Raumfahrthistorie: Vor 30 Jahren: Raumfähre Columbia im All
Seit Gagarins Raumflug waren Amerikaner und Russen in winzigen Kapseln in den Orbit geflogen. Der Spaceshuttle sollte dagegen wie ein Flugzeug landen und im erdnahen Weltraum Stationen, Wohnbereiche und irgendwann auch Hotels aufbauen. "Wir dachten, dass wir mit dem Shuttle das erreichen konnten, was die Douglas DC-3 für das Verkehrsflugzeug bedeutete", sagt Ingenieur Jesco von Puttkamer, der seit den Tagen des Apollo-Programms im Bereich der bemannten Raumfahrt der NASA arbeitet. Auch der Hersteller Rockwell schlug noch zwei Jahre vor dem Jungfernflug der Columbia vor, die Nutzlastbucht mit einem Passagiermodul zu bestücken, in dem bis zu 74 Personen ins All gebracht werden könnten.
Im gleichen Jahr lieferte Rockwell die Columbia nach Cape Canaveral, bei weitem noch nicht flugfähig. Die Haupttriebwerke hingen weiter im Teststand und viele Hitzeschutzkacheln waren beim Transport aus dem Montagewerk in Kalifornien beschädigt worden oder verlorengegangen. Mehr als 300 Techniker von Rockwell und aushelfende Studenten installierten Monate lang fehlende Kacheln, bevor die NASA entschied, dass fast der gesamte Hitzeschild ersetzt werden müsse. "Die Kacheln sind an sich genial", verteidigt von Puttkamer die damals kaum erprobte Technik. Sie bestehen aus einem Gemenge aus Glasfaserwolle, das Reibungswärme bei bis zu 1300 Grad Celsius aushalten kann. Die Fasern waren völlig zufällig angeordnet, was ihre Wärmeleitfähigkeit herabsetzt. Aber sie hafteten dadurch nicht überall gleich stark am Shuttlerumpf.
Keine Sorgen
Die NASA feiert den Flug bereits, während der Hitzeschild erneut die Journalisten beschäftigt: "Sie fragen mich, ob ich von irgendwelchen anderen Kacheln weiß, die sich gelöst haben. Die Antwort ist nein – und offen gesagt machen wir uns darüber auch keine Sorgen." Dabei weiß Flugdirektor Neil Hutchinson, dass die Astronauten diverse Schäden an der Oberseite ihrer Fähre gefunden haben, die wohl durch herabstürzende Schaumstoffteile und Druckwellen während des Starts entstanden. Die überlebenswichtige Unterseite können sie dagegen gar nicht selbst inspizieren. Spezialkameras des US-Militärs erreichen vom Boden aus vermutlich kaum die nötige Auflösung. Adäquate Methoden entwickelte man erst, nachdem die Columbia im Februar 2003 nach vergleichbaren Schäden am Hitzeschild auseinanderbrach und sieben Astronauten an Bord starben.
Die Ingenieure sind 1981 aus anderen Gründen nervös, denn erstmals in der Geschichte wird ein bemanntes Raumfahrzeug einen kontrolliertes Landemanöver versuchen. Sie sind nicht völlig sicher, wie gut sich die Fähre dabei steuern lässt. "Den Aufstieg haben die Astronauten streckenweise im Simulator geübt und als erfahrene Piloten ist der Start für sie Routinesache gewesen", erinnert sich von Puttkamer. "Aber was völlig neu war und uns allen etwas Sorge machte, war der Wiedereintritt." Die Fähre dringt 120 Kilometer über dem Boden in die obersten Atmosphärenschichten ein. Ihre Geschwindigkeit von 28 000 Kilometern pro Stunde kann sie nur durch Luftreibung abgeben, die von den Keramikkacheln aufgefangen wird.
Vom ersten Kratzen an der Lufthülle bis zur Landebahn legt sie 8000 Kilometer zurück. Die Form des Fluggeräts muss drei Strömungsregimen standhalten, die teilweise noch kaum verstanden sind. "Niemals ist vorher ein bemanntes Gerät mit 25-facher Schallgeschwindigkeit – also Hyperschall – in die Erdatmosphäre eingetreten", erzählt Puttkamer. "Dafür gab es keine Erfahrungswerte." Und wirklich gerät der Eintrittswinkel so steil, dass der Bordcomputer das Höhenruder am Heck fast doppelt so stark auslenken muss, wie vorhergesagt. Die Fähre aber hielt zielstrebig auf die anvisierte Landebahn zu.
Begeisternder Gleitflug
Und dennoch. Das Landemanöver begeistert die Amerikaner ebenso stark wie der Start. Schon Stunden zuvor sind die breiten Highways zum ausgetrockneten Salzsee in der Mojave-Wüste überfüllt von Bussen, Wohnwagen und Limousinen. Nie zuvor konnten Schaulustige ein landendes Raumschiff beobachten. Als das Fahrwerk der Columbia Wüstensand aufwirbelt, sind mehr als 100 000 Besucher in der Wüste außer sich – und noch mal 500 000 Fernsehzuschauer. Auch Kommandant John Young besitzt noch einigen Schwung, als er in den Staub der Landbahn springt, beinahe tänzelt, trotz seines schweren Raumanzugs. „Wir haben zehn Jahre lang versucht, das zu tun“, sagt er später. "Jetzt haben wir ein Raumschiff, dass billiger als je zuvor Lasten ins All tragen wird."
Keine zukünftige Mission des Spaceshuttles wird günstig. Die Wartungsarbeiten nach jeder Mission sind so aufwändig, dass nur wenige Starts pro Jahr möglich sein werden. Nach der Explosion der Challenger im Januar 1986 und dem Verlust der Columbia im Februar 2003 werden die Sicherheitsmaßnahmen mehrfach verschärft, grundlegende Konstruktionsmängel der Fähren bleiben aber erhalten. Doch wenn im Sommer 2011 endgültig der letzte Shuttle auf Reisen geht, werden wieder tausende Zuschauer dem ohrenbetäubenden Dröhnen der Triebwerke lauschen.
Karl Urban
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