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Parasiten: Zecken finden uns anziehend – aber anders als gedacht

Zecken gehören sicher zu den unbeliebtesten Tieren der Erde. Eine bislang unbekannte Eigenschaft steigert ihre Popularität sicher nicht, nötigt aber Respekt ab.
Zecke auf Blüte
Eine Zecke sitzt in hübscher Umgebung und wartet auf ein Opfer. Bei der Attacke setzen sie auch auf elektrostatische Anziehungskräfte.

Zu den großen Legenden rund um Zecken gehört es, dass sich die Achtbeiner von Bäumen und Büschen fallen lassen, um auf ihren Opfern Blut zapfen zu können. Tatsächlich werden die Parasiten von der Vegetation abgestreift, bevor sie an geeigneter Stelle ihre Tätigkeit beginnen. Womöglich gelingt es den Zecken jedoch noch auf eine zweite Weise, potenzielle Nahrung zu erobern: Nach den Erkenntnissen von Sam England von der University of Bristol und seinem Team nutzen die Zecken elektrostatische Anziehungskräfte, um Lücken zwischen ihnen und Säugetieren zu überbrücken. Das berichten die Wissenschaftler in »Current Biology«.

Dass wir uns elektrostatisch aufladen können, hat wahrscheinlich jeder von uns schon einmal erlebt, der mit Gummisohlen über Teppichböden gelaufen ist und danach einen Türgriff angefasst hat. Die entstandene Spannung entlädt sich dann in einem kleinen Elektroschock. Die Aufladung geschieht auch in der Natur: Durch Reibung an Gräsern, Sandböden oder sonstigen Materialien baut sich Ladung auf; es entstehen elektrische Felder. Diese statischen Ladungen üben Kräfte auf andere statische Ladungen aus, die entweder anziehend oder abstoßend wirken, je nachdem, ob sie positiv oder negativ sind.

»Wir haben uns gefragt, ob die statischen Ladungen, die Säugetiere, Vögel und Reptilien auf natürliche Weise ansammeln, hoch genug sein könnten, um parasitäre Zecken durch elektrostatische Anziehung durch die Luft auf diese Tiere zu ziehen und so ihre Effizienz bei der Suche nach Wirten zu verbessern«, erklärt England. Das Team testete die Idee zunächst, indem es statisch aufgeladene Kaninchenfelle und andere Materialien in die Nähe von Zecken brachte und beobachtete, ob diese davon angezogen wurden.

Tatsächlich katapultierten die aufgeladenen Oberflächen die Zecken problemlos durch die Luft über Lücken, die mehrere Millimeter bis Zentimeter groß waren. Zum Vergleich: Übertragen auf menschliche Maßstäbe entsprechen die Distanzen in etwa der Strecke, die man vom Dach eines Hochhauses zum nächsten springen müsste. Die Forscher setzten deshalb ihre Versuche fort. »Zunächst verwendeten wir frühere Messungen der typischen Ladung von Tieren, um mathematisch die Stärke des elektrischen Feldes vorherzusagen, das zwischen einem geladenen Tier und dem Gras entsteht, auf dem Zecken sitzen und auf Wirte warten«, sagt England.

»Dann platzierten wir Zecken mit kleinem Abstand unter einer Elektrode und erhöhten die Ladung der Elektrode, bis die Zecken angezogen wurden. Auf diese Weise konnten wir die nötige minimale elektrische Feldstärke bestimmen. Dieses minimale elektrische Feld lag im Bereich unserer vorherigen Berechnungen des elektrischen Feldes, das zwischen einem geladenen Tier und Gras vorhergesagt wurde«, so der Forscher. Es sei daher sehr wahrscheinlich, dass die Zecken in freier Natur dank der elektrischen Aufladung zumindest gewisse Distanzen fliegend überbrücken können.

Womöglich hilft dieses Phänomen auch anderen Parasiten, die mangels Mobilität ihr Opfer nicht ohne Weiteres befallen können. Gleichzeitig eröffnet es Möglichkeiten, die Zecken besser abzuwehren, etwa durch antistatisch wirkende Sprays. »Bis jetzt hatten wir keine Ahnung, dass ein Tier auf diese Weise von statischer Elektrizität profitieren könnte. Das eröffnet uns völlig neue Denkansätze, wie viele unsichtbare Kräfte Tieren und Pflanzen helfen könnten, ihr Leben zu leben«, sagt England.

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