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News: Tief atmen in großen Höhen

Wer in La Paz oder in Lhasa aus dem Flugzeug steigt, ringt erst einmal nach Luft. Neidisch betrachtet man die Einheimischen, denen der geringe Sauerstoffgehalt nichts auszumachen scheint. Kein Wunder - ihre Körper haben sich im Laufe der Evolution auf verschiedene Weise an das mangelhafte Angebot angepasst. Auch Stickoxid spielt dabei eine wichtige Rolle.
Sie ist dünn, die Luft im Altiplano, der zentralen Hochebene der Anden. Und auch in Tibet müssen die Menschen mit deutlich geringeren Sauerstoffgehalten auskommen als Küstenbewohner. Ihre Körper haben sich daran angepasst: Die Tibeter atmen schneller, die Bolivianer und Peruaner haben mehr Hämoglobin im Blut. Touristen allerdings brauchen meist ein paar Tage, bis die ständige Atemnot aufhört.

Der Atem der Höhenbewohner offenbarte nun noch einen weiteren Anpassungsmechanismus. Cynthia Beall von der Case Western Reserve University und ihre Kollegen anaylisierten die Zusammensetzung der ausgeatmeten Luft von Tibetern und Aymara, Angehörigen einer im Altiplano einheimischen Volksgruppe. Dabei stellten sie einen verblüffend großen Anteil an Stickoxid (NO) fest, der bei den Südamerikanern um ein Viertel und bei den Asiaten sogar um mehr als das Doppelte höher lag als in Proben von Tieflandbewohnern in den USA zum Vergleich. Das winzige gasförmige Molekül ist in den Lungen an der Regulation des Blutflusses und damit auch des Sauerstofftransports beteiligt.

Die in der Atemluft gemessenen Werte spiegeln genau die NO-Produktion und Aufnahme durch die Lungen wider. Eine verringerte Aufnahme halten die Forscher für unwahrscheinlich, da das Hämoglobin die Stickoxidmoleküle rasch einfängt und in beiden Populationen der Hochlandbewohner die Hämoglobingehalte deutlich höher lagen als in der Kontrollgruppe. Beall und ihre Kollegen schließen daher, dass in den Lungen der Tibeter und Aymara mehr Stickoxid produziert wird.

Das allerdings stößt zunächst auf einen Widerspruch. Denn die Synthese von NO ist abhängig von der verfügbaren Menge molekularen Sauerstoffs – und die ist in diesen Höhen ja eigentlich geringer. Dementsprechend dürfte an sich auch nur weniger NO entstehen. Die Menschen dort haben sich also womöglich an die Höhe angepasst, indem die verantwortlichen Enzyme in veränderten Varianten auftreten, deren Kinetik anders mit der Sauerstoffverfügbarkeit zusammenhängt. Vielleicht sind auch wichtige Cofaktoren für die Reaktion besser verfügbar, oder in den Zellen werden die nötigen Synthasen einfach in größeren Mengen hergestellt.

Welchen Vorteil bieten nun die erhöhten NO-Werte? Als Beall und ihr Team Menschen auf Meeresniveau unter mit Stickoxid angereicherter, aber sauerstoffarmer Atmosphäre gut durchatmen ließen, zeigte sich der Erfolg prompt: Der Anteil an Sauerstoff in der ausgeatmeten Luft sank um mehr als ein halbes Prozent, die Probanden waren also in der Lage, den Sauerstoff effektiver aufzunehmen – eine praktische Einrichtung für die Bewohner von Hochlandregionen wie dem Altiplano oder Tibet, wo die Luft dünn ist.

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