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Freistetters Formelwelt: Warum Würfel besonders schön sind

Wer "Mensch ärgere dich nicht" spielen will, benötigt dazu einen Würfel. Seine regelmäßige Form macht ihn zum idealen Zufallsgenerator für den Spieleabend. Aber - wie alle engagierten Spieler von Dungeons & Dragons und anderen Rollenspielen wissen - der klassische Würfel ist nicht die einzige Form mit diesen Eigenschaften.
Würfel

Ordnung und Symmetrie sind wie geschaffen dafür, sie mathematisch zu betrachten. Ein besonders schönes Beispiel ist der eulersche Polyedersatz. Er wurde 1750 vom großen Mathematiker Leonhard Euler formuliert und 1758 von ihm bewiesen. Seine knappe und elegante Formulierung macht ihn zu einer der schönsten mathematischen Gleichungen:

E – K + F = 2

Diese Formel bezieht sich auf konvexe Polyeder, also auf dreidimensionale Objekte, die ausschließlich von geraden Flächen begrenzt werden. "Konvex" heißt in diesem Zusammenhang, dass jede Linie, die zwischen zwei Punkten des Polyeders gezogen werden kann, vollständig im Polyeder selbst liegt. Dazu gehören zum Beispiel Würfel oder Pyramiden, aber auch Objekte mit deutlich mehr Seitenflächen und einer komplexeren Struktur.

Eulers Satz besagt nun nichts anderes, als dass die Anzahl der Ecken E eines Polyeders minus der Anzahl seiner Kanten K plus die Anzahl der Flächen F immer genau 2 ergibt. Das ist eine überraschende Aussage und eine, die in der Geometrie und Topologie weit reichende Konsequenzen hat. Zum Beispiel, wenn es um die platonischen Körper geht – jene Polyeder, welche die größtmögliche Symmetrie aufweisen, also ausschließlich von deckungsgleichen und regelmäßigen Vielecken begrenzt werden. Setzt man zum Beispiel sechs gleich große Quadrate zusammen, erhält man einen Würfel (Hexaeder). Vier gleichseitige Dreiecke ergeben ein Tetraeder: eine Pyramide mit gleich großen Seitenflächen. Acht gleichseitige Dreiecke bilden ein Oktaeder, zwölf regelmäßige Fünfecke ein Dodekaeder und 20 gleichseitige Dreiecke ein Ikosaeder.

Der griechische Philosoph Platon hat diese Objekte zwar nicht als Erster beschrieben, sie aber ausführlich in seinen Werken behandelt. Dort hat er ihnen unter anderem die vier Elemente der griechischen Antike zugeordnet: Feuer wird vom Tetraeder symbolisiert, Erde durch den Würfel, Luft vom Oktaeder und Wasser durch das Ikosaeder. Das Dodekaeder gehört laut Platon zur Domäne der Götter, die es zur Konstruktion des Universums verwendeten.

Aber gleich wie man diese platonischen Körper interpretieren will: Man kann kein anderes Objekt mehr finden, das ebenso symmetrisch wie diese Körper durch regelmäßige Vielecke begrenzt wird. Diese Aussage lässt sich unter anderem mit Eulers Polyedersatz beweisen.

Dazu braucht man nur zwei weitere Formeln: pF = 2K und qE = 2K. Dabei ist p die Anzahl der Kanten des jeweiligen Vielecks, das den platonischen Körper begrenzt und q die Anzahl der Flächen, die sich an jeder Ecke treffen. Wenn jede Fläche durch p Kanten begrenzt wird und jede Kante eines platonischen Körpers Teil von zwei Flächen ist, dann folgt daraus direkt die erste Formel. Und wenn sich an jeder Ecke des Polyeders q Kanten eines Vielecks treffen und jede Kante zwei Ecken treffen muss, dann folgt daraus die zweite Formel. Kombiniert man diese beiden Gleichungen mit dem Satz von Euler, dann folgt daraus die Ungleichung 1/p + 1/q > ½.

Da sowohl p als auch q bei einem platonischen Körper auf jeden Fall größer oder gleich drei sein muss, sieht man nun schnell, dass diese Ungleichung nur von fünf Kombinationen ganzer Zahlen erfüllt ist, die genau den fünf platonischen Körpern entsprechen. Die Eleganz der regelmäßigen Polyeder trifft in diesem Beweis auf die Eleganz des eulerschen Polyedersatzes, und zusammen beschreiben sie eine fundamentale Ordnung, die damals wie heute Philosophen, Mathematiker und Künstler fasziniert. Und die Rollenspieler natürlich auch!

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