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Springers Einwürfe: Wie finden wir die Wahrheit im Internet?

Wer durch Datennetze surft, sollte mit Quervergleichen überprüfen, wie zuverlässig die gebotenen Informationen sind. Doch mitunter führt das erst recht in die Irre.
Fake News of the World
Manipulative Falschnachrichten tauchen immer wieder auf, sowohl online als auch in klassischen Medien. Wenn man sie hinterfragt und recherchiert, stößt man allerdings manchmal nicht sofort auf die Wahrheit.

Kürzlich sagte die Apothekerin, als ich mir Medikamente abholte: Sie haben doch irgendwas mit Wissenschaft zu tun – ich bin da sehr skeptisch, zum Beispiel soll es die Mondlandung nie gegeben haben.

Wie hartnäckig sich solche Mythen halten, ist schon erstaunlich. Wenn ich »Mondlandung Fake« google, bekomme ich seitenweise seriöse Quellen angezeigt, die sich geduldig mit den Behauptungen der Leugner auseinandersetzen. Also scheint das Internet auf den ersten Blick gar nicht der Hauptverteiler der munter grassierenden Irrlehren zu sein.

Gewiss, nicht alle Quellen sind gleichermaßen zuverlässig, und eine sensationelle Meldung wie »Der Urknall fand nie statt« findet mehr Aufmerksamkeit als eine weitere Erhärtung des kosmologischen Standardmodells. Am besten also, man geht der vermeintlichen Sensation auf den Grund, indem man ein bisschen im Internet recherchiert. Dann wird sich schon die Spreu vom Weizen sondern.

Ist das so? Eine solide Studie kommt zu dem überraschenden Schluss, dass eine Internetrecherche in vielen Fällen sogar den Glauben an die Falschnachricht verfestigt.

Ein Team von Politologen um Kevin Aslett von der University of Central Florida rekrutierte via Internet tausende Versuchspersonen und konfrontierte sie mit unwahren Sensationsmeldungen – unter anderem im Juni 2020 mit der alarmierenden Behauptung »Den USA droht eine künstlich erzeugte Hungersnot, da Covid-Lockdowns und Impfpflicht im Winter zu massiver Nahrungsknappheit und Unruhen führen könnten«. Die Testpersonen sollten solche Nachrichten als wahr, falsch oder unentschieden einstufen. Anschließend trug man ihnen auf, durch Recherche im Internet den Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Das verblüffende Resultat: Bei den eifrig das Netz durchstöbernden Versuchspersonen nahm die Bereitschaft, die Fake News als wahr einzuordnen, gegenüber der untätigen Kontrollgruppe um satte 20 Prozent zu. Zwar bekamen die Probanden im ersten Test nur 48 Stunden Zeit, eine taufrische Ente zu checken, doch in einem zweiten Durchlauf hatten neue Versuchspersonen dazu länger Gelegenheit, und die Falschnachrichten waren immerhin mehrere Monate alt. Aber das Ergebnis war das gleiche – obwohl man annehmen sollte, dass Desinformation, je mehr sie altert, im Internet immer häufiger falsifiziert würde. Dafür spricht ja, dass Google im erwähnten Fall der angeblich gefälschten Mondlandung heutzutage fast ausschließlich Richtigstellungen anbietet; dieser Verschwörungsmythos ist eben inzwischen steinalt.

Sozialpsychologische Mechanismen wie die bevorzugte Diffusion falscher Gerüchte oder der so genannte Bestätigungsfehler wurden schon früher herangezogen, um die Resilienz von Fake News zu begreifen. Doch die Autoren der Studie geben einen zusätzlichen Grund an, der direkt von den Algorithmen des Internets herrührt.

In der oben zitierten Horrormeldung aus der Hochphase der Pandemie steckt die Formulierung »künstlich erzeugte Hungersnot« (im Original »engineered famine«). Diese Wortkombination ist ausreichend exotisch, um bei Eingabe in die Suchmaschine fast ausschließlich unzuverlässige Informationen und verschwörungstheoretische Inhalte zu Tage zu fördern.

Die beunruhigenden Ergebnisse der Studie stellen den gern gegebenen Ratschlag, es einfach mit individuellen Faktenchecks im Netz zu probieren, ernsthaft in Frage. Sowohl die Suchmaschinen als auch ihre Nutzenden müssen lernen, noch viel kritischer mit den Daten umzugehen als bisher.

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