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Frage und Antwort: Wie finde ich einen guten Psychotherapeuten?

Die Auswahl ist groß. Doch worin unterscheiden sich Therapeuten und Therapieformen?
Helfende Hände

Psychische Erkrankungen sind häufig. Etwa ein Drittel der Deutschen leidet innerhalb eines Jahres daran, haben Studien ergeben. Die Betroffenen werden von negativen Gefühlen wie Ängsten und Sorgen gequält, erkennen sich meist selbst nicht mehr wieder und können Arbeit und Hobbys nur noch mit Mühe nachgehen. Wenn Gespräche mit Freunden oder der Familie nicht mehr weiterhelfen, sollte man den Rat eines Psychotherapeuten suchen. Die Auswahl ist groß: Über 21 000 Therapeuten für Erwachsene und Kinder sind von den Krankenkassen zugelassen, unzählige mehr rechnen ohne Kassenzulassung privat mit ihren Patienten ab. Was man wissen sollte, um den Überblick zu behalten.

Worin unterscheiden sich die Psychotherapeuten?

Psychotherapeuten unterscheiden sich in erster Linie in ihrer Ausbildung. Die meisten Therapeuten haben ursprünglich Psychologie studiert und dann eine mehrjährige Weiterbildung absolviert. Sie nennen sich Psychologische Psychotherapeuten. Ärzte, die eine Psychotherapeutenausbildung zusätzlich zu ihrem Medizinstudium gemacht haben, werden als Ärztliche Psychotherapeuten bezeichnet. Im Gegensatz zu Psychologen dürfen sie auch Medikamente verschreiben, die die Psychotherapie im Einzelfall unterstützen können. Zusätzlich können zum Beispiel auch Heilpraktiker eine psychotherapeutische Ausbildung machen. Sie bilden jedoch eine deutlich kleinere Gruppe, und sie sind frei in der Wahl ihrer Heilmethoden: Anders als Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten müssen sie keine wissenschaftlich anerkannten Methoden anwenden.

Mit der Weiterbildung entscheiden sich die angehenden Psychotherapeuten bereits für eine Therapieform, die sie erlernen. Momentan sind drei Therapierichtungen von den Krankenkassen als wissenschaftlich fundiert anerkannt: die Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die analytische Psychotherapie. Zusätzlich gibt es Therapieverfahren, für deren Wirksamkeit zwar Belege vorliegen, deren Kosten jedoch noch nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Dazu gehören die systemische Therapie und die Gesprächspsychotherapie.

Die folgenden Ausführungen gelten primär für erwachsene Patienten. Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gibt es eine eigene Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

Worin unterscheiden sich die Therapieformen?

Vor allem in Ansatz und Dauer der Behandlung. Eine Verhaltenstherapie korrigiert Verhaltensweisen und Einstellungen, die wir uns im Lauf des Lebens angeeignet haben. Es wird dabei vor allem die Situation in der Gegenwart aufgearbeitet. Diese Art der Therapie findet meist nicht mehr als einmal wöchentlich statt und dauert in der Regel 25 bis 45 Sitzungen.

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beschäftigt sich dagegen vor allem mit unbewussten psychischen Einflüssen und Konflikten, die bis in die Kindheit zurückgehen können und nun eine Störung ausgelöst haben. Diese Form der Behandlung erstreckt sich meist über einen längeren Zeitraum als eine Verhaltenstherapie. Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist eine Weiterentwicklung der Psychoanalyse nach Sigmund Freud und dessen Schülern. Eine psychoanalytische Therapie dauert immer mehrere Jahre und erfordert oft mehr als eine Sitzung pro Woche. Während es in der Verhaltenstherapie darum geht, konkrete Denk- und Verhaltensmuster zu verändern, will die analytische Therapie unbewusste Prozesse und Konflikte sichtbar machen und so die Persönlichkeitsstruktur des Patienten behandeln.

Vertrauliches Gespräch | Eine gute Beziehung zwischen Psychotherapeut und Patient ist wichtig für den Therapieerfolg.

Welcher Psychotherapeut passt zu mir?

An erster Stelle sollten Sie auf Ihr Bauchgefühl hören: Die Grundlage jeder Psychotherapie ist Vertrauen. Schließlich will man nicht mit jedem über seine privatesten Gedanken und Gefühle reden. Und nur wer sich von einem Therapeuten verstanden fühlt, kann dessen Denkanregungen und Ratschläge ernst nehmen. Achten Sie daher gleich beim ersten Gespräch auf Ihre innere Stimme.

Wie wichtig eine gute Beziehung zwischen Patient und Behandler für den Therapieerfolg ist, wurde bereits durch zahlreiche Studien bestätigt. Der positive Effekt besteht sogar unabhängig von der Therapieform, fand unter anderem ein Team um die Psychologin Janice Krupnick vom University Medical Center in Washington in einer Untersuchung mit über 200 depressiven Patienten heraus. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Analyse von fast 80 Studien, die der Psychologe Daniel Martin im Jahr 2000 an der Ohio University durchführte. Wer sich also bei einem Psychotherapeuten nicht wohl fühlt, sollte lieber einen anderen wählen.

Bei der Auswahl sollte man außerdem darauf achten, ob sich der Therapeut spezialisiert hat, zum Beispiel mit einer Zusatzausbildung für die Behandlung von Traumata oder der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Heute gibt es für die meisten psychischen Störungen Zusatzausbildungen, doch verbreitete Krankheitsbilder wie Angststörungen und Depressionen kann in der Regel jeder Therapeut behandeln.

