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Trophäenjagd: Der Tod von Löwe Cecil trifft auch die Forschung

Ein US-amerikanischer Trophäenjäger erschoss den berühmten Löwen Cecil in Simbabwe. Die Großkatze war Teil eines Forschungsprojekts. "Nature" sprach mit dem Löwenforscher David MacDonald über die Folgen für sein Projekt und ob Trophäenjagd dem Naturschutz dienen kann.
Cecil, der Löwe

Cecil, der Löwe, gehört zu den berühmtesten Großkatzen Afrikas – vor allem, seit bekannt wurde, dass er, wahrscheinlich illegal, von einem US-amerikanischen Trophäenjäger aus dem Hwange-Nationalpark in Simbabwe gelockt und erschossen wurde. Der verantwortliche Jäger ging nach eigenen Angaben davon aus, dass er legal handeln würde und hatte für den Abschuss eine große Summe Geld bezahlt. Zwei seiner einheimischen Helfer wurden nun angeklagt und sollen vor Gericht gestellt werden. Gefunden wurde der Kadaver über sein GPS-Halsband, das die Jäger vergeblich verschwinden lassen wollten. Denn Cecil war Teil eines Forschungsprojekts von David Macdonald, Direktor der Wildlife Conservation Unit an der University of Oxford. "Nature" sprach mit ihm, wie Trophäenjagd und illegale Wilderei die Löwenbestände beeinflussen – und welche Bedeutung Cecils Tod haben wird.

Warum zeichnen Sie die Bewegungen von Cecil und anderen Löwen auf?

David Macdonald: Seit 20 Jahren unterhalten mein Kollege Andrew Loveridge und ich ein Löwenprojekt rund um den Hwange-Nationalpark in Simbabwe. Es gehört zu den größten Naturschutzunternehmungen, die jemals für Löwen gestartet wurden. Wir haben die Geburten, Todesfälle und Verpaarungen von mehr als 500 einzelnen Löwen aufgezeichnet und über Satellitenaufzeichnungen verfolgt, wo sich die Tiere aufhalten. Mit diesen Untersuchungen wollen wir die Naturschutzpolitik des Landes wissenschaftlich untermauern und arbeiten dabei eng mit Simbabwes Nationalparkverwaltung und den Behörden zusammen, die die Wildtierbestände managen. Unser Projekt hat bislang riesige Datenmengen erbracht – beispielsweise über die Verhaltensökologie der Löwen und welche Einflüsse ihren Schutz bedrohen. Diese Faktoren umfassen unter anderem Lebensraumzerstörungen, Konflikte zwischen Löwen und Landwirten und auch Abschüsse durch Trophäenjäger und Wilderer.

Weltweite Proteste | Der Abschuss von Cecil löste weltweit Abscheu und Proteste hervor. Getötet wurde der Löwe anscheinend illegal von einem US-amerikanischen Zahnarzt.

Kannten Sie Cecil?

Ja, sehr gut. Erst vor wenigen Monaten holperten Andy und ich in einem Jeep hinter Cecil her, als er sich Richtung Parkgrenze bewegte. Da wir ihn über unsere Arbeit gut kannten und ich seine Stattlichkeit und Schönheit bewunderte, schlug mein Herz schneller – und ich hoffte, er würde umkehren, bevor er die Parkgrenze erreichte. Außerhalb des Schutzgebiets drohen viele Gefahren. Damals wandte er sich um und wanderte wieder tiefer in das Reservat, was mich erleichterte. Doch dann hat ihn wohl sein Glück verlassen.

Wie stark trifft die Trophäenjagd und Wilderei die Löwen im Hwange?

