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Warkus' Welt: Was den Menschen zum Menschen macht

Worte wie »Unmensch« verdeutlichen, dass mehr hinter dem Menschsein steckt als die bloße Zugehörigkeit zu der Spezies Homo sapiens. Doch was genau macht uns aus?
Silhouette eines Menschen, der nachts die Milchstraße betrachtet.

Was ist ein Mensch? Die Frage klingt vielleicht zunächst trivial. In fast jeder Lebenssituation lässt sie sich durch Beispiele und Gegenbeispiele beantworten: »Du bist ein Mensch, ich bin ein Mensch, die Gestalten da drüben sind Menschen, und Onkel Ralf und Oma Ute auch. Dies aber ist kein Mensch, das ist eine Katze, und das auch nicht, das ist eine Schildkröte.« Spätestens in der Mittelstufe lernen wir auch, dass es eine naturwissenschaftliche Bestimmung des Begriffs »Mensch« gibt: Ein Mensch ist ein Säugetier; ein Primat der Spezies Homo sapiens. Wir wissen auch recht genau, wann und wie sich diese Spezies stammesgeschichtlich entwickelt hat. Damit ist alles geklärt. Oder nicht?

Bemerkenswerterweise gibt es in der Umgangssprache auch den Begriff des »Unmenschen« – und dieser bezieht sich gerade nicht auf (nichtmenschliche) Tiere. Eine Katze ist kein Mensch, aber auch kein Unmensch. Man könnte sagen: Ein Unmensch ist auch nur ein Mensch – einer, der sich unmenschlich benimmt. Und das hat eine Bedeutung, die es bei Tieren so nicht gibt: Die Nachbarskatze bezeichnen wir vielleicht auch als Untier, weil sie 14 Kilo wiegt und ein gemeingefährliches Biest ist, aber wir nennen sie nicht so, weil sie sich »untierlich« benehmen würde. Sich unmenschlich benehmen können bleibt Menschen vorbehalten.

Alltagssprachlich betrachtet scheint es also spezifisch menschliche Eigenschaften zu geben, die durch die bloße Zugehörigkeit zur Spezies Homo sapiens nicht abgedeckt sind. Und es wird niemanden überraschen, dass man in der Philosophie seit Langem darüber nachdenkt, was genau diese sind. Was macht nun den Menschen als solchen aus? Man könnte auch fragen: Was ist der Mensch? (Immanuel Kant war nebenbei der Meinung, dass in dieser Frage alle oder zumindest die wichtigsten philosophischen Fragestellungen inbegriffen seien.)

Das Tier, das Sprache hat

Zwei klassische Versuche, diese Frage zu beantworten, finden sich bereits bei Aristoteles (384–322 v. Chr.): Der Mensch wird einerseits als »zoon politikon« beschrieben, also als politisches beziehungsweise Staaten bildendes Tier; andererseits als »zoon logon echon«, was auf Grund der vielseitigen Verwendbarkeit des griechischen Wortes »logos«, das so halbwegs alles von »Beweisführung« bis »Spesenquittung« heißen kann, sich zum Beispiel als »das Tier, das Sprache hat« übersetzen lässt, aber auch als »das Tier, das seine Gründe hat«. Beide Bestimmungen erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. Es gibt einen starken Konsens, dass der Mensch vieles von dem, was ihm eigen ist, nur tun kann, weil er Sprache hat und weil er eigentlich immer in irgendeiner Form von Gemeinschaft daherkommt – unter anderem, weil auch Sprache immer ein Gemeinschaftsprodukt ist: Kinder, die völlig ohne den Zuspruch anderer Menschen aufwachsen, beherrschen keine Sprache, das gilt spätestens seit dem Mittelalter als bekannt.

Doch das sind längst nicht die einzigen Kandidaten. Es gibt zwar einen Konsens darüber, dass bestimmte andere menschliche Eigenheiten, etwa mit dem Daumen greifen zu können, Feuer zu machen oder sich zu jeder beliebigen Jahreszeit zu paaren, weniger entscheidend für das Menschsein an sich sind (diese Beispiele nennt der britische Moralphilosoph Bernard Williams, 1929–2003). Auf der anderen Seite ist der Mensch aber auch berühmt dafür, Werkzeuge und Kunstwerke zu fertigen (»Homo faber«) und Spiele zu spielen (»Homo ludens«). Eine insofern recht elegante Überlegung findet sich bei Martin Heidegger (1889–1976), der (vereinfacht gesagt) das Spezifische am Menschen gerade darin sieht, dass er sich darüber Gedanken macht, was er eigentlich überhaupt ist.

Man sieht an diesem Problem, dass nicht immer die einfachste Bestimmung eines Begriffs auch die sinnvollste ist. Bei Platon findet sich der Gedanke, Menschen seien die einzigen auf zwei Beinen gehenden Tiere ohne Federn – eine Antwort, die zwar einigermaßen richtig ist, aber weitgehend wertlos. Die Frage nach dem Menschen ist also mehr als eine bloße Definitionsfrage: Sie ist auch eine Frage danach, was es überhaupt heißt, Fragen sinnvoll zu stellen und zu beantworten. Und damit war sie für die 42. Ausgabe dieser Kolumne hoffentlich ein angemessenes Thema.

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