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Bewusstsein: Denkfallen für Skeptiker

Laut vielen Philosophen ist unser subjektives Erleben nicht wissenschaftlich erklärbar. Doch diese Annahme beruht auf Trugschlüssen, glaubt der Bewusstseinsexperte Michael Pauen.
Eine Person hält einen Spiegel vor ihr Gesicht, so dass dieser ihren Kopf ersetzt.

Bewusstsein ist eines der letzten großen Rätsel, an denen sich die Wissenschaft die Zähne auszubeißen scheint. Und wir sind beileibe nicht die Ersten, die sich damit befassen. Die ältesten kulturellen Dokumente der Menschheit wie die Höhlen­malereien von Lascaux oder die altägyptischen Totenbücher zeigen, dass Menschen schon vor langer Zeit Erklärungen für das Phänomen des Bewusstseins suchten. Doch die Fortschritte auf diesem Gebiet erscheinen enttäuschend.

Während wir in praktisch allen anderen Bereichen der Naturwissenschaften in den letzten Jahrhunderten zumindest ein Grundverständnis der entscheidenden Prozesse erlangt haben, stellt sich in Sachen Bewusstsein immer noch die Frage: Wie soll aus der elektroche­mischen Aktivität von Nervenzellen die Erfahrung von Schmerz, Freude, Lust oder Ekel hervorgehen? Viele Philosophen argumentieren, dass wir niemals verstehen werden, wie Bewusstsein entsteht – selbst dann nicht, wenn wir es letztlich für ein Naturphänomen halten.

Ich glaube, das ist in der Tat ein ernsthaftes Problem. Es zeichnen sich noch nicht einmal die Umrisse einer Theorie ab, auf die man sich irgendwann einmal verständigen könnte. Aber heißt das, dass wir den Versuch aufgeben müssen, Bewusstsein naturwissenschaftlich zu erklären? Nein! Es heißt nur, dass wir offenbar noch nicht am Ziel sind. Was angesichts der Komplexität des Problems auch nicht weiter verwundert.

Die Skeptiker haben eine Reihe von plausibel erscheinenden Argumenten auf ihrer Seite. Sie berufen sich vor allem auf die Subjektivität des Bewusstseins: Ich erlebe meine Schmerzen, meine Freude oder mein Geruchsempfinden auf eine Weise, die niemand anderem zugänglich ist. Wissenschaft auf der anderen Seite ist objektiv. Mit ihren Methoden, so scheint es, kann man also auch nur objektive Tatsachen wie das Verhalten von Menschen oder von Neuronen untersuchen. Bewusstsein sei so nicht erfassbar, und daher werde der wissenschaftliche Fortschritt auch niemals die Frage beantworten können, wie das Gehirn es erzeugt – glauben die Skeptiker ...

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  • Literaturtipp und Quellen

Literaturtipp

Pauen, M.: Die Natur des Geistes. S. Fischer, Frankfurt am Main 2016
In seinem jüngsten Buch erläutert Michael Pauen ausführlich, weshalb er die "Erklärungslücke" zwischen Geist und Gehirn für überwindbar hält.


Quellen

Landman, R. et al.: Large Capacity Storage of Integrated Objects before Change Blindness. In: Vision Research 43, S. 149-164, 2003

Nisbett, R. E. et al.: Telling more than We Can Know: Verbal Reports on Mental Processes. In: Psychological Review 84, S. 231-259, 1977

Pronin, E: The Introspection Illusion. In: Advances in Experimental Social Psychology. . Academic Press, Burlington 2009, S. 1-67

Pronin, E., Kugler, M.B.: Valuing Thoughts, Ignoring Behavior: The Introspection Illusion as a Source of the Bias Blind Spot. In: Journal of Experimental Social Psychology 43, S. 565-578, 2007

Warnes, H.: Alexithymia, Clinical and Therapeutic Aspects. In: Psychotherapy and Psychosomatics 46, S. 96-104, 1986

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