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Kosmische Objekte: Blitze aus dem Leben danach

Im Objektezoo des Alls müssen am Gehege "Neutronensterne" wieder einmal Renovierungsarbeiten vorgenommen werden: Zwischen Pulsaren und Magnetaren tummeln sich mysteriöse Strahlungsquellen, die bisher noch nie gesehen worden waren.
Fantasie-Illustration eines Magnetars
Eine Supernova ist eindrucksvoll, auch aus einiger Entfernung – immerhin röchelt da eine ganze Sonne heftig und vergebens nach dem letzen Fitzelchen Kernbrennstoff, kollabiert dann unter dem Druck ihrer eigenen Masse und feuert endlich die dabei extrem zusammengebackenen Restbestandteile in einem finalen Todesblitz in die nähere und ferne Umgebung, gewaltige Strahlungswellenfronten inklusive. Obwohl: Mit den Endzeitumschreibungen "final" und "Tod" ist die spektakuläre Explosion massereicher Sterne eindeutig falsch etikettiert. Es gibt schließlich ein Leben nach der Supernova.

Genauer gesagt: Nicht nur eines. Vielmehr bieten sich Ex-Sonnen in ihrer Postsupernova-Phase sogar mehrere Karrierewege – abhängig davon, wie viel Masse die Sterne einst in sich vereinigt hatten. Objekte mit dem Materieinhalt von ursprünglich rund 8 bis 15 unserer Sonnen zum Beispiel etablieren sich als Neutronensterne: Nach der Explosion sammeln sich die Reste in einer sehr kompakten Kugel mit wenigen Kilometern Durchmesser, einem wegen des enormen Drucks fast nur Neutronen enthaltenden Inneren und einer festen Kruste. Solch ein zusammengeschnurrter Stern rotiert schnell um seine eigene Achse – je kleiner, desto schneller geworden, wie eine pirouettierende Eiskunstläuferin –, wobei er entlang seiner magnetischen Feldlinien Strahlung im Radiowellenbereich aussendet. Mehr als 1700 derartige Pulsare, deren Wellen wie das Licht eines Leuchtturms die Erde in äußerst regelmäßigen Zyklen bestreichen, haben Astronomen bislang entdeckt.

Ein Magnetar | Magnetare sind Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern, die Billionen Mal so groß sind wie das unserer Erde.
Aber auch Neutronenstern ist nicht immer Neutronenstern, wie Astronomen schon bald betonten: Manche Verwandten der komprimierten Exsterne zeichneten sich zur Überraschung der Experten dadurch aus, dass sie anstelle von Radiowellen die viel energiereichere Gammastrahlung in enormen Mengen abstrahlen. Die dafür notwendigen Energien speisen sich vermutlich aus ungeheuer starken Magnetfeldern dieser Exoten: Sie verstärken sich auf Grund eines sich selbst hochschaukelnden Effektes, an dem der mitsamt seinem eigenen Magnetfeld rotierende Stern und der in seinem Inneren noch schneller umherschwappenden und dabei eigene Magnetfeldlinien zwirbelnden Plasmaströmungen beteiligt sind.

Dies erzeugt Magnetfelder von vielleicht bis zu 100 Gigatesla, welche etwa eine Milliarde stärker sind als die stärksten in irdischen Laboren bisher überhaupt erzeugbaren Felder. Praxisfern, aber vielleicht anschaulicher: Daten auf einer Magnetspeicher-Kreditkarte löscht so ein Feld unwiderruflich, wenn diese – warum auch immer – in einer Erde-Mond-Distanz vom Magnetfeldmonster durchs All treiben würde. Diesen Typus der Neutronensterne tauften Astronomen "Magnetare". Bis kürzlich haben sie ein gutes Dutzend dieser Objekte auch tatsächlich in den Weiten des Raumes entdeckt und untersucht, wenn auch noch längst nicht gründlichst.

