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News: Virenstopp aus der Milz

Ein klinisch wirksamer Tausendsassa ist der natürliche Virenstopp Interferon; ein Protein, das gegen Blutkrebs genauso wirksam sein soll wie gegen Multiple Sklerose und Hepatitis C. Bislang dachte man, die Proteinproduktion würde durch einige wenige Moleküle in Gang kommen, sich in einer positiven Rückkopplung verstärken und den Körper geradezu überschwemmen. Doch das stimmt nicht offenbar nicht. Stattdessen startet die Interferonbildung in speziellen Zellen der Milz, die auch bei anderen wichtigen Aufgaben des Immunsystems ihre Finger im Spiel haben.
Knapp fünfzig Jahre alt ist die wissenschaftliche Entdeckung, dass Zellen einander vor drohendem Unheil durch infizierende Viren warnen: Die schon befallenen Zellen produzieren ein spezielles Protein als Frühwarnsystem und scheiden es aus. 1957 spürten Alick Issaks und Jean-Jacques Lindenmann dieser Schutzfunktion nach und identifizierten als Auslöser das Protein Interferon, ein Molekül, das im Immunsystem eine wichtige Schlüsselrolle übernimmt. Es gehört zur ersten Angriffswelle, mit der eine Infektion niedergekämpft werden soll.

Seit der Entdeckung von Interferon versuchen Forscher, den natürlichen Immunschutz vielfältig gegen Blutkrebs, Multiple Sklerose und Hepatitis C einzusetzen. Doch noch immer ranken sich viele ungelöste Geheimnisse um das Molekül. Zum Beispiel darüber, wie es im Körper produziert wird. Tiere, die von Geburt an kein Interferon herstellen können, überleben nicht einmal leichte Infektionen und sterben früh. Bisherige Ergebnisse an einzelnen, im Labor kultivierten Zellarten legten eine positive Rückkopplung der Proteinproduktion nahe: Wenige Moleküle lagern sich an spezielle Oberflächenproteine an und stimulieren diese Zellen, massiv Interferon zu produzieren.

Doch andere Ergebnisse im Tierversuch ließen an dem Mechanismus zweifeln. Fehlten diese Oberflächenproteine, stieg die Interferonmenge ebenfalls kurz nach einer Infektion. Eine positive Rückkopplung schien nun fraglich. Also machten sich Ulrich Kalinke und Winfried Barchet vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) auf die Suche nach der ursprünglichen Interferonquelle im Körper – und wurden gleich im ersten untersuchten Gewebe – der Milz – fündig.

Problematisch an ihrem Fund war allerdings, dass ausgerechnet die in Frage kommende Region der Milz sich aus einem Sammelsurium von Zelltypen zusammensetzt, zwischen denen sich auch die Interferon-produzierenden Zellen (IPC) verbargen. "In Gewebeschnitten unter dem Mikroskop kann man die nicht voneinander unterscheiden", erklärt Barchet. Erst durch die Mitarbeit von Marina Cella von der EMBL-Außenstelle in Basel konnten die Zellen getrennt werden. Was sich herauskristallisierte, überraschte die Forscher: Ausgerechnet dendritische Zellen starten die massive Produktion des natürlichen Virenstopps. Eigentlich dachte man, diese Zellen beteiligen sich erst bei der zweiten Angriffswelle des Immunsystems.

Während Interferon wahllos in einer ersten Reaktion so gut wie alle Virentypen attackiert, schalten sich die dendritischen Zellen erst ein, wenn Gedächtnis gefragt ist. Sie erkennen die Fingerabdrücke der Eindringlinge und aktivieren Immunzellen, die Viren gezielt zu bekämpfen. Lange schon währt die Suche nach Verbindungen zwischen erster und zweiter Immunantwort. "Da ist es natürlich aufregend, einen Zelltyp aus dem ersten System zu finden, der auch im zweiten System eine wichtige Rolle spielt", sagt Kalinke. Allerdings gibt es verschiedene Subtypen der dendritischen Zellen. Im nächsten Schritt müssen Forscher daher nun klären, welche Aufgabe die nun identifizierten Zellen denn während der spezifischen Antwort des Abwehrsystems übernehmen.

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