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Der Himmel bei Radiowellenlängen

Ein schönes Buch. Zwei Pioniere der Radioastronomie, der Engländer Francis Graham-Smith und der Amerikaner Bernard F. Burke, geben eine Einführung, die fast das gesamte Gebiet der Radioastronomie abdeckt und mit dem Erscheinungsjahr 2010 auf einem aktuellen Stand ist. Die "Introduction to Radio Astronomy" erscheint inzwischen in dritter Auflage, wobei sich das Gebiet der Radioastronomie seit Erscheinen der ersten Auflage im Jahr 1996 entsprechend geändert hat.

Nach einer kurzen Einführung über die Bedeutung der Erforschung des Universums in Radiowellenlängen und der zugrundeliegenden Strahlungsprozesse geht es an die Beschreibung des Radiosignals; das Konzept der Antennentemperatur, elektromagnetische Wellen und ihre Polarisation werden beschrieben. Das nächste Kapitel behandelt die eingehenden Signale und die Empfangsgeräte, um sie aufzuzeichnen; in drei weiteren Abschnitten werden Arten von Radioteleskopen, Einzelteleskope unterschiedlichen Typs sowie Interferometer für eine wesentlich höhere Winkelauflösung beschrieben. Ein weiteres Kapitel behandelt schließlich die Ausbreitung der Radiowellen und den Einfluss des interstellaren Mediums; hier kommen Strahlungstransport und Faraday-Rotation, aber auch die Durchlässigkeit der Erdatmosphäre zur Sprache.

Weitere Kapitel befassen sich mit einer Vielzahl astrophysikalischer Objekte und ihrem Erscheinungsbild in Radiowellenlängen. Das reicht von der Beschreibung des gesamten Himmels in Radiowellenlängen und der Struktur kosmischer Magnetfelder über das interstellare Medium unserer Milchstraße und ihre dynamische Struktur. Die Autoren behandeln unterschiedliche Arten von Sternen sowie Pulsare, also Endstadien bei der Entwicklung massereicher Sterne. Der Abschnitt über Pulsare ist länger geworden als der über alle anderen Sterntypen und ihre Radiostrahlung; hier merkt man die Präferenz eines der Autoren, F. Graham-Smith, der auch ein Lehrbuch über Pulsare zusammen mit Andrew Lyne verfasst hat.

Nach einem Kapitel über Radiogalaxien und Quasare folgen drei weitere über Kosmologie. Die kosmologische Hintergrundstrahlung und ihr Erscheinungsbild auf verschiedenen Winkelskalen wird anhand von Resultaten der Satelliten COBE und WMAP präsentiert, schließlich werden diskrete Hintergrundquellen und der Gravitationslinseneffekt beschrieben.

Den Abschluss bildet ein Kapitel über die Zukunft der Radioastronomie, in dem auch die beiden Großprojekte ALMA, "Atacama Large Millimeter Array", und SKA, das "Square Kilometre Array" beschrieben werden. ALMA ist derzeit in Chile im Bau und das für Ende des Jahrzehnts geplante SKA soll entweder in Westaustralien oder im südlichen Afrika errichtet werden. Der Einfluss zunehmender kommerzieller Nutzung des Radiofrequenzbands auf geschützte Frequenzen der Radioastronomie wird ebenfalls angesprochen.

Im Anhang werden einige mathematische Aspekte in Abschnitten zu Fouriertransformation, Himmelskoordinaten sowie Kalibrationsparametern vertieft; darin ist auch eine lesenswerte Zusammenfassung über die frühe Entwicklung der Radioastronomie von den Anfängen unter Karl Jansky und Grote Reber bis in die 1960er Jahre (Entdeckung von Pulsaren und kosmischer Hintergrundstrahlung) zu finden.

Das Buch ist angenehm zu lesen; die Verbindung zwischen Text und Schwarz-Weiß-Abbildungen ist recht gut gelungen. Gegenüber der Erstauflage gibt es eine Umstellung bei den Referenzen. Während sie früher am Schluss des Buchs auftauchten, kapitelweise unterteilt in Leseempfehlungen und verwendete Fachreferenzen, stehen die Leseempfehlungen nun direkt bei jedem Kapitel und die Fachreferenzen alphabetisch geordnet am Schluss. Das Ganze wird damit übersichtlicher – vielleicht könnte man in einer weiteren Auflage zusätzliche Internet-Referenzen (URLs) mit aufnehmen.

Nun zu etwas Kritik: Einige Tippfehler sind bei einem Buch diese Umfangs sicher unvermeidlich – mir ist der "Pico Valeta" statt "Veleta" als Standort für das 30-Meter-Radioteleskop des IRAM in Spanien aufgefallen (S. 68), oder die Bezeichnung "NGC 4528" statt "NGC 5128" für Centaurus A (S. 416).

Was schwerer wiegt, ist die selektive Bearbeitung einzelner Kapitel, bei der zum Beispiel das nicht mehr aktuelle Modell der Spiralarme der Milchstraße von Oort und Mitarbeitern noch verwendet wird (Fig. 10.5) oder ältere Bilder der Magnetfeldstruktur von Galaxien (Fig. 8.13, 8.14). Hier kommt sicher zum Tragen, dass die Autoren nicht mehr im laufenden Forschungsbetrieb angesiedelt sind, Graham-Smith ist Jahrgang 1923, Burke 1928. Die Referenzen reichen allerdings bis zum Jahr 2008; es ist eine Fülle neuen Materials gegenüber der Erstauflage hinzugekommen.

Trotz kleinerer Schwächen und etwas selektiver Neubearbeitung: "Introduction to Radio Astronomy" von Burke und Graham-Smith ist das beste derzeit zum Thema erhältliche Buch, und als einführender Text sowohl für das Studium als auch für fortgeschrittene Amateure oder allgemein an der Materie Interessierte, welche die englische Sprache nicht scheuen, sehr zu empfehlen.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 9/2010

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