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Braukunst: Beliebteste Biere dank Bayern

Helles oder Lager gehört zu den beliebtesten Bieren. Nun konnten Forscher seine Spuren bis zur ursprünglichen Brauerei zurückführen. Prost!
Zwei Biertrinker prosten sich mit ihren Maßen zu.
Himmel der Bayern? Trotz der hohen Preise ist das Oktoberfest beliebt bei Biertrinkerinnen und -trinkern aus nah und fern.

Jahrtausendelang trank die Menschheit obergäriges Dunkelbier, doch heute hat es nur noch einen Marktanteil von rund zehn Prozent: Es wurde weitgehend von hellen Sorten wie Pils oder Lager verdrängt. Gebraut werden sie mit unterschiedlichen Hefesorten. Ein Team um Mathias Hutzler vom Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität konnte nun den wahrscheinlichen Ursprung der Hefegrundlagen für das beliebte Helle bis zur Brauerei zurückverfolgen, wie es in »FEMS Yeast Research« schreibt: das Münchener Hofbräuhaus unter der Regentschaft von Herzog Maximilian I. von Bayern.

Ursprünglich setzten die Braumeister den wilden Hefepilz Saccharomyces cerevisiae ein, der Zucker in der Maische in Alkohol umwandelt. Aus den Zutaten wie Getreidemalz und Hopfen entstand dadurch ein obergäriges Bier, was jedoch nur bei warmem Wetter gelang: Die Hefe war kälteempfindlich; gebraut wurde daher in Mitteleuropa lediglich im Sommer. Ab der frühen Neuzeit wandelte sich dies jedoch mit der neuen Hefesorte S. pastorianus, die aus der Kreuzung der ursprünglichen Hefe mit einer zweiten namens S. eubayanus hervorging und damit auch das untergärige Brauen ermöglichte: eine Revolution, die zur heutigen Marktmacht führte.

Doch wo fand diese Kreuzung statt? Bislang war man davon ausgegangen, dass S. eubayanus eine Charge Bier, die mit S. cerevisiae gebraut wurde, zu Beginn des 17. Jahrhunderts »verunreinigte« und so der Hybrid entstand. Doch Hutzler und Co spürten in detektivischer Kleinarbeit die wahrscheinliche Quelle auf. Dazu untersuchten sie Hefen aus vielen Regionen Mitteleuropas und sogar Georgiens, um die Entwicklungslinien nachzuverfolgen. Ihren Daten zufolge gelangte tatsächlich ein Stamm von S. cerevisiae in Maische mit S. eubayanus: in einem kleinen Dorf namens Schwarzach in Ostbayern, von wo aus die verwickelte Biergeschichte dann ihren Lauf nahm.

Denn in Bayern erlaubte das Reinheitsgebot aus dem Jahr 1516 nur die Untergärung und das Brauen von »Lagerbier«, während im benachbarten Böhmen obergäriges Weizenbier mit S. cerevisiae erzeugt wurde, das auch in Bayern sehr beliebt war und in großen Mengen importiert wurde. Das ärgerte den Adel jenseits der Grenze, weshalb Wilhelm IV., auch der Standhafte genannt, 1548 dem Freiherrn Hans VI. von Degenberg das besondere Privileg zum Brauen und Verkauf von Weißbier in den Grenzgebieten zu Böhmen gewährte.

Dessen Enkel zeugte jedoch keinen Erben; die Familie starb aus, weshalb ihre Braukunst hätte verloren gehen können. 1602 ergriff daher der neue bayerische Herrscher, Maximilian der Große, selbst dieses Brauvorrecht und übernahm die Schwarzacher Brauereien der von Degenbergs. Schon im Oktober dieses Jahres ließ er Braumeister mitsamt ihrer Hefe aus der Weizenbrauerei in die herzogliche Hofbrauerei nach München bringen, wo nun ebenfalls obergäriges Weizen erzeugt wurde – in unmittelbarer Nachbarschaft zu Sudkesseln mit Lagerbier. Gleichzeitig fingen zudem Brauer aus dem Harz in München an, die ebenfalls obergärig mit S. cerevisiae arbeiteten.

Und das hatte Folgen: Denn S. cerevisiae kam endlich entweder über die Oberpfälzer, die Harzer oder beide Linien zusammen in Kontakt mit Stämmen von S. eubayanus, darunter auch kältetoleranten Varianten. Es entwickelte sich die neue Lagerhefe der Art S. pastorianus, die in den folgenden Jahrhunderten zur dominanten Bierhefe wurde. Schon wenige Monate nach ihrer Ausbildung brauten die Fachleute im Hofbräuhaus untergäriges Starkbier.

S. pastorianus hat dabei einen weiteren wichtigen Vorteil: Sie vergärt bereits bei weniger als zehn Grad Celsius hervorragend, weshalb nicht nur im Winter gut gebraut werden kann, sondern sich das Ganze auch leichter kontrollieren lässt. Obergärige Hefen hingegen funktionieren am besten zwischen 15 und 25 Grad Celsius und sind weniger berechenbar, was das Brauen entsprechend erschwert. Laut Hutzler und Co begünstigten zudem die technologisch fortschrittlichen Brauverfahren in München sowie die Bereitschaft der anwesenden Brauer, ihr Wissen und ihre Hefe zu teilen, den weltweiten Siegeszug von Hellem, Pils, Märzen und Co.

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