten aufsteigende Methan nicht mehr nachweisbar ist. Die Mikrobiologen suchten daher genau hier nach Organismen, die gleichzeitig Methan und Sulfat verbrauchen.

Mikrobiologen pflegen Bakterien nachzuweisen, indem sie diese im Labor sich vermehren lassen. Leider ist das bei Organismen aus sauerstofffreien Sedimenten der Meeres nicht ganz einfach, denn hierfür müssen die außergewöhnlichen Bedingungen des natürlichen Biotops imitiert werden. Es wäre viel einfacher, könnte man die exotischen Bakterien unmittelbar vor Ort nachweisen, ohne sie erst wachsen zu lassen.

Genau diesen Weg verfolgte Victoria Orphan vom Monterey Bay Aquarium Research Institute. Zusammen mit anderen Wissenschaftler sammelte sie mit einem ferngesteuerten Roboter Schlammproben aus dem Eel River Basin im Pazifik ein. Mit Hilfe fluoreszierender RNA-Marker fanden die Forscher im Schlamm zwei Arten: das sulfatreduzierende Bakterium Desulfosarcina und ein Organismus, der zu den Archaea zählenden, methanverbrauchenden Methanosarcinales gehört.

Durch die Fluoreszenzfärbung konnten die Wissenschaftler erkennen, wie die beiden Organismen zusammenleben: in dicht gepackten, winzigen Klümpchen, wobei die Sulfatreduzierer die Methanoxidierer ummanteln. Die einzelnen Klumpen haben dabei den Durchmesser eines menschlichen Haares.

Durch Isotopenanalyse gelang der Nachweis, dass tatsächlich die Methanosarcinales das Methan verbrauchen. Denn im Methan ist der Anteil des schwereren Kohlenstoffisotops 13C geringer als normal. Und genau dieses verschobene Isotopenverhältnis fanden die Forscher auch im Kohlenstoff ihrer Bakterien. Diese hatten sich demnach von Methan ernährt.

Die entdeckte Symbiose im Schlamm der Meeresbodens hat vermutlich enorme Konsequenzen auf den Kohlenstoffkreislauf und damit auf das Erdklima. Die Wissenschaftler schätzen, dass die Methanoxidierer etwa 300 Millionen Tonnen jährlich verbrauchen – das sind mehr als 80 Prozent des in anoxischen marinen Sedimenten produzierten Methans.

In der Frühzeit der Erdgeschichte lag der Methangehalt der Atmosphäre durch vulkanische Aktivitäten deutlich höher als heute. Der resultierende Treibhauseffekt sorgte für die zur Entwicklung des Lebens günstigen Temperaturen. Doch ohne Methanoxidierer hätte die Erde sich immer weiter aufgeheizt. "Wenn sie nicht an irgendeinem Punkt der Erdgeschichte enstanden wären", so vermutet Kai-Uwe Hinrichs von der Woods Hole Oceanographic Institution, "gäbe es uns heute wahrscheinlich nicht."

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  • Quellen
Monterey Bay Aquarium Research Institute
Science 293(5529): 418–419 (2001)
Science 293(5529): 484–487 (2001)

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