Neues Kabelprogramm: Internet
Anbieter von kombinierten Internet-Fernseh-Diensten
und extrem schnellen Internet-Zugängen setzen auf das Kabelmodem.
Einmal im Internet surfen und dabei erleben, wie Bilder und Texte einfach auf dem Bildschirm erscheinen. Videofilme, per Mausklick aktiviert, laufen ruckelfrei, und die neuesten Songs erklingen auch ohne Aussetzer. Ein Wunschtraum? Einige Amerikaner, deren Haushalt an das Fernseh-Kabelnetz angeschlossen ist, erleben bereits, wie das Internet wirklich sein sollte. Sogenannte Kabelmodems beschleunigen das Surfen etwa um den Faktor 100. Überdies entfällt das lästige Einwählen beim Service Provider, denn die Kabelverbindung steht permanent. Wer einen Kabelanschluß hat, ist auch ständig "online", kann also Web-Seiten sofort aufrufen.
Warum lassen sich mit den Koaxialleitungen des Fernsehkabelnetzes so hohe Datenraten erzielen? Der Grund ist einfach: Seit den späten 80er und frühen 90er Jahren verwenden die Betreiberunternehmen schnelle Glasfasern in ihren Kernnetzen, legen sie bis ins jeweilige Stadtviertel und nutzen dann das dort existierende Koaxial-Kabelnetz, das bis zum Fernseher oder zur Set-top-box reicht. Die optischen Fasern mit ihrer hohen Bandbreite und Übertragungsrate verbinden also die zentrale Einrichtung des Kabelbetreibers mit einer Verteilstation, dem "Knoten", der etwa tausend Häuser abdeckt.
Ein Kabelkanal genügt für eine Internet-Verbindung. Ist der Fernseher darauf eingestellt, sieht der Zuschauer nur Rauschen, bis er das Kabelmodem anschließt. Dann fließt ein Datenstrom von 40 Megabit pro Sekunde (Mbit/s), der mit einer maximalen Rate von 10 Mbit/s auch an einen PC weitergeleitet werden kann. In der Gegenrichtung erlauben einige Fasernetze ebenfalls die Übermittlung von Signalen, was Telephonverbindungen und interaktive Videodienste möglich macht. In Nordamerika besitzt etwa die Hälfte aller Kabelhaushalte diese Fähigkeit zum Senden und Empfangen, in Europa und Asien sind es weniger. Prinzipiell steht einem sogenannten Rückkanal nichts im Wege, denn es gibt noch ungenutzte Frequenzbereiche; allerdings müssen die Fernsehnetze mit Zwei-Wege-Verstärkern ausgestattet werden. (Ein mögliches Problem: Bis zu sieben Fernsehkanäle könnten geschlossen werden, da ihre Frequenzen den Sprechfunk im Flugverkehr bei mangelnder Abschirmung stören. Außerdem hat die Deutsche Flugsicherung selbst Bedarf an Kabelkanälen angemeldet, um Daten der Funknavigation zu übertragen. Die Redaktion)
Ein Kabelmodem erfüllt etliche Zusatzaufgaben: Es dirigiert den Datenverkehr, verschlüsselt die Signale, wertet sie aus, und es stellt den richtigen Kanal ein. Da sich mehrere Nachbarn ein Kabel teilen, müssen die Modems auch dafür sorgen, daß kein einzelner Kunde die gesamte zur Verfügung stehende Bandbreite mit Beschlag belegt. Steigt die Zahl der Nutzer, verkleinert der Kabelbetreiber das entsprechende Servicegebiet, um ausreichend Bandbreite zu gewährleistet. Selbstverständlich werden alle über das Kabelnetz übertragenen Signale im Sinne des Datenschutzes verschlüsselt, und jedes Modem hat seinen individuellen kryptographischen Schlüssel.
An die Anbieter der Breitbanddienste liefern die Geräte überdies Informationen über den jeweiligen Netzzustand, insbesondere "Frühwarnsignale" bei Unregelmäßigkeiten. Umgekehrt können neue oder verbesserte Versionen der Modem-Steuersoftware von zentraler Stelle aus versandt und installiert werden.
Eine wichtige Komponente im Gesamtnetz ist ein "Cache"-System, ein sich ständig aktualisierender Hintergrund-Speicher. Das können beispielsweise Server sein, auf die ein Kunde ohne Zwischenschalten anderer Server zugreifen kann. Dort werden beispielsweise Kopien oft nachgefragter Internet-Inhalte, etwa bestimmter Web-Seiten, abgelegt. Ruft ein Kunde eine solche Seite auf, erhält er die Kopie in kürzerer Zeit dargestellt, als wenn er den langen Weg durchs Internet bis zum Original-Server nehmen muß.
Das Kabelfernsehnetz hat sich – zumindest in den USA – frühzeitig als führendes Medium von Hochgeschwindigkeits-Datenübertragungen in die Haushalte etabliert. Telephongesellschaften bieten neuerdings diverse Hochgeschwindigkeitsdienste an, aber bislang sind diese Verbindungen deutlich langsamer als der Kabelzugang und fast immer auch teurer.
Kabelmodems ermöglichen eine große Vielfalt von Diensten, Surfen im Internet ist nur der offensichtlichste davon. Weitere Anwendungen, die viele konventionelle Dienste im Haushalt verändern werden, sind bereits im Entstehen. Ein Kabelmodem läßt sich beispielsweise mit mehr als einem Computer im Haushalt verbinden – die Mikrowelle, die den Strichcode auf Produkten liest und dann aus dem Internet ein geeignetes Kochrezept herunterlädt, kann sich ebenfalls dieser Technik bedienen.
Die Rolle der Kabelmodems könnten in Deutschland die Set-Top-Boxen für digitales Fernsehen nach DVB (Digital Video Broadcasting)-Standard übernehmen. TV-Gesellschaften und Werbeindustrie sind stark an der Integration von Internet und Fernsehen interessiert. Dann könnten Zuschauer einer Seifenoper ein Fenster auf dem Fernsehbildschirm öffnen und mit anderen Fans den Verlauf der Sendung diskutieren, Informationen abrufen – oder Produkte des Sponsors per Mausklick bestellen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 2000, Seite 88
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