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Kompendium des NGC-Katalogs

Das vorliegende Buch ist der Text einer Dissertation, die Wolfgang Steinicke im Jahr 2008 der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der Universität Hamburg vorgelegt hat. Der Autor ist vielen Lesern als aktives Mitglied der Vereinigung der Sternfreunde, Astronomiehistoriker und Deep-Sky-Beobachter bekannt. Hier legt er das Ergebnis seiner langjährigen Forschungen zur Entstehung von Dreyers "New General Catalogue of Nebulae and Clusters" vor, der jedem Sternfreund wohl fast so vertraut ist wie Messiers Katalog der Nebelflecke.

Während es viele Bücher gibt, die sich mit dem Messier-Katalog befassen – aus historischer Sicht wäre vor allem K. Glyn Jones Buch "Messier's Nebulae and Clusters" aus dem Jahr 1991 zu nennen – gab es bisher nichts Vergleichbares für den NGC. Das hat mehrere Gründe: Einmal enthalten der NGC und seine Ergänzungen mehr als 100-mal mehr Objekte als der Messier-Katalog und zum anderen ist er das Werk vieler Astronomen. Das Wort "New" nimmt Bezug auf den "alten" Generalkatalog (GC) mit 2438 Objekten, den John Herschel aus seinen Durchmusterungen und denen seines Vaters William zusammenstellte und im Jahr 1864 publizierte.

John Louis Emil Dreyer brachte im Jahr 1888 eine Revision heraus, den NGC. 1895 und 1908 erschienen von ihm noch zwei Ergänzungskataloge (IC I, IC II). Zusammen sind 13 226 Objekte aufgelistet, die von mehr als Hundert Astronomen entdeckt wurden. Dabei war es nicht zu vermeiden, dass Objekte doppelt entdeckt wurden, manche Objekte nicht wieder aufgefunden werden konnten und andere sich bloß als Doppel- oder gar Einzelsterne entpuppten. Dreyer sammelte die Informationen für sein Werk aus der Literatur und aus heute nicht mehr auffindbarer Korrespondenz mit seinen Kollegen.

Der Autor hat die gesamte erhaltene Literatur zusammengetragen, die Entstehungsgeschichte des NGC rekonstruiert, die Entdecker in Kurzbiografien vorgestellt, ihre Instrumente beschrieben und ihre "Erfolgsquote" ermittelt – also die Zahl der wirklichen Neuentdeckungen beziehungsweise Zahl der als neu deklarierten Objekte. Nur bei 34 Objekten konnte er keinen Entdecker ausfindig machen. Das liegt eben an Dreyers heute verschollenen "privaten Mitteilungen". Beim Lesen des Buchs zieht vor unseren Augen ein Panorama der professionellen und vor allem auch der Amateurastronomen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorbei. Viele Auszüge aus relevanten Artikeln, Briefen und Beobachtungsprotokollen werden zitiert, besonders ausführlich sind – neben den Herschels – die Aktivitäten von Lord Rosse und seinen Mitarbeitern, Wilhelm Tempel, Edward Swift, und Edward E. Barnard dargestellt.

Die letzten hundert Seiten des Buchs beschäftigen sich mit einigen speziellen Aspekten der Nebelbeobachtung: der Beziehung zwischen Zeichnung und Fotografie, der Entdeckung der Spiralform mancher Nebel, der Existenz veränderlicher Nebel, und der Kontroverse um die Entdeckung der Nebel um die Plejaden.

Die Entwicklung des Forschungsgebiets im 20. Jahrhundert ist – wie der Buchtitel schon andeutet – weitgehend ausgespart. Arbeiten von Vesto Slipher, Edwin Hubble oder Knut Lundmark sind im Literaturverzeichnis leicht zu übersehen. Etwas merkwürdig erscheint aus heutiger Sicht der Satz "ein völliger Reinfall war dagegen der Versuch, Eigenbewegungen von Nebeln zu bestimmen, um Aussagen über relative Entfernungen machen zu können". Das Scheitern dieses zum Beispiel von Friedrich Winnecke propagierten Projekts führte nämlich Carl Wilhelm Wirtz und W. H. Wright zu Überlegungen über ein extragalaktisches Referenzsystem, das heute aufgrund der VLBI-Beobachtungen von Quasaren eine unverzichtbare Grundlage des astronomischen Fundamentalsystems ist.

Das Buch ist nicht gerade eine Lektüre, die man zur Entspannung lesen kann, denn dazu ist die Informationsdichte viel zu hoch. Um das Material in einigermaßen handlicher Form präsentieren zu können, wurde die Schriftgröße relativ klein gewählt. Der Textumfang entspricht daher etwa demjenigen von vier bis sechs "normalen" Büchern! Steinicke hat hier ein unverzichtbares Werk zur Entstehungsgeschichte eines der bedeutsamen Himmelskataloge vorgelegt, das jedem ernsthaften Deep-Sky-Observer und an der Geschichte der neuzeitlichen Astronomiegeschichte Interessierten empfohlen werden kann. Ein weiteres Produkt seiner Analyse, die Schaffung eines "historischen" NGC, in dem nicht nur die Objekte katalogisiert, sondern auch ihre oft komplexe Entdeckungsgeschichte dokumentiert ist, wird vom Autor im Internet bereitgehalten.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 9/2009

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