Direkt zum Inhalt

Metzler Lexikon Philosophie: Eudaimonie

(griech. eudaimonia), Glück, Zustand des Menschen, in dem ihm die Gottheit (daimon) wohlgesinnt ist (nach Euripides: Orestes 667). In der Rhetorik I, 5–6 gibt Aristoteles einen Überblick über die Vorstellungen, die sich seine Zeitgenossen von der E. machten: Alle stimmen darin überein, dass die E. »[a] Wohlergehen mit Tüchtigkeit oder [b] Autarkie des Lebens oder [c] genussvolles Leben mit Sicherheit oder [d] das Gedeihen des Besitzes und Körpers mit der Fähigkeit, sie zu bewahren und zu gebrauchen« sei. Im Folgenden gibt er eine nähere Ausführung der »Teile« des Glücks, die sich an der Unterteilung der Güter in äußere und innere orientiert. Äußere Güter sind z.B. Wohlgeborenheit, Freunde, Geld, Ehre; die inneren Güter unterteilen sich nach denen des Körpers (etwa Gesundheit, Schönheit, Körperkraft) und der Seele (Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit, Großherzigkeit usw.): wem diese Güter zuteil geworden sind, der führt ein autarkes Leben. – Aristoteles begnügt sich freilich nicht mit der Nebeneinanderstellung von vier Lebensformen (bioi), die durch die Wahl dessen charakterisiert sind, was für sie jeweils das höchste Gut ausmacht, Lust, Reichtum, Ehre, menschliche Tüchtigkeit und Kontemplation. Er fragt (Eth. Nic. I. Buch), welche Art von Leben dem Menschen die höchste Befriedigung gewährt; und dies besteht für ihn in dem Leben, in dem der Mensch die ihm eigentümliche Fähigkeit der Vernunft (to logon echon) ausübt. Die E. ist das höchste Ziel des Strebens, das Gut, das um seiner selbst willen und um dessen willen alles andere erstrebt wird. In ihr vollendet sich die spezifisch menschliche Praxis, die gemäß der ihr eigenen Vernunftbestimmtheit in den ethischen und dianoethischen Tugenden ihren Ausdruck findet. So ist der glücklich, der gemäß der Tugenden tätig ist, über äußere Güter verfügt und dies über die Zeit seines Lebens. Als soziales Wesen bedarf der Mensch dazu des Rahmens, den ihm die polis als freiem Bürger gibt, sowie der Freunde. Die vollendetste E. bestünde in der andauernden, ungestörten philosophischen Beschäftigung mit den höchsten Erkenntnisgegenständen. Aber dies ist ein Leben, wie Aristoteles zugibt, das wohl nur den Göttern, nicht den Menschen möglich ist. – Für die Stoa wie für Epikur ist – wohl auch aufgrund der Zeitumstände, die zu einem Rückgang der politischen Freiheit der polis führen – eine Haltung in Bezug auf die E. kennzeichnend, die man als »Abwertung des Unverfügbaren« bezeichnen könnte. Die äußeren Güter, über deren Verfügbarkeit man nie sicher sein kann, spielen für das Glück keine Rolle mehr, vielmehr nur die eigene innere Haltung. Für die Stoiker liegt das Glück in der Tugend, die als richtige Einsicht bestimmt wird. Wert hat nur die wahre Erkenntnis, die der Teilhabe an der göttlichen Weltvernunft entspringt. Die äußeren Güter tragen dazu nichts bei, da sie ethisch gleichgültig sind. Der Erkenntnis hinderlich sind die Affekte, die aufgrund falscher Urteile entstehen (die dem Trieb falsche Ziele setzen) und die wiederum die Tätigkeit der Vernunft behindern. Daher zeichnet sich der Weise durch die Freiheit von Leidenschaften aus (Apathie). – Für Epikur liegt die E. in der leidenschaftslosen Ruhe der Seele. Dieser Zustand wird positiv als Lust, negativ als Freisein von Schmerz und Furcht bestimmt. Dieses Ziel ist erreichbar durch richtige Einschätzung der verfügbaren Güter (wenn die elementaren Bedürfnisse gestillt sind, erfordert alles darüber hinausgehende aufwendige Mühen, daher ist Genügsamkeit eine wesentliche Tugend) und die wahre Einsicht in das Wesen der Natur und der Götter, die von der Furcht vor Übeln befreit. Eudaimonismus.

Literatur:

  • M. Forschner: Über das Glück des Menschen. Aristoteles, Epikur, Stoa, Thomas, Kant. Darmstadt 1993
  • W. Pesendorfer: Zum Begriff der Eudämonie bei Aristoteles. Wien 1971
  • H.-D. Voigtländer: Die Lust und das Gute bei Platon. Würzburg 1960
  • U. Wolf: Aristoteles’ Nikomachische Ethik. Darmstadt 2002.

FPB/MSU

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.