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»Entdecke«: Abenteuer Biologie für Kinder

Auch die beiden neuen »Entdecke«-Bände über Urzeitkrebse und fleischfressende Pflanzen sind intelligent, unterhaltsam und informativ.
Bild eines Frühjahrs-Feenkrebs

In den 1980er Jahren bin ich mit einem Gimmick der Kinderzeitschrift »Yps« in Form eines Tütchens mit Urzeitkrebsen zur ignoranten Tierhalterin der schlimmsten Sorte geworden. Ich gab die Eier einfach in ein Goldfischglas. Ein paar Tage später war ich glücklich und entsetzt zugleich: Die Krebse waren geschüpft, doch es waren viel zu viele für das kleine Glas. Ein Freund mit Aquarien sollte meinen Tierchen Asyl gewähren. Er nahm sie gerne – als Lebendfutter für seine Fische, wie ich leider zu spät erfuhr. Wie gut, dass es heute für alle kleinen Freunde und Freundinnen von Triops, so der wissenschaftliche Name für Rückenschaler und damit auch Urzeitkrebse, Kindersachbücher wie das von Kriton Kunz gibt. Der Biologe, Germanist und Wissenschaftsjournalist ist geistiger Vater sowie Autor der Sachbuchreihe »Entdecke«. Die umfasst inzwischen 78 Bände – von A wie Amphibien bis Z wie Zugvögel. Die jüngsten Bände widmen sich Urzeitkrebsen und fleischfressenden Pflanzen. Kriton Kunz bürgt für Faktentreue, Transparenz, aktuellen Wissensstand und professionelle Fotos. Die Liste der involvierten Wissenschaftler und Expertinnen ist beeindruckend.

Kleiner Haken an der One-Man-Show: Kunz ist auch sein eigener Lektor. Das führt nicht nur zu ein paar Tippfehlern, sondern auch zu dramaturgischen Schwächen im Storytelling. Je detaillierter er Dinge mit spürbarer Begeisterung beschreibt, je ungebremster er komplexe Zusammenhänge erklärt, desto schwerer macht er es der jungen Leserschaft, das alles auch zu verstehen. Wie den akribisch aufgezählten Stammbaum der Familie der Urzeitkrebse oder die Schilderung der Fotosynthese fleischfressender Pflanzen für Fortgeschrittene.

Dafür gehört Kunz aber zu den nicht gerade zahlreichen Autoren, die naturwissenschaftliches Know-how mit Sprachgefühl und Gespür für didaktische Vermittlung vereinen. So nimmt er die Lesenden gleich auf der ersten Seite mit auf eine spannende Zeitreise zu den ersten Vorfahren der Urzeitkrebse vor rund 500 Millionen Jahren. Durch die direkte »du«-Ansprache und ein lebendig geschildertes Setting entwickelt sich ein erzählerischer Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Die sich anschließenden Kapitel glänzen mit umfang- wie faktenreichen und anschaulich erklärten Inhalten: über die weit verzweigte Familie der Urzeitkrebse, ihr kurzes Leben, ihre Speisekarte, Verdauung sowie Eigenarten. Das Ergebnis ist ein Kompendium kleiner Krebsarten, das nicht nur die Biologinnen und Biologen von morgen immer wieder erstaunt: So erfahren wir, dass Urzeitkrebse echte Überlebenskünstler ist. Sie legen ihre Brut als »Dauereier« in Zysten im Boden ab, wo die Larven auch Trockenphasen von bis zu 20 Jahren überstehen. Selbst in der Antarktis leben Urzeitkrebse, und auch ein Aufenthalt im All hat ihnen nichts ausgemacht – fürs Experiment in Außenbehältern an der ISS deponiert. Selbst wenn kein Mensch mehr auf der Erde lebt, sind die Urzeitkrebse wohl immer noch da.

Kuriose Karnivoren detailliert erklärt und atemberaubend fotografiert

Der Band über Fleisch fressende Pflanzen beweist das Interesse der Leserschaft auch an exotischen Themen: Er ist nahezu vergriffen, im Sommer legt der Verlag nach. Sinnvoll strukturiert und nachvollziehbar aufgebaut erzählt das Sachbuch in acht Kapiteln von der Entstehung, Verbreitung und den Besonderheiten der »Karnivoren« genannten Fleischfresser unter den Pflanzen. Den größten Teil machen die ausführlichen Beschreibungen der Fallenarten aus, mit denen die Pflanzen Tiere anlocken: Die einen duften, andere leuchten in der Nacht oder saugen ihre Beute mit Unterdruck an. Wiederum andere – wie die Venusfliegenfalle – schnappen mit einer Klappfalle zu, wenn ein Insekt durch sein Zappeln eine Art elektrisches Signal erzeugt. Manche Karnivoren leben auch in Symbiose mit Tieren. Wie die Kannenpflanzenart, die ihren Stickstoffbedarf aus dem Kot von Säugetieren wie Fledermäusen deckt, die tagsüber in ihr Schutz suchen. Der Autor regt auch zum Nachdenken an, indem er auf die vielen bedrohten Arten hinweist, für deren Schutz nicht viel geschieht. Obwohl bekannt ist, dass ihre Substanzen bei der Entwicklung neuer Medikamente eine Rolle spielen können.

Ob zum Nachschlagen oder anregenden Lesen: Die »Entdecke«-Reihe hebt sich deutlich vom Look aktueller Kindersachbücher mit ihren mundgerecht zerhackten Infosnacks und kunterbunten Illustrationen ab. Hier ist das Layout übersichtlich und klar. Den roten Faden bilden längere Sachtexte. Kleinere brauchen hier noch die Begleitung durch Erwachsene beim Vorlesen und Erklären. Doch alle werden auf jeder Seite reichlich durch eine großzügige Bebilderung mit teils atemberaubenden Fotos belohnt. Wie die Nahaufnahme einer Schlauchpflanze, auf deren gruselig aufklaffenden Schlund eine ahnungslose Schwebfliege zusteuert. Eine kleine Comic-Eule namens Xabi führt die Leserinnen und Leser durchs Buch und taucht dort auf, wo sparsam eingesetzte Infokästen mit Details oder Funfacts aufwarten. Wer sein frisch erworbenes Wissen testen will, kann sich final noch 20 teils kniffligen Quizfragen stellen. Kriton Kunz facht aber auch den kindlichen Tatendrang an: Im Band über die fleischfressenden Pflanzen gibt es Tipps für deren Haltung und Pflege zu Hause. Und der nicht ganz so einfachen Zucht und Haltung von Urzeitkrebsen widmet Kunz gleich ein ganzes Extrakapitel, das im Netz hinterlegt ist. Vielleicht gebe ich mir und den Triops damit ja noch einmal eine Chance.

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