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News: Tscherenkow-Strahlung erscheint in neuem Licht

Bereits 1934 entdeckte Pawel Tscherenkow eine Leuchterscheinung in Stoffen, die beim Durchgang radioaktiver Strahlung entstand. Seit dieser Entdeckung nahmen Forscher an, dass diese nach Tscherenkow benannte Strahlung dann entsteht, wenn sich die geladenen Teilchen überlichtschnell durch das Medium bewegen. Nun fanden Wissenschaftler in Deutschland und den USA heraus, dass auch Teilchen, die mit "Unterlichtgeschwindigkeit" durch ein Medium eilen, elektromagnetische Strahlung emittieren. In ihrem Experiment verwendeten die Forscher ein Medium, in dem die Geschwindigkeit des Lichts von der Wellenlänge abhängt. Das völlig unerwartet in der Festkörperoptik nachgewiesene Phänomen führt zu einer Revision der bisherigen Vorstellungen über den Tscherenkow-Effekt, der insbesondere in der Hochenergie- und Teilchenphysik breite Anwendung als Messverfahren gefunden hat.
Tscherenkow-Strahlung ist eine Leuchterscheinung, die durch schnelle elektrisch geladene Teilchen in elektrisch nicht oder fast nicht leitenden Medien entsteht. Die Geschwindigkeit der Teilchen muss dabei größer sein als die Phasengeschwindigkeit des Lichts in diesem Medium. Die Strahlung wurde im Jahr 1934 von Pawel Tscherenkow (1904 bis 1990) entdeckt und 1937 von Igor Tamm und Il'ia Frank – als elektromagnetisches Analogon der Machschen Wellen in Überschallströmungen – theoretisch erklärt. Für diese Arbeiten erhielten die drei Wissenschaftler 1958 den Nobelpreis für Physik.

Das von den geladenen Teilchen emittierte Licht breitet sich mit einer charakteristischen kegelförmigen Wellenfront aus, in der die Teilchenbahn die Symmetrieachse bildet. Der Kegelwinkel variiert mit der Teilchengeschwindigkeit. Die Tscherenkow-Strahlung dient heute als wichtiges Nachweisverfahren in der Hochenergie- und Elementarteilchenphysik. Mit ihr werden die bei Teilchenkollisionen erzeugten Partikel gezählt, identifiziert und hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit analysiert.

T. Stevens und J. Kuhl vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung sowie J. Wahlstrand R. Merlin von der University of Michigan führten ein optisches Experiment in einem Festkörper durch, das ein völlig neues Licht auf den Tscherenkow-Effekt wirft. Im Gegensatz zu den bekannten riesigen Teilchenbeschleunigern findet dieses Experiment auf einem Standard-Labortisch mit wenigen Quadratmetern Fläche Platz. Als "Geschosse" zur Erzeugung der Tscherenkow-Strahlung verwendeten die Forscher Lichtpulse mit einer Dauer von weniger als 100 Femtosekunden – eine Femtosekunde entspricht dem millionsten Teil einer milliardstel Sekunde (10-15 Sekunden). Das elektrische Feld der Lichtimpulse erzeugte durch Polarisation der Elektronen und Atome des Festkörpers eine ebene Verteilung sich schnell ausbreitender elektrischer Dipole. Da die Lichtgeschwindigkeit in dem Festkörper von der Wellenlänge abhängt, wurde sie im Experiment einfach durch Änderung der Trägerfrequenz des sichtbaren Laserpulses variiert.

Das Forscherteam zeigte in seinem Experiment, dass die Emission von Tscherenkow-Strahlung und die Bestimmung ihres Ausbreitungskegels keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit der Teilchen zulassen. Vielmehr fanden die Wissenschaftler, dass auch Teilchen, die sich mit einer Geschwindigkeit unterhalb der Phasengeschwindigkeit von Licht durch das Medium ausbreiteten, elektromagnetische Strahlung mit einer kegelförmigen Wellenfront emittierten. Diese Beobachtung wird durch ein weiterentwickeltes theoretisches Modell gestützt. Aus ihm geht hervor, dass ein beliebiger Kegelwinkel der Strahlung jeweils für zwei verschiedene Teilchengeschwindigkeiten steht. Die eine liegt oberhalb und die andere unterhalb der Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium.

Dieses in der Festkörperoptik entdeckte unerwartete Phänomen revidiert die bisherigen Vorstellungen über den Tscherenkow-Effekt und könnte unter Umständen dazu beitragen, in der Hochenergiephysik auftretende Abweichungen zwischen experimentellen Ergebnissen und theoretischen Voraussagen zu erklären.

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