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Das Buch der Niederlagen

Für Emily Hunter, die Tochter des Greenpeace-Gründers Bob Hunter, befinden wir uns im Krieg: die Bewahrer der Natur gegen die Zerstörer der Natur. Dass wir uns im Alltag in dieser Schlacht auf beiden Seiten befinden, dass selbst Klimaschützer für eine Kampagne rund um den Globus fliegen, bleibt hier ausgeblendet.

"Öko-Krieger" stellt uns mit jedem Kapitel jemanden vor, der auf seine ganz eigene Art "für unseren Planeten kämpft". In der Ichform beschreiben junge Menschen aus der ganzen Welt, wie sie sich für etwas einsetzen und wie sie dazu gekommen sind: die indianische Umweltschützerin, die ihr Gebiet gegen einen Kohlekonzern verteidigt und nachhaltige Green Jobs für ihre Leute aufbauen möchte; der Aktivist, der vom Schlauchboot aus Walfangschiffe entert; die Frau, die im Kostüm einer Meerjungfrau mit Delfinen schwimmt und damit deren Abschlachten in der japanischen Bucht Taiji verhindern will.

Es sind Abenteuergeschichten, die dann am stärksten wirken, wenn sie in aller Deutlichkeit erzählen, wie kaputt wir die Welt schon gemacht haben. Wie leer das Meer schon ist, wie vergiftet die Flüsse sind und wie sich zu unserem Zerstörungswerk die Auswirkungen des Klimawandels addiere.

Bleiben wir in der martialischen Diktion von Emily Hunter. Wenn es wirklich ein Krieg ist, dann in erster Linie einer um Aufmerksamkeit. In den Geschichten geht es um Kampagnen, Medienpräsenz und Flashmobs. Aber allem Anschein nach hat die Partei der Autorin in diesem Krieg bisher nur Niederlagen eingesteckt.

Aufmerksamkeit ist anscheinend das Einzige, was Ökokrieger gewinnen können. Sie retten keinen Regenwald, verhindern keine zerstörerische Politik und bewegen keine Konsumenten dazu, ihr Handeln zu verändern. So haben die zwei globalen Kampagnen für den Klimaschutz, "350.org" und "Earth Hour", unglaublich viele Teilnehmende auf der ganzen Welt, beeindruckende Bilder und weltweite Medienpräsenz vorzuweisen. Aber haben sie irgendetwas am globalen Energiehunger geändert?

Eigentlich wird ja schon seit über 30 Jahren von einem Umdenken gesprochen, und nach außen hin sind wir alle grün und umweltfreundlich. Aber warum gibt es in dem Buch dann kein Beispiel, bei dem der Umweltschutz gegen das wirtschaftliche Interesse gewinnt? Steht am Ende auch die zweite Generation der Ökokrieger genauso auf verlorenem Posten wie die erste? Und merkt es nicht vor lauter öffentlicher Aufmerksamkeit?

Moment, im fünften Kapitel werden tatsächlich Wale gerettet – unter Lebensgefahr. Aber auch das hatten wir doch schon mal.

Manchmal erzählen die Geschichten von kleinen Erfolgen einzelner Personen, doch im Großen und Ganzen dokumentieren sie, was den meisten Menschen Natur per se wert ist: nichts. Noch immer schlachtet man Wale aus Tradition und vernichtet Urwälder, um Holzspäne zu gewinnen. Dass sich daran seit Beginn der Umweltbewegung nichts geändert hat, ist unendlich traurig. Während in vielen Teilen der Welt zumindest der Tierschutz eine zunehmende Rolle spielt, erzählt ein Kapitel davon, wie die wachsende gehobene Mittelschicht in China für eine drastische Reduktion der weltweiten Haibestände sorgt. Eine globale Mafia versorgt den Markt mit getrockneten Haifischflossen für die beliebte Suppe. Die Flossen werden den Haien abgeschnitten, die Tiere zum Sterben ins Meer zurückgeworfen.

Zu den alten Problemen sind neue dazugekommen, in erster Linie der Klimawandel. Die niedrigsten Inseln verschwinden bereits, dicht besiedelte Strandgebiete haben mit Sturmfluten und häufigeren Orkanen zu kämpfen. Eine Ökokriegerin von den Fidschis beschreibt die Klimaerwärmung nicht unpassend als langsamen Tsunami, der ihre Heimat bedroht.

Viele Geschichten aus dem Buch, auch ihre, treffen sich beim Kopenhagener Klimagipfel 2009. Dessen katastrophaler Verlauf passt zur düsteren Grundstimmung des Werks. Dort zeigte sich, wer Macht hat und dass für strukturelle Veränderungen keine Bereitschaft vorhanden ist. Aber bei aller Enttäuschung sieht die Ökokriegerin von den Fidschis, wie die anderen Autoren des Buchs, eine wachsende Bewegung.

Das hatte die Generation ihrer Eltern auch schon gesehen, und der Erfolg war ausgeblieben. Vielleicht kämpfen die Ökokrieger an den falschen Fronten, weil sie noch immer an die Macht des Graswurzelaktivismus glauben, und stehen deshalb heute vor den gleichen Problemen wie die erste Generation.

Viele der Geschichten machen je nach Gemüt zornig oder depressiv. Sie wecken damit den Wunsch, aktiv zu werden. Falls auch das eine Intention des Buchs war, funktioniert es ausgezeichnet.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 1/2013

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