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Evolution: Warum kaum Insekten im Wasser leben

Insekten sind die erfolgreichste Tiergruppe an Land, aber nur sehr wenige Arten leben im Meer. Der Grund: Ihnen fehlt dort ein entscheidendes Element für ihren Panzer. Krebstiere dagegen haben dieses Problem nicht.
Rote Waldameise unter einem Mikroskop
Dass Insekten nicht im Meer leben, hat nichts damit zu tun, dass sie nicht die Luft anhalten könnten. Sie haben keine Lunge, sondern atmen über so genannte Stigmen in ihrer Kutikula.

Sie leben im Boden, in Totholz und an Pflanzen. Sie sammeln Pollen und Nektar, zersetzen Tierleichen, fressen Blätter, Pilze, Haare oder sogar andere Artgenossen. Insekten gehören zu den erfolgreichsten Organismen auf unserem Planeten. Obwohl ihre Gesamtzahl seit einigen Jahrzehnten erwiesenermaßen zurückgeht, machen sie den größten Teil der tierischen Biomasse aus und haben einen erheblichen Einfluss auf das globale Ökosystem. Mit einer Ausnahme: Nur sehr wenige Insekten sind im Meer zu Hause. Forschende der Tokyo Metropolitan University haben jetzt eine neue Hypothese aufgestellt, warum Insekten in Meeresumgebungen so selten sind. Im Fachmagazin »Physiological Entomology« argumentieren sie, dass das mit dem chemischen Mechanismus zusammenhängt, den die Tiere evolutionär ausgebildet haben, um ihren Panzer auszuhärten.

Beinahe eine Million Insektenarten sind bisher wissenschaftlich beschrieben worden – und vor allem in den tropischen Regenwäldern werden noch etliche unentdeckte Arten vermutet. Warum ihrer Dominanz an Land jedoch eine so verblüffende Seltenheit im Meer gegenübersteht, ist eins der größten Rätsel der Wissenschaft, das Forscherinnen und Forscher bereits seit langer Zeit zu entschlüsseln versuchen.

Das japanische Forschungsteam unter der Leitung von Tsunaki Asano schlägt nun eine Lösung vor, die auf der Evolutionsgenetik beruht. Demnach gehören Insekten und Krebstiere phylogenetisch zur gleichen Gruppe, den Pancrustacea, und teilen ein gemeinsames Merkmal: ein Exoskelett, das aus einer Wachsschicht und einer harten Kutikula besteht. Doch während Krebstiere auch im Meer zu Hause sind, haben Insekten den aquatischen Lebensraum fast vollständig verlassen.

Bei der Anpassung an die terrestrische Umgebung haben die Insekten laut aktuellen Erkenntnissen das Gen für das Enzym Multikupferoxidase-2 (MCO2) entwickelt. Dieses Enzym hilft unter Einsatz von molekularem Sauerstoff dabei, die Kutikula zu härten. Krebstiere dagegen nutzen dazu Kalzium aus dem Meerwasser. Dass Sauerstoff an Land besser verfügbar ist, verschaffe den Insekten also einen Vorteil in terrestrischen Ökosystemen, schreiben die Studienautoren.

Und nicht nur das: Die Kutikula über den MCO2-Weg zu härten, führe zu einem Biomaterial, das nicht bloß schützt, sondern auch sehr leicht ist – viel leichter als die Panzer von Hummer & Co. Die Wissenschaftler vermuten darin den Grund dafür, dass Insekten überhaupt die Fähigkeit erlangten, auf Pflanzen zu klettern, zu gleiten und schließlich zu fliegen. Dies ermöglichte es ihnen, über weite Strecken zu wandern und zuvor leere Nischen im Ökosystem zu besetzen – eine starke Triebkraft, die schließlich zu ihrer enormen Anzahl und Artenvielfalt führte.

Da Insekten allerdings nicht die einzigen Arthropoden sind, die sich an das Leben an Land angepasst haben, ist klar, dass MCO2 für den Erfolg in terrestrischen Nischen nicht zwangsweise erforderlich ist. Spinnentiere und Tausendfüßer, die das Enzym nicht besitzen, konnten sich ebenfalls behaupten. Das Team ist jedoch davon überzeugt, dass MCO2 ein, wenn nicht sogar das entscheidende Merkmal ist, das Insekten so erfolgreich gemacht hat: »Kein MCO2, keine Insekten.«

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