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Großer Ausbruch im Kongobecken: Gefährliche Variante der Affenpocken droht sich global auszubreiten

Bei einem großen Ausbruch der bisher auf Zentralafrika beschränkten Variante des Mpox-Virus »Klade I« sind fast fünf Prozent der Infizierten gestorben. Und das Virus ist wohl schon in Europa.
Blick von Kinshasa über den Kongo auf Brazzaville.
Der Fluss Kongo trennt die 17-Millionen-Stadt Kinshasa von Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo. Auf beiden Seiten des Flusses verbreitet sich derzeit die Affenpockenvariante »Klade I« ungewöhnlich stark.

Mehr als 12 000 Verdachtsfälle einer Variante des bis 2022 als Affenpocken bezeichneten Mpox-Virus sind 2023 in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) aufgetreten. Die als »Klade I« bezeichnete Variante war daher zuvor als Kongobecken-Variante bekannt: 581 Menschen starben an der Krankheit, eine Fallsterblichkeit von 4,6 Prozent, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet. »Klade I« ist eine bislang auf Zentralafrika beschränkte Version der Mpox-Variante »Klade IIb«, die sich im Jahr 2022 weltweit ausgebreitet hat. Es gibt Indizien, dass auch diese deutlich gefährlichere Variante von Mpox bereits vereinzelt in Europa auftritt. Zudem wurden sexuelle Übertragungen des Virus nachgewiesen – der Hauptverbreitungsweg beim globalen Ausbruch von »Klade IIb«. Fachleute befürchten deswegen, dass sich auch die neue, aggressivere Variante des Virus über die ganze Welt ausbreiten könnte.

Mpox werden von einem Pockenvirus ausgelöst, dessen Hauptwirt vermutlich kleine Säugetiere sind. Lange Zeit gab es bei Menschen nur vereinzelte Ausbrüche, die auf direkte Übertragungen von Tieren auf Menschen ausgelöst wurden. Etwa seit 2016 allerdings verbreitet sich die in Westafrika beheimatete »Klade II« dauerhaft unter Menschen und begann 2022 eine weltweite Epidemie zu verursachen, die bis heute andauert. Treiber des globalen Ausbruchs waren Ansteckungen zwischen Männern, die Sex mit Männern haben. Mpox sind bisher ausschließlich bei engen Kontakten ansteckend, so dass bloß die relativ dichten Kontaktnetzwerke in dieser Community lange ununterbrochene Ansteckungsketten zulassen. Solche Ansteckungsketten waren bisher bei der im Kongobecken beheimateten »Klade I« nicht bekannt.

Die ungewöhnlich starke Ausbreitung des Virus im Jahr 2023 deutet darauf hin, dass sich das gerade ändert. Die Zahl der gemeldeten Fälle hat sich gegenüber früheren Jahren mehr als verdoppelt. Auch in Regionen, in denen das Virus historisch nicht auftrat, werden Ansteckungen gemeldet – insbesondere seit August 2023 in der Hauptstadt Kinshasa mit 17 Millionen Einwohnern. Vor allem aber macht Fachleuten eine Gruppe von Ansteckungen Sorgen, die von einem Mann ausgingen, der am 15. März 2023 aus Belgien nach Kinshasa reiste und über sexuelle Kontakte fünf weitere Personen ansteckte. Der Zeitpunkt der Symptome deutet laut WHO darauf hin, dass sich der Mann bereits in Belgien mit der Variante »Klade I« des Affenpockenvirus angesteckt hat.

Sexuelle Übertragung spielte laut WHO ebenfalls eine Rolle bei weiteren Ausbrüchen in bisher nicht betroffenen Regionen. Vor allem in der Provinz South Kivu, wo sich das Virus Besorgnis erregend schnell verbreitet, seien Sexarbeitende betroffen. Welcher Anteil der Ansteckungen auf sexuelle Kontakte zurückgehe, sei jedoch unklar, berichtet die Organisation. Ein großes Problem ist, dass zu wenig Ressourcen für Überwachung, Aufklärung und Behandlung zur Verfügung stehen. So ist weitgehend unbekannt, auf welchen Wegen sich das Virus in der Bevölkerung verbreitet. Anders als beim globalen Ausbruch von »Klade IIb« sind nicht mehr weit überwiegend Männer betroffen, die Sex mit Männern haben. Wegen unzureichender Überwachung der Krankheit ist hinsichtlich ihrer Ausbreitung in der Bevölkerung wenig bekannt; nur neun Prozent der Verdachtsfälle sind nach Angaben der WHO auf das Virus getestet worden. Es besteht also die Möglichkeit, dass ein unbekannter, nichtsexueller Übertragungsweg diesmal eine entscheidende Rolle spielt.

Die Weltgesundheitsorganisation sieht deswegen ein erhebliches Risiko, dass sich die gefährlichere Mpox-Variante »Klade I« in benachbarten Ländern und weltweit verbreitet. In der benachbarten Republik Kongo spielt sich derzeit ebenfalls ein Mpox-Ausbruch ab, dessen Zusammenhang mit Fällen in der Demokratischen Republik Kongo unklar ist. Zusätzlich sind an den sexuellen Übertragungen Personen beteiligt, die international reisen. Unklar ist, welchen Einfluss der internationale Ausbruch von »Klade IIb« und dessen Bekämpfung auf eine mögliche internationale Ausbreitung von »Klade I« hat. Die vorhandene Immunität in der am stärksten betroffenen Gruppe könnte eine bedeutende Barriere darstellen – sofern »Klade I« sich nicht auch auf anderem Weg verbreitet. Um diese Gefahr zu verringern, muss der große Ausbruch im Kongobecken unter Kontrolle gebracht werden.

Wegen der Situation in dem politisch instabilen Land ist es schwierig, die Seuche effektiv zu bekämpfen und internationale Hilfe in das Land zu bekommen. Große Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu dem international verfügbaren Impfstoff Jynneos oder dem antiviralen Medikament Tecovirimat, die gegen den Erreger helfen. Fast sieben Millionen Menschen sind wegen anhaltender Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Milizen auf der Flucht, und Fachleute sehen Anzeichen für einen möglichen Krieg mit dem Nachbarland Ruanda. Das Wissen über den Erreger ist kaum verbreitet, und potenziell gefährdete Gruppen wie Sexarbeitende und Männer, die Sex mit Männern haben, sind von Stigmatisierung sowie Diskriminierung betroffen und dadurch schwer mit Gesundheitsmaßnahmen zu erreichen.

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