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Materialwissenschaft: Große Energie in kleinen Poren

Wenn es schnell gehen muss, kommen Batterien und Akkus nicht mehr mit. Viel Energie in kurzer Zeit aufzunehmen oder abzugeben, ist nicht ihre Stärke. Doch ausgerechnet diese Fähigkeit fordern moderne Geräte immer häufiger. Ein Fall für Superkondensatoren.
Hightech muss nicht immer winzig sein. Gelegentlich darf sie auch die Ausmaße von Autos oder Straßenbahnen annehmen. Zumal in Zeiten einer immer unsicherer werdenden Versorgung mit Erdöl Tugenden wie das Energiesparen selbst in den traditionell unbekümmerten USA langsam in Mode kommen. Was einst unendliche Weiten einnahm, mausert sich zum handlichen Wagen mit beinahe europäischen Maßen und bringt dort wie hier alternative Energieträger mit. Von denen darf es nur möglichst wenig verbrauchen, und Verluste durch Kleckern sind sowieso verpönt.

Der Hybridantrieb mit einer Mischung aus Verbrennungs- und Elektromotor ist so eine Variante. Als Pkw oder Straßenbahn nutzt er das Zusammenspiel der Kräfte, um mit weniger Nennleistung der einzelnen Partner dennoch kräftig Vortrieb zu erreichen. Und zwingt einen der Verkehr zum Bremsen, verpufft die überschüssige Energie nicht als ungenutzte Wärme, sondern wandert in die Batterien, wo sie für den späteren Verbrauch gespeichert wird. Schade nur, dass die Akkus es häufig nicht schaffen, den ganzen Segen so schnell aufzufangen, und so die Effizienz der schönen Idee nach unten drücken.

Das Problem von Batterien und Akkus liegt in ihrer Arbeitsweise. Beide speichern Energie in Form von chemischen Bindungen, und die zu knüpfen oder zu brechen, braucht nunmal seine Zeit. Muss es wirklich schnell gehen, sind ihnen daher Kondensatoren überlegen. In diesen Bauteilen finden keine gemächlichen Reaktionen statt, sondern werden Ladungsträger räumlich verschoben. Ein Vorgang, der rasant schnell ablaufen kann. Nur leider ist die Energiedichte herkömmlicher Kondensatoren ziemlich begrenzt. Sehen wir Akkus als die Marathonläufer unter den Speichern an, sind Kondensatoren eher die Sprintertypen. Was lange Zeit fehlte, sind Mittelstreckenspezialisten, die ein ordentliches Tempo vorlegen und dieses über eine nennenswerte Distanz halten können.

Diese Lücke füllen mehr und mehr die Superkondensatoren auf. Bei ihnen handelt es sich um eine Art Zwitter aus Batterie und Kondensator. Wie Batterien bestehen sie aus zwei Elektroden, zwischen denen sich ein leitender Elektrolyt befindet. Aber wie Kondensatoren speichern sie Energie durch Ladungsverschiebungen. Bloß sind es in ihrem Fall keine Elektronen, die wandern, sondern Ionen in dem Elektrolyten. Legt man von außen eine Spannung an, sammeln sich positiv geladene Kationen am Minuspol und negativ geladene Anionen am Pluspol. Dort bilden sie jeweils eine Art Mantel um die Elektroden, der nur wenige Ionendicken stark ist.

Wie gut diese elektrostatische Speicherung funktioniert und vor allem, welche Kapazität ein Superkondensator aufbringt, hängt dabei wesentlich von den Eigenschaften der Elektroden ab. Eine Regel dazu lautet: Je größer die spezifische Oberfläche, umso mehr geht in den Speicher hinein – vorausgesetzt, die Poren werden nicht kleiner als die Ionen mitsamt der Wasserhülle, die sie umgibt. Eine Einschränkung, die einleuchtend erscheint, denn Fußbälle passen eben nicht in Golflöcher.

Die einfache Regel stieß allerdings auf ein Problem: Vereinzelte Experimente mit sehr feinporigen Elektroden hielten sich nicht an sie. Grund genug für ein Team von Wissenschaftler um Juri Gogotsi von der Drexel University in Philadelphia, die Beziehung zwischen Porengröße und Speicherkapazität genauer zu studieren.

Die Forscher produzierten zu diesem Zweck Kohlenstoffelektroden mit Porendurchmessern zwischen 0,6 und 2,25 Nanometern (Milliardstel Metern). Im Vergleich mit der Größe eines Ions in seiner Wasserhülle von rund 1 Nanometer also ein Spektrum, das von Löchern mit "vernünftigen" Ausmaßen bis hin zu "absurden" Winzporen reichte. Dieses Arsenal untersuchten sie auf ihre Energiespeicherdichte und die Geschwindigkeit, mit welcher sie aufgeladen und entladen werden können.

Ihre Ergebnisse widerlegen die bewährte Regel, lassen aber zugleich erkennen, wie es zu dem Irrtum früherer Forscher kommen konnte. Fährt man nämlich eine Versuchsreihe mit immer kleiner werdenden Poren, so ist die Speicherwelt am Anfang noch in Ordnung. In jedem Löchlein finden gleich zwei Ionen Platz, die in ihrer Gesamtheit für eine hohe Kapazität sorgen. Bietet die Elektrode aber nicht mehr genug Raum für Doppelbelegungen, sinkt ihre Speicherdichte deutlich ab, denn nun passt ja nur mehr ein Ion in jede Pore. Erst bei noch feineren Löchern ändert sich das Bild.
Eigentlich hat nun nicht einmal mehr ein Ion mitsamt seiner Wasserhülle Raum. Als Ausweg bleibt dem Ion nur, seine Wasserhülle teilweise oder ganz zurückzulassen. Als würde es seinen Mantel an der Garderobe abgeben, schlüpft es in die enge Kammer. Und da auf einer Elektrode erheblich mehr winzige Poren Platz haben als ihre größere Kollegen, ergibt sich somit eine erhöhte Speicherkapazität bei besonders kleinen Poren. Allerdings mit dem Nachteil, dass die Ladung und Entladung ein wenig länger dauert, weil das Ion sich dabei erst ausziehen beziehungsweise ankleiden muss.

Der besondere Wert der neuen Arbeit liegt weniger in dem Sturz einer veralteten Regel, als vielmehr in den Perspektiven, die sie für die weitere Entwicklung der Superkondensatoren eröffnet. Da die Eigenschaften von Kohlenstoffelektroden sich über Variation der Herstellungsbedingungen recht gut beeinflussen lassen, können nun Bauteile mit maßgeschneidertem Verhalten entwickelt werden. Für Hybridautos und Straßenbahnen, deren Bremsenergie gespeichert werden soll, wären beispielsweise feinporige Elektroden mit höheren Kapazitäten geeignet. Kommt es hingegen auf extrem schnelle Reaktionen an, wären weiterhin die groberen Poren zu empfehlen. Es ist also für jeden etwas dabei, sobald die neuen Erkenntnisse Einzug in den Alltag gefunden haben. Damit auch keine Wattsekunde verkleckert wird, wenn wir mal wieder auf die Bremse treten.

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