Von den toten Löwen, die wir in einer frühen Phase unserer Arbeit registrieren konnten, starben mehr als 70 Prozent, sobald sie den Park verließen. Zudem haben wir oft genug beobachtet, was passiert, wenn ein Löwe geschossen wird: Das bringt Unruhe in das gesamte Rudel. Wird eine der Großkatzen legal oder illegal erschossen, schwächt das die Männerkoalition an der Spitze der Gruppe, die meist aus zwei oder mehreren Brüdern besteht. Übernimmt eine größere oder stärkere Koalition dieses Rudel, werden der oder die Brüder des erlegten Löwen vertrieben oder getötet. Die neuen Männchen bringen normalerweise die Jungen ihrer Vorgänger um, damit sie sich mit den Weibchen gleich neu verpaaren können. Früher hat man gedacht, ein toter Löwe sei einfach ein Löwe weniger. Heute wissen wir, dass dieser eine tote Löwe viele weitere nach sich zieht – und die gesamte örtliche Rangordnung mitsamt der damit verbundenen Reviere durcheinanderbringt.

Ist das ein Problem für den Löwenbestand als Ganzes? Die Art wird nur als "bedroht" eingestuft.

Vor wenigen Jahren hatte eine Studie ergeben, dass es in ganz Afrika noch mehr als 30 000 Löwen geben soll. Nun mehren sich aber die Belege, dass es bedeutend weniger gibt. Und in weiten Teilen des Verbreitungsgebiets nimmt ihre Zahl ab. In West- und Zentralafrika gelten sie bereits als vom Aussterben bedroht. Die Löwen befinden sich in einer schwierigen Lage.

Muss der Gefährdungsstatus der Löwen zu "stark gefährdet" geändert werden?

Nein, das will ich damit noch nicht sagen. Aber der Schutz muss Priorität haben. Wenn wir uns um die Löwen und ihren Erhalt sorgen, ist das nicht nur wissenschaftlich angemessen, sondern auch zwingend nötig, wenn wir die Artenvielfalt Afrikas bewahren wollen.

Trophäenjagd ist in Simbabwe und anderen Staaten legal – auch wenn Cecil wohl illegal getötet wurde. Denken Sie, dass Trophäenjagd nachhaltig durchgeführt werden kann?

Ja, das ist möglich, wenn strenge Regeln eingehalten werden. Es gibt einige Naturschutzbiologen, die zustimmen, dass dies in manchen Regionen die beste Möglichkeit ist, den Löwen einen gewissen "Wert" zu verschaffen – damit auch die örtlichen Gemeinschaften sie tolerieren. Es ist aber sehr wichtig, dass die örtlichen Interessensgruppen – also meist die Menschen in den Dörfern um die Parks – unmittelbar davon profitieren. Denn sie müssen mit den Löwen leben. Andere Forscher meinen allerdings, dass Trophäenjagd stets abstoßend ist.

Was denken Sie?

Ich möchte neutral bleiben. Wir wollen die wissenschaftlichen Fakten verstehen und die Behörden dabei unterstützen, die Gesetze durchzusetzen.

Zieht Cecils Tod – also von nur einem Löwen – nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich und lenkt ab von den Problemen anderer Arten, die noch stärker bedroht sind?

Jede Art ist wichtig – sei es in ihrer Rolle für das Ökosystem oder für den Naturschutz. In der Realität müssen die Öffentlichkeit und sogar viele forschende Spezialisten Prioritäten im Kopf haben. Löwen sind charismatische Tiere. Sie gewinnen die Sympathie der Menschen und genießen Denkmalstatus, ein Wappentier des Naturschutzes. Wenn die Begeisterung der Menschen für charismatische Kreaturen zu einer Art Bannerträger für die Natur allgemein werden kann, dann ist das eine gute Sache.

Sehen Sie irgendetwas in Cecils Tod, das zum Silberstreifen am Horizont taugen könnte?

Die weltweite Entrüstung tröstet etwas: Das Ableben sorgte dafür, dass Millionen Menschen sich entrüsteten und ihrer Wertschätzung für den Wert der Natur Ausdruck verliehen. Ich hoffe, dass dieser Enthusiasmus die Politik beeinflusst, mit der wir Menschen mit der Artenvielfalt zusammenleben können. Das wäre ein würdiger Nachlass für den anscheinend illegalen Abschuss dieses besonders charismatischen und unglaublich faszinierenden Löwen namens Cecil.

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