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News: Unterm Horizont

Wer kennt sie nicht, die Vexierbilder, die nur aus zwei verschieden farbigen Flächen bestehen? Meist erkennen wir hier recht schnell einen Gegenstand, der sich deutlich vom andersfarbigen Hintergrund absetzt. Dabei nutzt das Gehirn nicht nur Farbe und Form, auch die Lage im Bild wird zur Deutung herangezogen: Was unten liegt, wird als Gegenstand interpretiert, die obere Farbfläche eher als Hintergrund.
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Der Künstler Maurits Cornelis Escher konnte hervorragend mit unserer visuellen Wahrnehmung spielen: Seine "Symmetriezeichnung 45" zeigt weiße Engel, die regelmäßig auf einem dunklen Hintergrund angeordnet sind – auf den ersten Blick. Beim zweiten Blick erkennt man plötzlich schwarze Teufelchen, und die Engel verwandeln sich zum Hintergrund. Das Gehirn kann sich nicht recht entscheiden, die Interpretation springt hin und her.

Das Gehirn versucht praktisch immer, Gesehenes räumlich zu deuten – auch wenn ein Bild nur aus zwei verschieden farbigen Flächen besteht. Doch welche Informationen zieht es für diese Interpretation heran? Bisher gingen Psychologen davon aus, dass vor allem die Form und die Farbe hierzu genutzt werden: Vertraute Formen geraten in den Vordergrund – insbesondere, wenn sie in dunkleren Tönen gehalten sind –, die helleren Flächen werden meist als Hintergrund interpretiert. Wenn Vertrautes hell ist, gerät das Gehirn in einen Deutungskonflikt, den Escher zu nutzen wusste.

Worauf könnte sich das Gehirn noch stützen? Shaun Vecera, Edward Vogel und Geoffrey Woodman von der University of Iowa wollten es genauer wissen. Sie präsentierten ihren Versuchspersonen, jeweils in Gruppen von fünf bis zwölf Teilnehmern, unterschiedliche zweifarbige Flächen. Dabei sollten die Testpersonen entscheiden, welche Flächen sie als Gegenstand erkennen und welche sie als Hintergrund deuten.

Das Ergebnis war eindeutig: Die Fläche, die auf dem Bild jeweils unten lag, wurde meist als Gegenstand interpretiert, die obere Fläche trat dagegen in den Hintergrund. Drehten die Forscher die Bilder auf den Kopf, so verwandelte sich der eben gesehene Hintergrund zum Gegenstand. Dabei spielten Farbe und Form der Flächen nur eine untergeordnete Rolle. Belanglos war auch, ob die Probanden die Bilder in ihrem oberen oder unteren Gesichtsfeld wahrnahmen.

Offensichtlich deutet das Gehirn die Linie, welche die beiden Flächen voneinander trennt, als Horizont, vermutet Vecera, "und wir nehmen die untere Region als Gestalt wahr, weil sie unterhalb des Horizontes liegt." Diese Interpretation des Gehirns macht durchaus Sinn. Denn meist sind Gegenstände, die wir unterhalb des Horizontes sehen, nicht weit entfernt – sie werden entsprechend als näher liegend wahrgenommen. "Im täglichen Leben sind uns die meisten Wahrnehmungsphänomene nicht bewusst, da unser visuelles System außergewöhnlich effektiv arbeitet", erläutert Vecera. Seine Ergebnisse deutet er als "einen flüchtigen Blick hinter den Kulissen dieser Leistung".

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