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Hippocampus: Neuroprothese als Gedächtnisstütze

Befeuerungsmuster
Um Inhalte des Kurzzeitgedächtnisses langfristig abzuspeichern, ist ein bestimmter Teil des Großhirns notwendig: der Hippocampus. Zwei Areale dieser Hirnregion, CA1 und CA3, tauschen elektrische Impulse aus und überführen so Gedächtnisinhalte aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis. Ist dieser Signalaustausch gestört, sind neue Informationen nur für wenige Sekunden abrufbar und gehen dann verloren.

Mit Hilfe einer Neuroprothese, die die Signale eines der Areale im Hippocampus imitiert, gelang es einem Forscherteam um Theodore Berger von der University of Southern California in Los Angeles, die Ausprägung von Langzeiterinnerungen in Ratten zu unterstützen.
Ratte in der Versuchsbox | In der Versuchsbox befanden zwei Schalter (hier gezeigt in rot und grün), wobei jedoch nur die Betätigung eines dieser Schalter – mit einer gewissen Zeitverzögerung – für Trinkwassernachschub sorgte. Ratten mit normaler Hirnfunktion hatten auch nach längerer Verzögerung keine Schwierigkeiten, sich an den richtigen Schalter zu erinnern, wohingegen die Ratten scheiterten, welche durch medikamentöse Beeinträchtigung des Hippocampus zum Vergessen gezwungen waren.
Bei den Tieren hatten die Wissenschaftler zuvor den Signalaustausch durch einen pharmakologischen Wirkstoff einseitig blockiert. Bei einer weiteren Gruppe von Versuchstieren, deren Hirnfunktion unbeeinträchtigt war, verstärkte die Neuroprothese die Gedächtnisfunktion.

In einer verzögerten Lernaufgabe überwachten die Wissenschaftler zunächst die Lernprozesse der Ratten und untersuchten anschließend den Einfluss der Prothese auf deren Gedächtnisleistung. Um in einer Versuchsbox an Trinkwasser zu kommen, sollten die Tiere einen von zwei Schaltern betätigen. Die Ratten mit unbeeinträchtigtem Gedächtnis merkten sich, welchen Schalter sie in der Versuchsbox umlegen mussten, um trinken zu können, wohingegen die Tiere, deren Hippocampus durch ein Medikament beeinträchtig war, bereits nach wenigen Sekunden vergessen hatten, welcher der vorhandenen Schalter Erfolg versprach.

Wie die Forscher beobachteten, schloss die implantierte Neuroprothese die Gedächtnislücken der vergesslichen Nager. Bei den Ratten, welche sie ohne funktionellen Bedarf mit einer Prothese ausgestattet hatten, verstärkte die zusätzliche Befeuerung im Hippocampus die Langzeitverknüpfungen, so dass diese Erinnerungen über einen größeren Zeitraum erhalten blieben.

Neuroprothesen finden bereits Anwendung, um motorische oder sensorische Störungen auszugleichen. Komplexe Lernprozesse konnte man bisher mit dieser Technik weder ersetzen noch unterstützen. Die Forscher argumentieren, dass der Schlüssel zum Erfolg ihrer Prothese in der Verwendung eines MIMO-Models (Multi-Input/Multi-Output) liegt: Die Prothese misst über viele Elektroden simultan die eingehenden Aktionspotenziale und kann darauf, ebenfalls über viele Kanäle, antworten. Nur durch die Kenntnis der genauen Signalmuster könne man entsprechende künstliche Prothesen erzeugen und einsetzen, um so auch tatsächlich ablaufende Prozesse in Echtzeit zu unterstützen. Die Wissenschaftler hatten im Vorfeld die Reaktion der Hippocampusareale CA1 und CA3 gemessen und bestimmte Signalmuster ausfindig gemacht. Ausgehend von diesen Daten benutzten Berger und sein Team ein mathematisches Verfahren um die Antwort eines der beiden Areale auf ein bestimmtes Befeuerungsmuster vorauszusagen. Diesen Daten und Algorithmen folgend, antwortete die Neuroprothese auf empfangene, elektrische Impulse.

Eine implantierbare Gedächtnisstütze, welche verloren gegangene Hirnfunktionen von Alzheimer- oder Schlaganfallpatienten wiederherstellt, liegt allerdings noch in weiter Ferne. Im nächsten Schritt wollen Berger und seine Kollegen die Neuroprothese an Primaten testen. (us)

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