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Ein Astrophysik-Klassiker

Ein Buch, das nach seiner ersten Veröffentlichung im Jahre 1982 jetzt bereits in der fünften Auflage erscheint, bedarf keiner weiteren Kaufempfehlung. Es nimmt unter den deutschsprachigen Lehrbüchern eine besondere Stellung ein. Der Untertitel "Grundkurs" beschreibt es: auf physikalischer Grundlage wird ein Überblick über die gesamte Astronomie gegeben. Damit füllte dieses Buch in seinen früheren Ausgaben die Lücke zwischen den zahlreichen buntbildüberladenen Astronomiebüchern, aus denen man wenig lernt, und den tiefer gehenden Lehrbüchern, die mit umfänglichen Formeln und Diagrammen den Anfänger und interessierten Laien nicht zum sofortigen Durcharbeiten ermutigen.

Die Idee zu diesem verständlichen "Astrophysikbuch" stammt von Alfred Weigert, damals Professor für Astronomie an der Universität Hamburg. Er verfasste es gemeinsam mit seinem Kollegen Heinrich Wendker zur Begleitung der Einführungsvorlesung. Nach dem zu frühen Tod beider, wird die jetzt vorgelegte aktualisierte und erweiterte Neuauflage von Lutz Wisotzki herausgegeben, der seit der vierten Auflage Mitautor ist. Er leitet inzwischen am Astrophysikalischen Institut in Potsdam die Forschungsgruppe Galaxien und Quasare.

Behandelt wird die gesamte Astronomie und Astrophysik, so wie sie Studenten in den zweistündigen Einführungsvorlesungen über zwei Semester an vielen unserer Universitäten geboten wird. Damit können Physik- und Mathematik- Studenten, die Astronomie im Nebenfach in der Diplomprüfung wählen, ein gutes Rüstzeug erwerben. Wer tiefer einsteigen will, etwa der künftige Doktorand der Astrophysik, hat eine gute Ausgangsposition für weiterführende Vorlesungen über Spezialgebiete erhalten.

Beginnend mit der Himmelsmechanik und dem Sonnensystem, werden die charakteristischen Beobachtungsgrößen von Sternen, ihr innerer Aufbau und ihre Entstehung und Entwicklung behandelt. Weitere Kapitel sind der interstellaren Materie, dem Milchstraßensystem und den Galaxien gewidmet. Nach der Verteilung der Materie im Universum, mit einem Abschnitt über die Dunkle Materie, folgt eine Einführung in die Kosmologie. Ergänzt wird der Stoff durch die Besprechung astronomischer Instrumente, Übungsaufgaben (mit Lösungen!) zu allen Kapiteln, einen gut ausgewählten Farbbildanhang und eine tabellarische Zusammenstellung wichtiger physikalischer und astronomischer Daten.

Neu hinzugekommen ist ein Kapitel über extrasolare Planetensysteme, einem gegenwärtig florierenden Forschungsthema. Behandelt werden alle Planeten-Suchmethoden mit ihren Grenzen und die vorläufigen Ergebnisse. Mit mehr als 20 Seiten ist die Behandlung deutlich detailreicher ausgefallen, als in einem Grundkurs zu erwarten. Das frühere Kapitel "Leben im Weltall" ist überarbeitet in dieses neue Kapitel integriert worden, aber unter Wegfall der interessanten Bemerkungen zur Raumfahrt und zum anthropischen Prinzip aus der 4. Auflage. Neu sind breitere weiße Ränder auf den Textseiten, sie bieten Platz für Anmerkungen (im eigenen Buch!)

Zu dem präzise behandelten Stoff gibt es nur sehr wenige Klarstellungswünsche. So wird im Allgemeinen der Lagrange- Punkt L2 für Satelliten nicht deshalb gewählt, weil dort "...die Sonne zu jedem Zeitpunkt von der Erde verdeckt ist, was empfindliche Messinstrumente vor möglicherweise zerstörerischer Sonnenstrahlung schützt". Tatsächlich pendeln Astronomiesatelliten um diesen Punkt mit Auslenkungen von einigen hunderttausend Kilometern. Sie sind dadurch ständig im Sonnenlicht, notwendig für ihre Stromversorgung. Gewählt wird L2, weil sich Sonne und Erde gleichzeitig und dauerhaft mit einem einzigen Strahlungsschild abdecken lassen und Teleskope auf dessen Schattenseite passiv und stabil auf bis zu minus 240 Grad Celsius gekühlt werden können, so zum Beispiel die Weltraumteleskope Herschel, Planck und JWST.

Vermisst wird immer noch ein Abschnitt über die Entstehung der schweren Elemente. Sie sind wichtiger Teil unseres Lebens, und ihre kosmische Herkunft interessiert. Bei der Synchrotronstrahlung wäre ein Hinweis auf ihre Polarisation nützlich. Verbesserungsfähig scheint inzwischen auch das vorangestellte Inhaltsverzeichnis. Es hat jetzt einen Umfang von zehn Seiten; die frühere klare grafische Gliederung einer leicht überschaubaren Inhaltsübersicht auf zweieinhalb Seiten in der ersten Auflage wurde aufgegeben.

Wer das Buch im Selbststudium nutzen möchte, muss es nicht von Anfang an lesen. Durch seine gute Verständlichkeit ist ein Einstieg bei fast jedem Kapitel möglich. So könnte man beispielsweise auf den allerletzten Seiten mit der "Zukunft des Universums" beginnen und über die sicheren und mehrfachen Auslöschungen des Lebens, der Erde und schließlich des gesamten bekannten Kosmos erschaudern.

Das wird das Interesse wecken, vorn nachzulesen, warum die Astrophysik dieses vielfache unausweichliche Sterben so sicher vorhersagen kann. Der Umfang des Buches ist durch die Aktualisierungen jetzt auf 554 Seiten angewachsen, gegenüber 300 bei der Erstausgabe. Ob damit die ursprüngliche Absicht des "Grundkurses" erreicht wird, auch für die Oberstufen der Gymnasien und naturwissenschaftlich interessierte Laien nützlich zu sein, bleibt beim weit verbreiteten Zeitmangel fraglich. Natürlich wächst das Wissen über den Kosmos von Jahr zu Jahr, nicht aber die Zeit, die für einen Grundkurs zur Verfügung steht.

Der Erstautor Weigert hatte Wert auf eine ständig verbesserte Didaktik gelegt, vielleicht hätte dazu auch eine Selbstbeschränkung beim dargebotenen Stoff gehört? Hier könnten weniger Details mehr Anziehungskraft zum Einstieg bieten. Den alten "Weigert/ Wendker" konnte man in seiner Muttersprache mit Spannung in einem Zuge lesen.

Aber, mancher wird es auch anders sehen: Jetzt gibt es ein weiteres modernes und umfangreiches Lehrbuch, immer noch für einen annehmbaren Preis. Die Auswahl an ähnlichen tiefer gehenden Lehrbüchern und Nachschlagewerken ist allerdings wesentlich größer, besonders wenn man die zahlreichen englischsprachigen hinzuzählt. Für einen "Grundkurs" bleiben deshalb auch die älteren, knapper gefassten Auflagen dieses Klassikers durchaus empfehlenswert.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 7/2010

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