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News: Denn jeder ist anders

Bei Krebsuntersuchungen spielt nicht nur der Krankheitsnachweis selbst eine Rolle. Die Ärzte sind natürlich an möglichst genauen Informationen über die Charakteristik und Ausbreitung des Krebses interessiert. Jetzt scheinen amerikanische Wissenschaftler eine Testmethode gefunden zu haben, die weit mehr Informationen in dieser Hinsicht liefert als alle bisherigen. So hoffen die Mediziner zum Beispiel besser beurteilen zu können, welche Frauen aggressive Anti-Krebs-Behandlungen benötigen und welchen die Nebenwirkungen der Chemotherapie erspart werden können.
"Unsere Erkenntnisse können vielleicht dabei helfen, die Brustkrebs-Patienten zu identifizieren, bei denen das Risiko einer Metastasierung am größten ist und die daher eine Behandlung nach dem chirurgischen Eingriff benötigen, insbesondere Chemotherapie. Die Resultate können dementsprechend vielleicht auch dazu benutzt werden, die Frauen mit Brustkrebs zu identifizieren, denen man die Nebenwirkungen und die Kosten der Chemotherapie ersparen kann", führt Richard Cote aus. Der Professor für Pathologie an der Keck School of Medicine der University of Southern California hat zusammen mit anderen Kollegen und Mitarbeitern der International Breast Cancer Study Group die neue Methode entwickelt. Der Gruppe gehören Forscher des Ludwig Institute for Cancer Research der Harvard University und Krebsinstitute in Europa, Australien und Neuseeland an.

Im Verlaufe der meisten Brustkrebsoperationen entfernen die Chirurgen mehrere Achsellymphknoten, um festzustellen, ob sich der Krebs außerhalb des ursprünglichen Tumors in der Brust ausgebreitet hat oder metastasiert ist. Die Anwesenheit von krebsartigen Zellen in den Lymphknoten deutet darauf hin, daß der Tumor Metastasen gebildet hat. Etwa 25 Prozent der Patientinnen, die den Ergebnissen der heutigen Untersuchungsmethoden zufolge keine Anzeichen von Krebs in den Knoten zeigten, bilden Metastasen an anderen Stellen ihres Körpers.

Bei den derzeit angewandten Methoden untersuchen Pathologen mikroskopisch angefärbte Lymphknotenscheibchen. Krebszellen werden an der Form der Zellen und der Art ihrer Verteilung erkannt. Diese Technik ist zwar empfindlich und zuverlässig; wenn jedoch Krebszellen keine typische Form oder Architektur aufweisen oder wenn nur sehr wenige derartige Zellen in einem Lymphknoten vorkommen, bleibt der Krebs möglicherweise unentdeckt. Der neue Test verbessert die Standardmethoden erheblich. Er arbeitet mit dem Einsatz zweier Antikörper. "Diese Antikörper entdecken mit sehr hoher Genauigkeit Proteine, die in Brustkrebszellen, nicht jedoch in normalen Zellen der Lymphknoten vorkommen", erklärt Cote. Die Antikörper werden auf das Lymphknotengewebe aufgebracht und falls Brustkrebszellen vorhanden sind, reagieren sie mit den entsprechenden Proteinen. Dabei kommt es zu einer Farbveränderung in den Krebszellen, die ein Pathologe unter dem Mikroskop erkennen kann. Auch sehr kleine Mengen von Krebszellen, die durch konventionelle Methoden normalerweise extrem schwierig zu finden sind, können durch diese neue Technik nachgewiesen werden (The Lancet, Ausgabe vom 11. September 1999).

Um die Wirksamkeit des neuen Verfahrens zu überprüfen, untersuchten die Wissenschaftler Lymphknotengewebe von 738 Brustkrebs-Patientinnen, bei denen konventionelle Analysen keinerlei Hinweise auf Metastasen in ihren Lymphknoten zeigten. Die Gewebe wurden dann mit der Antikörpermischung untersucht. Mit Hilfe der neuen Technik konnten die Wissenschaftler bei zwanzig Prozent der Patientinnen verborgene knotenartige Metastasen nachweisen. Verborgene Metastasen wurden in der Regel in den Lymphknoten von Frauen mit großen Brustkrebstumoren entdeckt, die auch ein höheres Risiko aufweisen, daß sich Metastasen entwickeln. Allerdings wurden in einigen Fällen auch Metastasen bei Patientinnen gefunden, die nur kleine Tumore in der Brust hatten.

Auf längere Zeiträume bezogen konnte in der Studie festgestellt werden, daß mit der neuen Methode die Frauen identifiziert werden konnten, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besaßen, erkennbare Metastasen zu bilden oder an ihrem Krebs zu sterben. Dieser Effekt war am ausgeprägtesten bei älteren Frauen (nach dem Klimakterium), der Gruppe mit der höchsten Brustkrebshäufigkeit. Bei jüngeren Frauen (vor dem Klimakterium), die an Brustkrebs litten, schien die Anwesenheit solcher verborgener Lymphknoten-Metastasen allerdings keine signifikante Auswirkung auf weitere Metastasenbildung oder das Überleben zu haben. Wissenschaftlern deuten die Ergebnisse so, daß Krebs sich bei älteren Frauen vielleicht anders ausbreitet. Weitere Studien sind erforderlich, um mögliche Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Frauen zu verstehen.

Als besonders wichtiges Resultat sieht Cote aber vor allem die Möglichkeit, weitere Charakterisierungsmerkmale für eine Krebserkrankung zu finden. Er hofft, daß kombiniert mit anderen Informationen über den jeweiligen Patienten individuellere Behandlungen möglich sind, also quasi maßgeschneiderte Therapien für die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten eingesetzt werden könnten. Nach Cotes Meinung ist außerdem der Einsatz der Antikörper-Nachweismethode auch für andere Arten von Krebs vielversprechend.

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