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News: Verklebte Virenketten

Nur mit fremder Hilfe vermag das AIDS auslösende HI-Virus seine nach wie vor tödlich endenden Machenschaften zu entfalten. Es missbraucht die zelluläre Replikationsmaschinerie seines Wirtes, um unzählige Kopien seiner selbst herzustellen. Doch bevor diese auf die Nachbarzellen übergreifen können, müssen sie unbeschadet aus ihrem Produktionsort ausgeschleust werden. In diesem Prozess spielt das menschliche Protein Tsg101 offenbar eine Schlüsselrolle: Ist es ausgeschaltet, so verklumpen die Viruspartikel zu kettenähnlichen Strukturen und kleben an der Zellmembran fest.
Verklumpte Erreger
Durch die Wechselwirkung mit bestimmten Oberflächenstrukturen verschafft sich das HI-Virus Zutritt in das Innere einer Körperzelle und bemächtigt sich dort angelangt ihrer Replikationsmaschinerie. Am Fließband produziert diese nun gemäß dem genetischen Bauplan des AIDS-Erregers lange Proteinstränge, welche die Bausteine für neue infektiöse Partikel liefern. Insbesondere das Protein Gag – das Herzstück des Virus – ist für die fehlerfreie Montage notwendig. Die unzähligen Kopien wandern schließlich zur Zellmembran und verlassen ihren "Geburtsort", um weitere gesunde Zellen zu befallen.

Noch immer sind viele Details dieses "Ausschleusungsvorganges", der für den Verlauf der Immunschwächekrankheit von entscheidender Bedeutung ist, ein ungelöstes Rätsel. Nun versuchten Wesley Sundquist und seine Kollegen von der University of Utah sowie Myriad Genetics nähere Details dieses Prozesses zu enthüllen. Ihr Hauptaugenmerk richteten sie dabei auf das Zusammenspiel des viralen Proteins Gag mit der Zellmembran. Bisher war lediglich bekannt, dass eine Region des Proteins – die so genannte PTAP late domain – wesentlich für die Freisetzung der Viruspartikel ist. Doch welche zellulären Helfershelfer missbraucht das Virus wohl für seine Zwecke?

Als potenzieller Kandidat für diese Aufgabe kommt das menschliche Protein Tsg101 (tumor susceptibility gene 101) in Betracht, worauf die Ergebnisse einer früheren Studie hindeuten. Dieses Eiweißmolekül ist als ein Rädchen in einen Sortierungsprozess eingebunden, der innerhalb der Zelle zur Zerstörung freigegebene Proteine der Vernichtung oder dem Recycling zuführt. Tsg101 bindet ebenfalls an das Protein Ubiquitin, das als eine Art molekulare Fahne an abzubauende Substanzen angehängt wird, welche mithilfe des zellulären Reißwolfes – dem Proteasom – letztendlich beseitigt werden.

Um zu untersuchen, ob Tsg101 wirklich an die Proteinregion von Gag zu binden vermag, schalteten die Forscher gezielt jene zelluläre Komponente aus und infizierten die so behandelten Zellen anschließend mit dem HI-Virus. Und tatsächlich gelang es den neu gebildeten Erregern nun nicht mehr, die Zelle zu verlassen. Vielmehr klumpten die Viruspartikel in kettenähnlichen Strukturen aneinander und klebten an der Zellmembran fest. Demnach benötigt der AIDS-Erreger das Protein Tsg101 offenbar als "Ausschleuser" – denn statt in die zelleigene Vernichtungsmaschine wird es aus der Zelle heraus befördert.

Obwohl die Forscher mit Tsg101 dem Freisetzungsprozess des Virus nun ein wichtiges Puzzlestück hinzufügen konnten, bleibt der genaue Mechanismus weiterhin unklar. Vielleicht – so spekuliert Sundquist – wird das Virusprotein Gag mit Ubiquitin markiert und bietet Tsg101 stark anziehende Bindungsstellen an. Möglicherweise eröffnen diese Erkenntnisse so auch eine neue Achillesferse, an der das HI-Virus verwundbar ist. Doch noch dämpft der Forscher die Hoffnungen: "Wir wissen nicht, ob uns dies zu neuartigen Medikamenten gegen AIDS führen wird, aber wir hoffen es."

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