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Tumorentstehung: Mundkeim fördert Darmkrebs

Ein in der Mundhöhle heimischer Keim hat Mittel und Wege, Tumorzellen vor der Körperabwehr zu schützen. So sorgt er am anderen Ende des Körpers für erhöhte Krebsgefahr.
Frau mit Zahnfleischschmerzen

Ein in der Flora der Mundhöhle verbreitetes Bakterium kann womöglich in anderen Regionen des Körpers die Krebsgefahr erhöhen, berichten Immunologen: Der Keim blockiert mit einem Protein die Rezeptoren von natürlichen Killerzellen des Körpers und verhindert dadurch, dass die Abwehrzellen Krebszellen attackieren und ausschalten, fassen Gilad Bachrach von der Hebrew University in Jerusalem und seine Kollegen in ihrer nun veröffentlichten Studie zusammen. Dies erklärt womöglich eine vor Kurzem aufgefallene Korrelation: Forscher hatten bemerkt, dass ein erhöhtes Auftreten von Dickdarmkrebs oft mit der gleichzeitig dichteren, sonst eher ungewöhnlichen Besiedlung mit dem Mundhöhlenbewohner im Darm einhergeht.

Fusobacterium nucleatum in Kultur | Eine über 48 Stunden hinweg auf Blutagar angewachsene Kultur des Keims Fusobacterium nucleatum. Das gramnegative Bakterium besiedelt im Normalfall die Mundhöhle und spielt dort gelegentlich eine Rolle bei der Entstehung von Parodontitis. Der Keim kann aber auch gefährlich werden, wenn er die Körperabwehr daran hindert, gegen Tumoren vorzugehen.

Die Mundhöhlen-Bakterien der Spezies Fusobacterium nucleatum sind bekannt dafür, auch verschiedene andere Gewebe besiedeln zu können, vor allem wenn die Körperabwehr geschwächt ist. Die Bakterien nutzen ihr Blockadeprotein dabei möglicherweise, um selbst besser zu überleben, vermuten die Wissenschaftler: Der Keim wächst auch in der Mundhöhle vor allem in möglichst sauerstoffarmen Nischen, in denen er weniger stark der Konkurrenz von stoffwechseltechnisch überlegenen aeroben Bakterien ausgesetzt ist. Offenbar kann das Innere von Tumoren mit seinem niedrigen Sauerstoffgehalt zu so einer von F. nucleatum bevorzugten Nische werden – hindert der Keim also die Körperabwehr daran, das Tumorwachstum zu stoppen, vergrößert er seinen Lebensraum.

In seiner natürlichen Umgebung, der Mundhöhle, gehört F. nucleatum zum so genannten "orangenen Komplex" – einem Keimgemisch, dessen Heranwachsen mit der Entstehung von Paradontitis einhergeht. Auch in diesem Zusammenhang sorgt er mit verschiedenen Maßnahmen für ein anaerobes Milieu, in dem sich dann die noch schädlicheren Keime des roten Komplexes breitmachen. Womöglich wird die Krebsgefahr nur dann erhöht, wenn die Keime in einen eigentlich fremden Lebensraum wie den Darm geraten.

Getestet haben die israelischen Forscher den Zusammenhang bisher allein in Zellkulturen im Labor. Die Tumorforscherin Yiping Han von der Columbia University in New York kann sich aber gut vorstellen, dass das Bakterium auch in freier Wildbahn die Tumorentstehung fördert, wie sie dem "New Scientist" verraten hat: Dies gelte womöglich für mehrere Arten von Krebs, sicherlich aber für den Darmkrebs – auch wenn noch mehrere weitere Auslöser beteiligt sein dürften.

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