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Metzler Lexikon Philosophie: Politik

(griech. politika: bürgerliche Angelegenheiten; politike episteme, techne: die Wissenschaft von den politika). (1) P. bezeichnet zielorientiertes Handeln, das auf die Ordnung oder die Willensbildung in einem Gemeinwesen gerichtet ist. Staatliche Organe, aber auch Individuen, Gruppen, Organisationen etc. mit dieser Ausrichtung, betreiben P. (2) Im nichtstaatlichen Bereich spricht man bei Ordnungstätigkeiten, die auf eine bestimmte Gruppe zielen, von »P.« (z.B. Firmen-P., Personal-P.). (3) Schließlich wird »P.« mit Bezug auf individuelles Verhalten auch synonym mit »Strategie« gebraucht. Im Gegensatz zum heute vorherrschenden etatistischen, d.h. am Staat und seinen Organen orientierten Begriff gab es zur Entstehungszeit des Wortfelds im 5. Jh. v. Chr. in den griech. Poleis keine von den Bürgern verschiedene Instanz »Staat«. Die P. bezog sich auf Gemeinschaftsaufgaben; die Grundlage privaten Lebens, das autarke Hauswesen, blieb ausgespart. Platon wandte sich in seinen Schriften zur P. (Der Staatsmann, Der Staat, Gesetze) gegen die die Gemeinschaft auflösenden Parteiinteressen und begründete die Einheit des Stadtstaats mit einer zu Kosmos und Seele analogen Idealordnung. Aristoteles (Politik) sah dagegen die Polis als Vielheit. P. ist als Teil der praktischen Philosophie wesentlich auf Gesetzgebung gerichtet. Ihre Zielgrößen sind gute Ordnung (Gerechtigkeit, Gesetzesherrschaft, Regierung zugunsten der Beherrschten) sowie die Dauerhaftigkeit der Verfassung. Beide Autoren sprechen, natürlich unter Auslassung der Souveränität, bereits Fragen der Gerechtigkeit, Staatsformenlehre sowie Art und Umfang der Bürgerbeteiligung am politischen Entscheidungsprozess an, die fortan mit P. verknüpft sind. – Das mit P. ebenfalls verbundene Problem der Legitimierung von Machtausübung tritt zuerst im Christentum hervor, weil die dort leitende Zugehörigkeit des Menschen sowohl zu Gott als auch zu einem Gemeinwesen den Gehorsam gegenüber der weltlichen Macht fragwürdig werden ließ. Aristotelische Muster verarbeitend fasst das MA. P. als erste der praktischen Wissenschaften, in der intellektuelle wie sittliche Klugheit erfordert sind. P. dient wesentlich der Friedensstiftung und -sicherung als Voraussetzung für die Entfaltung des religiösen Lebens. – Historisch-deskriptiv oder technisch auf Machterhalt bzw. -erwerb abzielend fasst Machiavelli (Der Fürst) die vormals ethischen Begriffe der P. Die Naturrechtslehren von J. Locke und S. v. Pufendorf tragen in der Folge dazu bei, P. als diesseitig orientiertes, auf Gemeinwohl zielendes Handeln zu bestimmen, das frei von moralisch-religiösen Implikationen ist. Eine Übersteigerung erfährt diese Tendenz mit der »Real-Politik« (L. A. v. Rochau, 1853), die die Macht zum einzigen Prinzip der P. erhebt. – Im frz. und angelsächsischen Sprachraum wird erst spät zwischen dem Politischen als Theoriephänomen und P. als konkretem Vollzug unterschieden, eine durch das Auseinanderfallen von Reflexion über P. und tatsächlicher Beteiligung an P. in Deutschland bereits im 19. Jh. geläufige Differenz. Bis zum 2. Weltkrieg gilt P. bei uns als gegenüber der Kultur minderwertiges Banales, Machtverfallenes und Technisches.

Literatur:

  • R. A. Dahl: Die politische Analyse. München 1973
  • F. I. Greenstein/N. W. Polsby (Hg.): Handbook of Political Science. Reading (Ma.) u. a. 1975
  • H. Meier u. a. (Hg.): Klassiker des politischen Denkens. 2 Bde. München 61986 (Bd. 1), 31974 (Bd. 2)
  • Ch. Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen. Frankfurt 1980
  • D. Sternberger: Die drei Wurzeln der Politik. Frankfurt 1984
  • E. Vollrath: Grundlegung einer philosophischen Theorie des Politischen. Würzburg 1987.

UB

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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