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Geomorphologie: Gebirge werden älter als gedacht

Kunlun-Gebirge in China

Wie lange überdauert ein Gebirgszug an der Oberfläche, nachdem ihn Kräfte aus dem Erdinneren geschaffen haben? Länger als vermutet, und die Zusammenarbeit von Flüssen und Erosion spielt dabei eine erstaunliche Doppelrolle, wie nun Geowissenschaftler um David Egholm von der Universität Aarhus zeigen konnten. Der Abtrag und der Abtransport von Sedimenten durch die Flüsse sorgten zwar einerseits dafür, dass Gebirgszüge wie die Appalachen in den USA oder der russische Ural ihre frühere Höhe verloren. Später verlieren die Berge dann vor allem Feinmaterial, was die Arbeit der Flüsse erschwert und so die Erosion deutlich verlangsamt. Das bewahrt schließlich die verbliebenen Reste einigermaßen vor weiterer Einebnung, ohne dass dafür geotektonische Hebung nötig war. Die Gebirge blieben daher über hundert Millionen Jahre länger erhalten, als es eigentlich dem natürlichen Gesteinszyklus entsprechen sollte.

Kunlun-Gebirge in China | Dieser Gebirgsstock in China ist geologisch noch relativ jung und wird daher von zahlreichen Bergrutschen geprägt.

Zu Beginn ihrer Entstehung kennzeichnet allerdings starke Erosion ihre Entwicklung: Während die Tektonik sie auffaltet, entstehen steile Hänge, die leicht abrutschen – etwa als Folge von Frostsprengung, durch starke Niederschläge oder schlicht auf Grund der Schwerkraft. Dadurch liefern sie den vorhandenen Flüssen in den Tälern viel grobes Gesteinsmaterial, das die Strömung über den Grund transportiert und dadurch das Flussbett weiter eintieft. Das wiederum übersteilt die angrenzenden Hänge erneut und erleichtert erneute Massenbewegungen: ein Prozess, der sich so lange fortsetzt, bis die Berge weit gehend abgeflacht und eingeebnet sind – zumindest zogen bisherige Theorien diesen Schluss.

Sie berücksichtigten jedoch zwei wichtige Faktoren zu wenig, so die These von Egholm und Co: Extrem große Erdrutsche überfrachten die Flussbetten mit Material und zementieren den Grund zu, so dass die Fließgewässer zuerst diese Gesteins- und Sedimentmassen entfernen müssen, bis die Tiefenerosion wieder einsetzen kann – ein erster Zeitgewinn für das Gebirge. Im Laufe der Zeit werden die Hangneigungen allerdings tatsächlich sanfter, was wiederum die Zahl und das Ausmaß von Massenbewegungen reduziert. Mit dem Ende des Hebungsprozesses – zum Beispiel weil die Plattenbewegungen hier zum Stillstand gekommen sind – treten zudem keine oder nur noch sehr wenige Erdbeben auf, die Rutschungen auslösen können. Damit erhalten die Flüsse aber auch kein weiteres grobes Gestein mehr, mit dem sie ihren Untergrund bearbeiten könnten: Die Erosion beschränkt sich vor allem auf feineres Material und schreitet nur noch im Schneckentempo voran.

Bisherige Computermodelle kalkulierten, dass über ein über 2000 Meter hoher Gebirgsstock innerhalb von 20 Millionen Jahren etwa um die Hälfte abgetragen wird. Die neuen Berechnungen von Egholm und Co errechnen hingegen einen Zeitraum von 200 Millionen Jahren, bis die Berge entsprechend viel Volumen eingebüßt haben.

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