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Inseln: Tuvalu geht nicht unter - im Gegenteil

Die Atolle des Inselstaats Tuvalu in der Südsee sollen vom steigenden Meeresspiegel überflutet werden. Doch momentan ist eher das Gegenteil der Fall: Sie wachsen.
Sandstrand auf einem Tuvalu-Atoll

Der Südseestaat Tuvalu gilt – neben anderen Inselnationen wie Kiribati – als potenzielles erstes Opfer des Klimawandels: Steigende Meeresspiegel könnten die flachen Atolle mittelfristig überfluten und unbewohnbar machen. Tatsächlich gehen die Pegelstände auch im Pazifik nach oben, doch zumindest droht den Eilanden nicht unmittelbar der Untergang. Das zeigt eine Studie von Paul Kench von der University of Auckland und seinen Kollegen in "Nature Communications". Die Wissenschaftler werteten dazu Luft- und Satellitenbilder aus der Zeit zwischen 1971 und 2014 aus und bemerkten ein eindeutiges Muster. Acht der neun Atolle Tuvalus und drei Viertel der 101 betrachteten Inseln gewannen in dieser Zeit an Fläche, obwohl der Meeresspiegel stieg. Insgesamt nahm die Landfläche um knapp drei Prozent zu.

"Wir neigen dazu, die pazifischen Atolle als statische Landformen zu betrachten, welche einfach vom steigenden Wasser überflutet werden. Aber wir finden zunehmend Belege dafür, dass diese Inseln geologisch dynamisch sind und sich ständig verändern", so Kench. "Der dominierende Prozess auf Tuvalu war in den letzten Jahrzehnten Wachstum, nicht Erosion." Und das, obwohl der Meeresspiegel in der Region während der letzten Jahrzehnte mit 0,4 Millimetern pro Jahr doppelt so stark anschwoll wie im weltweiten Durchschnitt. Dem gegenüber steht die Dynamik des Meeres: Offensichtlich sorgen Wellen und Stürme dafür, dass mehr Sediment an den Küsten abgelagert als abgetragen wird. Starke Tropenstürme, die Tuvalu allerdings eher selten treffen, können große Mengen an Material liefern, weil sie Riffe zerschlagen und die Bruchstücke im flachen Wasser ablagern. Dort werden sie dann nach und nach weiter zerkleinert und in die Küstenlinie eingebaut. Zumindest in der Vergangenheit konnten sich die Korallen von diesen Ereignissen gut erholen, und das Riff konnte wieder nachwachsen.

Das bedeute jedoch nicht, dass der Klimawandel die Inselstaaten nicht doch bedrohe, mahnen Kench und Co. Zum einen kann der steigende Meeresspiegel mehr Salzwasser in die Grundwasserspeicher der Eilande drücken. Zum anderen sorgen die Versauerung der Meere – als Nebeneffekt steigender Kohlendioxidgehalte in der Atmosphäre – sowie ihre Aufheizung dafür, dass Korallen geschwächt würden und Riffe ihrer Schutzfunktion nicht mehr nachkommen könnten. Weiterer Landzuwachs wäre dann auf Kosten zerstörter Ökosysteme erkauft. Und letztlich drohten auch häufiger schwere Stürme, welche die flachen Atolle besonders heftig treffen können. Die Bewohner Tuvalus müssten sich folglich dennoch an die Erderwärmung anpassen, doch bliebe ihnen womöglich länger Zeit als befürchtet. Nationen wie Tuvalu oder Kiribati haben auch schon ihre Fühler in diverse Regionen ausgestreckt, wohin sie ihre Bevölkerung evakuieren könnten, wenn ihre Inseln im Meer versinken. Laut Kench und seinem Team muss diese Flucht in die Ferne jedoch wohl nicht sein, da zumindest die großen Atolle den Menschen ausreichend Schutz bieten könnten. "Landverlust ist wohl nicht der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, Tuvalu zu entsiedeln", meint Kench.

Der Premierminister von Tuvalu, Enele Sopoaga, zeigte sich gegenüber der "Fiji Times" nicht besonders glücklich über die Veröffentlichung. "Die Ausweitung unserer Küstenlinien bedeutet nicht, dass unsere Menschen auch wirklich mehr Lebensraum haben." Er kritisierte die Art und Weise, wie der Bericht in "Nature Communications" veröffentlicht wurde – ohne dass einheimische Wissenschaftler dazu ihre Meinung äußern konnten. Zudem gehe der Artikel nur auf ein Problem ein, das durch den Klimawandel droht; andere Probleme, die das Leben auf den Inseln unmöglich machen könnten, übergehe er dagegen.

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