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Klimawandel: Schmutziges Wasser wird zur Zeitbombe

Sauberes Wasser wird künftig noch knapper. Wie schlimm es wird, hängt überraschenderweise nicht nur davon ab, wie stark sich die Erde aufheizt.
Ein Glas Trinkwasser
Rund zwei Milliarden Menschen haben heute keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Bis zum Jahr 2100 könnten weltweit bis zu 5,5 Milliarden Menschen verschmutztem Wasser ausgesetzt sein. Das hat eine Modellstudie ergeben, die am 17. Juli 2023 in der Fachzeitschrift »Nature Water« erschienen ist. Ein Forschungsteam um den Geowissenschaftler Edward R. Jones von der Universität in Utrecht hat die Qualität des Oberflächenwassers unter drei verschiedenen Szenarien zum künftigen Klima und zur sozioökonomischen Entwicklung kartiert. In allen drei Fällen zeigte sich, dass die afrikanischen Länder südlich der Sahara zu den am stärksten betroffenen Gebieten gehören werden.

Die Vorhersagen bieten »eine zeitliche und räumliche Analyse dessen, was bisher nur anekdotisch über die Wasserqualität in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara bekannt war«, sagt Tafadzwa Mabhaudhi, die an der Universität von KwaZulu-Natal in Durban, Südafrika, zu Klimawandel und Ernährungssicherheit forscht. Ohne angemessene Investitionen in die Wasserinfrastruktur oder -aufbereitung »sitzen wir definitiv auf einer Zeitbombe«, fügt Joshua Edokpayi hinzu, der an der Universität von Venda im südafrikanischen Thohoyandou zum Wasserqualitätsmanagement forscht.

Bereits heute zirka zwei Milliarden Menschen ohne sauberes Wasser

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben weltweit bereits zwei Milliarden Menschen Schwierigkeiten, Zugang zu sauberem Trinkwasser zu erhalten. In den letzten Jahrzehnten waren Ostasien und die Pazifikregion am stärksten von der Verschmutzung der Oberflächengewässer betroffen. Das ist auf den Industrialisierungs- und Bevölkerungsboom zurückzuführen, der zu einer steigenden Nachfrage nach Wasser in Gebieten geführt hat, die nicht über die entsprechende Infrastruktur verfügen.

Um zu untersuchen, wie sich ähnliche Trends künftig auswirken werden, modellierten die Forscher und Forscherinnen die Wasserqualität zwischen 2005 bis 2100 in Schritten von 20 Jahren, indem sie bestehende Modelle zur globalen Wasserqualität heranzogen.

Dabei berücksichtigten sie drei zukünftige Klimaszenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (Weltklimarat, IPCC), bezeichnet mit den Kürzeln SSP1-RCP2.6, SSP5-RCP8.5 sowie SSP3-RCP7.0. SSP steht dabei für »shared socio-economic pathways« (gemeinsame sozioökonomische Pfade) und berücksichtigt verschiedene gesellschaftliche Faktoren, während RCP – kurz für »representative concentration pathways«, also repräsentative Konzentrationspfade – sich auf die erwartete Entwicklung der Treibhausgaskonzentrationen bezieht. SSP5-RCP8.5 bezeichnet somit beispielsweise einen Pfad, bei dem Treibhausgaskonzentrationen weiter steigen und der durch anhaltend starken technologischen Fortschritt und wenig Begrenzung der globalen Erwärmung definiert ist. Unter Fachleuten ist er auch als »Business-as-usual«-Szenario bekannt. SSP1-RCP2.6 hingegen definiert eine optimistische Zukunft, in der Nachhaltigkeit weltweit Vorrang eingeräumt wird.

Südamerika und Afrika südlich der Sahara am stärksten betroffen

Das Team stellte fest, dass sich die Wasserqualität in Ländern Südamerikas und Afrikas südlich der Sahara mit aufstrebenden Volkswirtschaften in allen Szenarien verschlechterte. Im Gegensatz dazu gingen in vielen wohlhabenden Ländern die Werte für organische Schadstoffe und krankheitsverursachende Substanzen durch eine verbesserte Wasseraufbereitung tendenziell zurück.

Die SSP3-RCP7.0-Projektion, die einen bevorstehenden »holprigen Weg« mit zunehmenden nationalen Rivalitäten in Verbindung mit langsamen wirtschaftlichen und ökologischen Fortschritten beschreibt, stach als schlechtestes Szenario heraus. Nach diesem Modell wird sich die Wasserverschmutzung mit organischen Bestandteilen in Afrika südlich der Sahara bis zum Jahr 2100 mehr als vervierfachen, so dass dort dann 1,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sicherem Wasser haben werden. Die Verschlechterung der Wasserqualität in Südasien, dem Nahen Osten und Nordafrika führt in dem Szenario ebenfalls zu einer erhöhten Verschmutzungsbelastung in diesen Regionen.

Überraschendes Szenario

Laut Edward Jones, dem Erstautor der Studie, war das eine Überraschung. Er fügt hinzu, dass ein »Business-as-usual«-Szenario zwar eine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen mit sich bringen würde, die nicht nachhaltig ist; gleichzeitig könnten sich im selben Szenario aber die Wasserinfrastruktur und damit die Wasserqualität verbessern, wie es in einigen Ländern bereits der Fall ist. Das SSP3-RCP7.0-Szenario zeichnet sich hingegen durch geringes Wirtschaftswachstum, massiven Klimawandel sowie Bevölkerungswachstum aus, was insgesamt zu einer wesentlich schlechteren Wasserqualität führt.

Sowohl Edokpayi als auch Mabhaudhi sind der Meinung, dass die Studie unterstreicht, wie dringend notwendig es ist, regionale Wasserqualitätsstrategien besser umzusetzen. Gemäß den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen sollte bis 2030 jeder Mensch weltweit Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Laut Mabhaudhi besteht jedoch eine Diskrepanz zwischen der globalen Politik und der Realität auf kleinerer Ebene. Die Welt brauche gemeinsame Ansätze, »bei denen die Ergebnisse für die Menschen und den Planeten im Mittelpunkt stehen«.

Die Umweltverschmutzung macht vor nationalen Grenzen nicht Halt, sagt Edokpayi. Zusammenarbeit über Grenzen hinweg werde entscheidend sein, damit die schlimmsten Vorhersagen nicht eintreffen.

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