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News: Tödliche Spaltung

Ein neues Antibiotikum könnte eine hilfreiche Waffe sein im Kampf gegen Bakterien, die gegen immer mehr Medikamente resistent werden. Dabei lösen die Mikroorganismen selbst ihre eigene Zerstörung aus: An dem Wirkstoff hängt ein Gift, das freigesetzt wird, wenn die Bakterien das Molekül spalten. Bisher konnten sie es auf diese Weise unwirksam machen - nun leiten sie ihren eigenen Untergang ein.
Was wäre die Medizin ohne Antibiotika? Schon lange kennen die Menschen Mittel, mit denen sie Infektionen bekämpfen, doch seit Alexander Fleming 1928 die antibakterielle Aktivität des Penicillins beschrieb, gehört die Suche nach weiteren Wirkstoffen gegen krankheitsauslösende Bakterien, Pilze oder Parasiten zu den wichtigsten Forschungsfeldern der Medizin.

Aber auch die Erreger ruhen nicht. Durch Mutationen entwickeln sich immer neue Stämme, die resistent gegen die bekannten Medikamente sind, und sich davon nicht mehr abschrecken lassen. Für die Forscher ist es ein Wettlauf mit der Zeit – und immer dringender warnen sie davor, dass es bald Organismen geben wird, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft.

Besonders Bakterien, die gegen die so genannten beta-Lactam-Antibiotika resistent sind, bereiten den Wissenschaftlern Kopfzerbrechen. Diese Gruppe von Medikamenten, zu denen auch die Penicilline und Cephalosporine zählen, gehört zu den am häufigsten eingesetzten Antibiotika weltweit. Durch eine Mutation können die widerstandsfähigen Mikroorganismen große Mengen des Enzyms beta-Lactamase herstellen, welches das Molekül spaltet und es so unwirksam macht.

Doch eine Neuentwicklung von NewBiotics Inc. in San Diego, Kalifornien, könnte die Krankheitserreger vielleicht überlisten. Dabei lösen die Bakterien selbst ihre eigene Zerstörung aus. Denn die Forscher haben an den Cephalosporin-Wirkstoff NB2001 das weit verbreitete Bakterizid Triclosan angehängt. Wenn nun das Enzym des Bakteriums das Molekül spaltet, wird das Gift freigesetzt und tötet die Erreger ab, berichteten die Michael Shepard und seine Kollegen auf der International Conference on Emerging Infectious Diseases der American Society of Microbiology vom 16. bis 19. Juli 2000. "Diese neuartige Gestaltung des Antibiotikums könnte die pathogenen Bakterien ausräumen, bevor sie die Möglichkeit haben, resistant zu werden", erklärt Shepard. Bei nicht-resistenten Erregern wirkt das Mittel hingegen wie seine Verwandten, die den Aufbau der Zellwand stören.

Erste Tests zeigen, dass der neue Wirkstoff auch tatsächlich erfolgreich ist. Die Wissenschaftler verwendeten als Versuchsorganismen drei genetisch veränderte Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli. Der erste Stamm war nicht resistent gegen Ampicillin, einem Penicillin-Vertreter, und produzierte auch keine beta-Lactamase, die bei resistenten Vertretern das Antibiotikum spaltet. Die beiden anderen Stämme hingegen hatten eine Resistenz gegen Ampicillin und stellten auch das betreffende Enzym her. Der dritte Stamm war zusätzlich noch unempfindlich gegen den antibakteriellen Wirkstoff Clavulansäure, auch bekannt unter dem Handelsnamen Augmentin.

Im Falle des nicht-resistenten Bakterienstammes hemmte NB2001 das Wachstum der Organismen 30-Mal wirksamer als Ampicillin. Und auch bei den resistenten Erregern erwies sich das Mittel als deutlich überlegen. Selbst gegen bestimmte Stämme von Staphylococcus aureus, die häufig für Lungenentzündungen und andere Infektionen in Krankenhäusern verantwortlich sind, zeigte es eine gute Wirkung. "Diesbezüglich scheint NB2001 ähnlich wirksam zu sein wie Vancomycin, das Antibiotikum für die schlimmsten Fälle, wenn alle anderen Stricke reißen", erläutert Shepard.

Noch im Laufe diesen Jahres wollen die Wissenschaftler nun Tierversuche durchführen, und streben dann für 2001 erste klinische Versuche an. Bis der neue Wirkstoff aber als Medikament zugelassen wird, hat er noch einen weiten Weg vor sich. Da kann man nur hoffen, dass die Bakterien nicht doch schneller sind.

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