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Guatemala: Alte Kulturen konsumierten Tabak auch als rituelles Getränk

Die alten Kulturen Amerikas rauchten Tabak. Nun legen Spuren von Nikotin an 1300 Jahre alten Tongefäßen nahe: Die Menschen mischten den Stoff auch in Getränke.
Das fast zwei Meter hohe Bildnis aus El Baúl stellt vermutlich einen Herrscher dar.
Das fast zwei Meter hohe Bildnis aus El Baúl stellt vermutlich einen Herrscher dar. Im Kopfputz des Mannes stecken drei Tabakblätter.

Die alten Kulturen Amerikas hatten viel übrig für Tabak. Meist in Form von Zigarren. Doch die nikotinhaltige Pflanze wurde nicht nur geraucht: Die Menschen gaben die Tabakblätter auch in Flüssigkeiten. Das zeigen chemische Analysen an ungefähr 1300 Jahre alten Tongefäßen aus der Stätte El Baúl in Guatemala. Tabak wurde dort möglicherweise bei Reinigungsritualen in Getränken konsumiert, berichten Forscher um Adam Negrin von der City University in New York im Fachblatt »Antiquity«.

Der Fundort El Baúl gehört zur Cotzumalhuapa-Kultur, einer mesoamerikanischen Zivilisation im Süden Guatemalas, die zur Zeit der späten Klassik, zwischen 650 und 950, existierte. Ausgräber haben dort in den Überresten eines Schwitzbads zahlreiche Bauopfer entdeckt. Dabei handelt es sich um Tongefäße, die als Weihegaben unter dem Fußboden vergraben wurden. Negrin und seine Kollegen untersuchten einige dieser Gefäße mit Hilfe chemischer Analysemethoden – der Flüssigchromatografie sowie der Massenspektrometrie –, um festzustellen, welche Stoffe einst in die meist röhrenförmigen Keramikbecher gefüllt wurden. In drei Behältern spürten Negrin und sein Team den Stoff Nikotin auf. Ihrer Form nach dienten diese Gefäße jedoch nicht zum Rauchen, sondern zum Trinken.

In den alten Kulturen Mittelamerikas spielte Tabak eine wichtige Rolle. Die Menschen rauchten meist die getrockneten Blätter der Pflanze als Zigarren. Tabak wurde aber auch gekaut oder in zermahlener Form geschnupft. Ethnologische Berichte aus dem Amazonasgebiet legen nahe, dass in Flüssigkeiten konsumierter Tabak die Menschen in tranceartige Zustände versetzen sollte. Große Mengen Nikotin zu trinken, sei giftig und möglicherweise tödlich, schreiben Negrin und seine Kollegen in »Antiquity«. »Eine solche Nutzung verdeutlicht, dass Ritualpraktizierende Tabak als Betäubungsmittel verwendeten.« Die Maya der Neuzeit setzten Tabakflüssigkeiten zudem für medizinische Zwecke ein.

Weil die drei Gefäße mit Nikotinresten in einem ehemaligen Schwitzbad zum Vorschein kamen, könnten die Menschen der Cotzumalhuapa-Kultur die Tabakgetränke bei Reinigungs- oder Heilritualen konsumiert haben. »Archäologische und ethnologische Belege bezeugen, dass Schwitzbäder in Mexiko und Guatemala zur spirituellen und körperlichen Reinigung dienten«, heißt es in der Studie von Negrin und seinen Kollegen. Vor allem Frauen im Wochenbett seien in Schwitzbädern behandelt worden.

Gefäße aus El Baúl | In drei Gefäßen wiesen Adam Negrin und sein Team Spuren von Nikotin nach. Dabei handelt es sich um die ersten drei Tonbehälter (von links nach rechts) in der oberen Reihe.

Auch sonst scheint die Tabakpflanze in der Kultur von Cotzumalhuapa bedeutend gewesen zu sein. So kamen in El Baúl Bildnisse von Herrschern zum Vorschein: Die Männer sind auf den Reliefs mit einem üppigen Kopfputz geschmückt, in dem auch Tabakblätter stecken.

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