Nicht nur von Seiten des Patienten muss es passen. Es kann auch vorkommen, dass ein Therapeut nach den ersten Stunden feststellt, dass er für die Behandlung eines bestimmten Falls nicht hinreichend ausgebildet ist oder dass er aus persönlichen Gründen nicht professionell damit umgehen kann, zum Beispiel, wenn er gerade selbst einen ähnlichen Fall in der eigenen Familie erlebt hat. Dann wird er den Patienten an andere Kollegen verweisen.

Ausweg: Psychotherapie | Der Therapeut hilft, wenn man selbst nicht mehr weiterweiß.

Muss man sich gleich auf einen Therapeuten festlegen?

Nein. Die ersten fünf Termine gelten als Probesitzungen, auch probatorische Sitzungen genannt. Diese Treffen werden bei gesetzlich Versicherten grundsätzlich von der Krankenkasse übernommen, auch wenn man sich danach doch für einen anderen Therapeuten oder gegen eine Therapie entscheidet. Bei einer Psychoanalyse gilt dies sogar für die ersten acht Sitzungen. Die probatorischen Termine dienen dem Therapeuten dazu, sich ein Bild von Krankheitssymptomen, Persönlichkeit und Lebensumfeld des Patienten zu machen. Er wird daraufhin eine Diagnose stellen sowie gemeinsam mit dem Patienten den Ablauf und die voraussichtliche Dauer der Therapie festlegen. Der Patient wiederum gewinnt Zeit, sich zu fragen, ob er dem Therapeuten vertrauen möchte.

Wie lange muss man auf einen Therapieplatz warten?

Eine Befragung von 9000 Psychotherapeuten im Auftrag der Bundespsychotherapeutenkammer aus dem Jahr 2011 hat ergeben, dass gesetzlich versicherte Patienten durchschnittlich etwa drei Monate auf ein erstes Therapiegespräch warten. Allerdings führen nicht alle Therapeuten eine Warteliste: Etwa die Hälfte vergibt freie Plätze einfach an den nächsten Anrufer. So kann die Wartezeit je nach Praxis sehr unterschiedlich sein. Es lohnt daher immer, sich bei mehreren Therapeuten auf die Wartelisten setzen zu lassen. Außerdem ist die Wartezeit abhängig vom Wohnort: Auf dem Land beträgt sie etwa vier Monate, in Großstädten nur zwei bis drei Monate. Am längsten warten Patienten mit fast fünf Monaten in Brandenburg.

Heimliche Volkskrankheit: Depressionen

Wer privat versichert ist oder die Behandlung aus anderen Gründen selbst bezahlen möchte, kann dagegen bei einem Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung in der Regel sofort mit einer Therapie beginnen.

Übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten?

Ja, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss die Behandlung bei einem Psychologischen oder Ärztlichen Psychotherapeuten stattfinden, der über einen Kassensitz verfügt. (Wenn der Patient vergeblich versucht hat, einen Therapieplatz bei einem Therapeuten mit Kassensitz zu finden, übernehmen Kassen auf Sonderantrag unter Umständen auch eine Behandlung bei einem Therapeuten ohne Kassensitz.) Dazu muss der Therapeut in Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie oder Psychoanalyse ausgebildet sein. Andere Therapieverfahren erkennen die gesetzlichen Krankenkassen nicht an. Auch die Behandlung durch einen Heilpraktiker wird in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen.

Viele private Krankenkassen handhaben das lockerer und übernehmen beispielsweise auch die Kosten für eine systemische Therapie oder Gesprächspsychotherapie. Die Konditionen sollten Patienten daher im Einzelnen selbst erfragen.

Welche Vorteile hat es, die Behandlung privat zu zahlen?

Zum einen bekommt ein selbst zahlender Patient meist wesentlich schneller einen Therapieplatz (siehe oben). Viele nutzen diese Möglichkeit aber auch, um die Behandlung von der Krankenkasse geheim zu halten, etwa wenn eine Verbeamtung ansteht oder sie eine Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollen.

Wo finde ich Adressen von Therapeuten in meiner Nähe?

Auf der Internetseite der Bundespsychotherapeutenkammer oder der Kassenärztlichen Vereinigung des jeweiligen Bundeslandes. Eine Alternative zu einer Psychotherapie kann im Einzelfall übrigens auch eine kostenlose Beratung bei einer psychosozialen Beratungsstelle mit einem Schwerpunkt wie Eheprobleme, Kindererziehung oder Süchte sein.

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  • Quellen

Bundespsychotherapeutenkammer: BPtK-Studie zu Wartezeiten in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. BPtK, 2011

J. L. Krupnick et al.: The role of therapeutic alliance in psychotherapy and pharmacotherapy outcome: Findings in the National Institute of Mental Health treatment of depression collaborative research program. In: Journal of Consulting and Clinical Psychology, 64, 1996

D. J. Martin et al.: Relation of the therapeutic alliance with outcome and other variables: a meta-analytic review. In: Journal of Consulting and Clinical Psychology, 68, S. 438–450, 2000

H.-U. Wittchen, F. Jacobi: Epidemiologische Beiträge zur Klinischen Psychologie. In: H. U. Wittchen, J. Hoyer: Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer, 2006

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