Die vermeintliche Nummer 16, sie trägt den sperrigen Eigennamen SWIFT J195509.6+261406, ist aber etwas besonderes, berichten nun Alexander Stefanescu vom Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik und seine Kollegen sowie ein Team um Alberto Castro-Tirado vom andalusischen Instituto de Astrofísica [1,2]. Zunächst hatte das Objekt sich durch einen simplen Gammastrahlenblitz dem Satelliten Swift verraten, der nach eben solchen Ereignissen routinemäßig den Himmel absucht. Bald nach einer sofort eingeleiteten Inaugenscheinnahme durch eine Reihe anderer Teleskope und Radiowellenanalysen stand aber fest, dass der Blitz nicht einer von vielen in den Weiten des Universums strahlender Gamma-Ray-Burst ist, sondern von viel näher, in unserer eigenen Milchstraße aus rund 13 000 Lichtjahren Entfernung abgefeuert wurde. Ein isolierter Gammastrahler? Also womöglich ein neuer Magnetar?

Magnetar SWIFT J195509 | Die im optischen Wellenlängenbereich aufgenommene obere Bildserie zeigt, wie die Strahlungsquelle SWIFT J195509 zunächst ein paar Sekunden lang rund 100-Mal heller wird. Unten wird der schwache Ausbruch im nahen Infrarot gezeigt, den der vermutete Magnetar nach einigen Tagen abstrahlte, bevor er fürs Erste – und wohl für ein paar Jahre – wieder verstummte.
Was an Strahlung auf die Instrumente einprasselte, war allerdings ungewöhnlich: Nach den ersten Gammastrahlen folgte eine dreitägige Phase, in der SWIFT J195509 rund 40 Blitze im optischen Wellenlängenbereich herüberfackelte, gefolgt von einem schwachen Ausbruch im nahen infraroten Bereich nach elf Tagen. Danach versiegte die Quelle, und hinterließ verblüffte Astronomen – diese Kombination an Strahlungsfeuerwerk hatte noch nie zuvor jemand analysiert.

Die enormen Magnetfeldkräfte der schnell rotierenden Magnetare führen der gängigen Theorie nach ab und an zum Aufbrechen seiner starren Hülle, wobei dann die Strahlungsblitze frei werden. Im Normalfall erzeugt das das typische, über eine gewisse Periode anhaltende Flackern von Ausbrüchen im Bereich der weicher Gammastrahlung, die solchen Magnetaren die offizielle Bezeichnung "Soft Gamma-Ray-Repeater" einbrachte. SWIFT J195509 strahlt im Prinzip ganz ähnlich – allerdings eben im optischen Wellenlängenbereich, so Castro-Tirado, Stefanescu und Co. nach ihren Untersuchungen.

Vielleicht entsteht die Strahlung hier nicht an Elektronen, sondern an schwereren und daher langsameren Ionen, die beim Umkreisen der Magnetfeldlinien daher auch elektromagnetische Wellen viel geringerer Energie abgeben – also als Licht im Infraroten und optischen Spektrum. Vielleicht, so spekulieren die Forscher weiter, ist das sogar typisch für ein Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Extremtypen der Magnetare und Pulsare – einen mittelalten, langsam abgebremsten Magnetar, der nach einiger Zeit zu einem typischen unauffällig Radiowellen pulsenden, immer langsamer vor sich hin rotierenden und isoliert durchs All treibenden Neutronenstern werden wird. Bislang nur eine Hypothese, geben die Wissenschaftler zu, immerhin aber eine wahrscheinlich überprüfbare: In den nächsten 10 bis 20 Jahren dürfte SWIFT J195509 wieder einmal aufleuchten und mehr über sich verraten.

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  • Quellen
[1] Stefanescu, A. et al: Very fast optical flaring from a possible new Galactic magnetar. In: Nature 455, S. 503–505, 2008.
[2] Castro-Tirado, A.J. et al.: Flares from a candidate Galactic magnetar suggest a missing link to dim isolated neutron stars. In: Nature 455, S. 506–508, 2008.

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