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News: Wasser voraus!

Bakterien in den Böden von Trockengebieten fristen ein recht wenig abwechslungsreiches Dasein. Monate, manchmal auch Jahre verharren sie wenige Millimeter unter der Oberfläche. Doch wenn Regentropfen fallen, machen sie sich auf den Weg nach oben, und die Wüste grünt. Dabei lockt sie offenbar nicht das Licht, sondern sie scheinen aktiv dem Wasser zu folgen.
Kaum ein Lebensraum blieb den Cyanobakterien verschlossen: Von heißen Quellen über Salzseen und Felsen haben sie nahezu jeden Extremstandort erschlossen, von den "normalen" Habitaten ganz zu schweigen. In Wüsten und anderen Trockengebieten bilden die Bakterien ganze Krusten in den obersten Bodenschichten, wo sie in einer Art Ruhezustand auf die seltenen Niederschläge warten. Wenn dann die ersten Tropfen fallen, ist das Gelände binnen Minuten nicht mehr wiederzuerkennen. Aus ihrem Versteck wenige Millimeter unter der Oberflächen bewegen sich die Organismen nach oben und färben den Boden grün.

Ferran Garcia-Pichel von der Arizona State University und Olivier Pringault von der Université Bordeaux interessierten sich für das Signal zum Aufbruch der Bakterien. Sie isolierten in Spanien Angehörige von fädigen Oscillatoria-Arten aus trockenen, degradierten Böden und kultivierten sie im Labor unter kontrollierten Lichtbedingungen – denn Cyanobakterien sind bekannt dafür, dass sie auf Helligkeitsunterschiede reagieren können. Anhand der spektralen Reflexion der Oberfläche bestimmten die Forscher, wo sich die Filamente gerade befanden.

Die Lichtverhältnisse schienen die Mikroorganismen bei weitem nicht so sehr zu interessieren wie der Wassergehalt. Wenn die Böden austrockneten, die Einstrahlung jedoch gleich blieb, stoppte die Wanderung an die Oberfläche, und die Bakterien zogen sich nach kurzer Zeit sogar wieder in die Tiefe zurück – ob es nun hell war oder dunkel. Erneutes Benässen lockte die Organismen wieder nach oben, anschließendes Austrocknen trieb sie nach unten. Der Einfluss des Wassers übersteigt damit das Bestreben, optimale Lichtbedingungen für die Photosynthese aufzusuchen – denn dann müssten die Bakterien an der Oberfläche verbleiben.

Um auszuschließen, dass es sich bei dem Rückzug um ein rein physikalisches Phänomen handelt, angetrieben durch die Oberflächenspannung an der Luft-Wasser-Grenzfläche, fügten die Wissenschaftler ihren Kulturen einen Hemmstoff gegen die ATP-Produktion zu. Ohne ihren Energieüberträger blieben die Zellen tatsächlich an Ort und Stelle, offenbar fehlte ihnen nun der "Treibstoff" für die Bewegung.

Wie Zellen den Wassergehalt ihrer Umgebung wahrnehmen, ist noch nicht klar. Manche Wissenschaftler vermuten dahinter Kanäle, die auf einen mechanischen Kontakt mit den Wassermolekülen reagieren und die Bewegung steuern. Andererseits könnten sie den Feuchtegrad auch über damit verknüpfte Faktoren wahrnehmen, wie die Salinität, Temperatur oder chemische Indikatoren.

Garcia-Pichel und Pringault beobachteten ein ähnliches Verhalten auch bei anderen Cyanobakterien trockener Böden. Falls es unter den Prokaryoten weit verbreitet ist, könnte es eine wichtige Rolle für das Überleben und die Ausbreitung in terrestrischen Lebensräumen spielen, vermuten die Forscher. Es würde zum Beispiel auch bedeuten, dass Bakterien nicht passiv vom Grundwasser verfrachtet werden, sondern womöglich aktiv einem unterirdischen Wasservorkommen folgen.

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