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Galaxienhaufen: Heizt ein kühler Gasstrom die Sternentstehung an?

Computersimulation eines Galaxienhaufens

In den inneren Regionen eines Galaxienhaufens fanden Astronomen um Michael McDonald vom Massachusetts Institute of Technology in den USA weitere Hinweise auf kühles Gas, das ins Haufenzentrum strömt und dort die Produktion von Sternen auf ein Rekordniveau antreibt. Neben dem Verschmelzen oder nahen Begegnungen von Galaxien könnte der so genannte "Cooling Flow" so ebenfalls für eine erhöhte Sternentstehungsrate sorgen. Bisher ließ sich dieser theoretisch vorhersagte Gasstrom allerdings noch nicht direkt beobachten.

Der untersuchte Galaxienhaufen mit der Katalogbezeichnung SPT-CLJ2344-4243 liegt rund 5,7 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Phoenix und zählt zu den massereichsten bekannten Haufen im Universum. Ein großer Anteil der Masse in solch gigantischen Ansammlungen liegt in Form von mehrere Millionen Grad heißem Gas vor, das sich diffus zwischen den Galaxien verteilt. Aufgrund der hohen Temperaturen strahlt das Plasma im Röntgenlicht und gibt so Energie ab – je höher die Dichte, desto mehr. SPT-CLJ2344-4243, auch Phoenixhaufen genannt, strahlt von allen bekannten Galaxienhaufen am hellsten in diesem Spektralbereich, berichten McDonald und seine Kollegen.

In den dichten Zentralbereichen mancher Haufen kann das Gas durch diesen Energieverlust im Lauf von weniger als einer Milliarde Jahren abkühlen. Dadurch sinkt der Druck und das Gas wird komprimiert, woraufhin heiße Materie aus den äußeren Bereichen nachströmen und so eine kontinuierliche Fließbewegung zum Zentralbereich in Gang gesetzt werden sollte. Aus Beobachtungen im Röntgen-, optischen und Infrarotbereich schließen McDonald und sein Team nun, dass der Gasstrom im Phoenixhaufen mehr als doppelt so stark sein müsste, wie bisher in anderen Galaxienhaufen vermutet: 3800 Sonnenmassen an Gas würden hier pro Jahr abgekühlt.

Das dadurch ins Zentrum geschleuste kühle Gas sollte ideale Voraussetzungen für die Sternentstehung bieten. Tatsächlich scheint die Sternentstehungsrate in der zentralen Galaxie – zugleich die massereichste und hellste im Haufen – deutlich erhöht zu sein: Sterne mit insgesamt mehr als 700 Sonnenmassen bilden sich hier pro Jahr. "Dieser Wachstumsschub kann nicht länger als etwa 100 Millionen Jahre andauern, da sonst die Galaxie und das Schwarze Loch viel größer würden als ihre Gegenstücke im nahen Universum", erklärt Koautor Bradford Benson von der University of Chicago.

Die nun beobachtete Sternentstehungsrate liegt deutlich über der von näheren Galaxienhaufen, in denen man ebenfalls solche Gasströme vermutet: Hier entstehen pro Jahr nur Sterne mit insgesamt rund zwanzig Sonnenmassen. Dieser Wert liegt deutlich unterhalb dessen, was man durch den mutmaßlichen Zustrom von Gas erwarten würde, so die Wissenschaftler. Verantwortlich könnte eine Art Rückkopplung sein, die ein weiteres Abkühlen des Gases verhindert – etwa energiereiche Materiestrahlen aus der Nähe eines extrem massereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie.

Was auch immer das für ein Mechanismus sein mag, schreiben die Autoren, in SPT-CLJ2344-4243 scheint er nicht so effektiv zu funktionieren. Ob die Mechanismen im frühen Universum nicht so wirkungsvoll waren oder die Astronomen das System nur in einem außergewöhnlichen Moment der Entwicklung beobachtet haben, müssen nun weitere Beobachtungen von entfernten Galaxienhaufen mir ähnlichen Eigenschaften klären.

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  • Quellen
Nature 488, S. 349–352, 2012

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