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Quanten-Tuning: Algorithmen für die Steuerung von Quantenspins

Die Steuerung von Quantenspins ist das Forschungsfeld von Steffen Glaser. Der Professor für organische Chemie entwickelt dafür einschlägige Algorithmen. Heute kommen sie bereits für biophysikalische Forschungen zum Einsatz, in Zukunft sollen sie mit der Entwicklung neuer Quantentechnologien von extrem kleinen Messgeräten bis zu Quantencomputern führen.
© hyperraum.TV
Quanten-Tuning

Veröffentlicht am: 6.12.2015

Laufzeit: 0:13:08

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.

Steffen Glaser ist Quantenphysiker und befasst sich damit, Quantenspins so zu manipulieren, dass Forscher damit experimentieren können. Auch die Quantenspins folgen der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation, will heißen: Die in drei Richtungen mögliche räumliche Lage der Spins ist in der Quantenwelt "unbestimmt", die Spins springen erst durch die Messung in eine definierte Achsenrichtung. Quantenspins sind dennoch präzise messbar, denn sie spüren elektromagnetische Kräfte, die auf sie wirken. In Magnetfeldern lassen sich die Quantenspins also ausrichten, was sich beispielsweise die Kernspin-Tomographie im medizinischen Einsatz seit längerem zunutze macht.

Will man mit Quantenbits jedoch rechnen – der Quantencomputer gilt als technologisch inzwischen erreichbares "Fernziel" – oder die Spins in biochemischen Proben auch im Zeitverlauf beobachten, dann braucht man Methoden, sie gezielt und im laufenden Prozess zu kontrollieren. Es ist auf den ersten Blick nicht selbstverständlich, dass es möglich ist, Quantenphänomene in der für uns „realen“ Welt sogar gezielt zu steuern, da Wechselwirkungen und Messungen die Wellenfunktion der Spins "kollabieren" lassen können. Die Quantensteuerung gilt heute als zentrale Grundlage für die sich in viele Anwendungsfelder entwickelnde Quantentechnologie. Glaser arbeitet an mathematischen Algorithmen, um komplizierte Sequenzen magnetischer Pulse zu optimieren, mit denen sich Quantenzustände nach den Wünschen der Experimentatoren steuern lassen. Dies hilft schon jetzt bei der biophysikalischen Strukturbestimmung von Proteinen durch die Kernspin-Spektroskopie. Im Gegensatz zur Röntgenstrukturanalyse müssen die Moleküle für diese spinbasierte Untersuchungsmethode nicht in einem regelmäßigen Kristallgitter angeordnet sein, sondern können in wässriger Lösung untersucht werden, d.h. unter ähnlichen Bedingungen wie in einer lebenden Zelle. Zudem bilden sie eine zentrale Grundlage für die Entwicklung neuartiger Quantentechnologien, die aktuell weltweit mit Hochdruck vorangetrieben werden. Ihre Anwendungen reichen von extrem kleinen und empfindlichen Meßgeräten über abhörsichere Kommunikationverfahren in der Kryptographie bis zu Quantencomputern.

Obwohl die Vorgänge in der Quantenwelt schwer verständlich sind, haben Quantenphysiker im Lauf der Jahrzehnte gelernt, sie experimentell "in den Griff" zu bekommen. Dennoch ist der Zugang zur Quantenwelt selbst für manchen Physik- oder Chemiestudenten eine große Hürde. Deshalb begnügt sich Steffen Glaser nicht damit, Quantenspins zu manipulieren, sondern befasst sich als Professor für organische Chemie an der TU München seit langem damit, die so schwer vorstellbaren Vorgänge der Quantenspins mit Computergrafik abzubilden. Für Ausbildungszwecke hat er vor kurzem sogar eine kostenlose App mit dem Titel "SpinDrops" entwickelt, mit der er die Formelwelt der Quantenspins ins Reich der wahrnehmbaren Sinne hebt. Mit ihr kann sich jeder die Quantenwelt aufs Tablet oder Smartphone holen und mit den ungewöhnlichen Eigenschaften gekoppelter Kernspins im Wohnzimmer interaktiv spielerisch experimentieren. Nicht nur die Orientierung einzelner Spins sondern auch quantenmechanische Korrelationen und Verschränkungen mehrerer Spins lassen sich manipulieren – und zeigen dabei in Echtzeit, exakt Schrödingers Gleichungen folgend, wie sie unter dem virtuellen Einfluss sich ändernder magnetischer Felder ihre Gestalt wechseln, sich verformen und rotieren.

Susanne Päch hat ihn besucht und ihn über seine Erkenntnisse befragt, sich aber auch die damit möglich gewordenen biophysikalischen Experimente im Chemie-Department der TU München zeigen lassen.

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