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Evolution: Metalle gaben Starthilfe für das Leben

Vor etwa vier Milliarden Jahren entstanden die Vorstufen des Lebens. Metallhaltiges Gestein dürfte es ihnen ermöglicht haben, einen eigenen Stoffwechsel zu betreiben.
Hydrothermalquelle in der Tiefsee
An Heißwasserquellen in der Tiefsee könnte vor langer Zeit das Leben entstanden sein. Noch heute siedeln sich rund um solche Quellen exotische Lebensgemeinschaften an, die in ewiger Finsternis überdauern.

Die frühesten Lebewesen auf der Erde ernährten sich vermutlich von Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid. Dafür nutzten sie chemische Reaktionswege, die noch im Stoffwechsel heutiger Zellen erkennbar sind. Deren zentraler Schritt, bei dem Elektronen von Wasserstoff auf das Protein Ferredoxin übergehen, läuft unter den Bedingungen heißer Tiefseequellen spontan ab, fand jetzt ein Forschungsteam um William Martin von der Universität Düsseldorf und Martina Preiner vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg heraus. Das deute darauf hin, dass diese Reaktion einst auch an anorganischen Mineralen ablief und so frühe Lebensvorläufer nähren konnte, berichten die Fachleute in der Fachzeitschrift »PNAS«.

Nach derzeitiger Kenntnis stammen alle heutigen Lebewesen von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der einer primitiven Zelle ähnelte. Fachleute nennen diesen hypothetischen Organismus LUCA (Last Universal Common Ancestor). Er ging wahrscheinlich aus chemischen Reaktionsnetzwerken hervor, die sich auf der jungen Erde vor zirka vier Milliarden Jahren spontan formiert hatten. Eine große Rolle dabei spielte Wasserstoff (H2). Er dürfte die Energie geliefert haben, die den Stoffwechsel der frühesten Lebensformen antrieb. Wasserstoff reagiert unter geeigneten Bedingungen mit Kohlenstoffdioxid (CO2), woraus wichtige Biomoleküle hervorgehen. Noch heute gibt es Mikroorganismen, die sich von H2 und CO2 ernähren und in heißen Tiefseequellen leben, wo ewige Finsternis herrscht.

Doch um Wasserstoff im zellulären Metabolismus zu nutzen, müssen die Mikroben ihn seiner Elektronen entledigen und einige dieser Elektronen anschließend auf ein höheres Energieniveau heben. Das gelingt ihnen mit Hilfe eines Prozesses namens Elektronenbifurkation. Von den zwei Elektronen, die ein H2-Molekül liefert, treibt eines einen Enzymkomplex an, der das andere Elektron auf ein höheres energetisches Niveau befördert. Das solcherart aktivierte Elektron wird dann auf ein Ferredoxin-Molekül übertragen. Ferredoxine sind eisen- und schwefelhaltige Proteine, die als zentrale Elektronenlieferanten am zellulären Metabolismus mitwirken. »Sie sind die primären Elektronenspender im Zellstoffwechsel und sie sind evolutionsgeschichtlich wahrscheinlich schon sehr alt«, erklärt William Martin im Gespräch mit »Spektrum«.

Hitziges Durcheinander

Vor vier Milliarden Jahren, zu Beginn der biologischen Evolution, hatten sich die Enzymkomplexe höchstwahrscheinlich noch nicht herausgebildet, mit denen heutige Mikroben die Elektronenbifurkation bewerkstelligen. Wie konnten die damaligen primitiven Lebewesen – beziehungsweise ihre präbiotischen Vorstufen – den Wasserstoff dann überhaupt verwerten? Die Arbeitsgruppe um Preiner und Martin hat herausgefunden: Unter alkalischen Bedingungen, wie sie in den hydrothermalen Quellen der Tiefsee herrschen, gehen die Elektronen des Wasserstoffs spontan auf Ferredoxin über. Typisch für solche Quellen sind Temperaturen um 100 Grad Celsius, pH-Werte um 8, mineralische Oberflächen mit hohem Eisengehalt und die Anwesenheit von H2, CO2 sowie zahlreichen anderen Stoffen wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff und Phosphaten. »Wasserstoffmoleküle lösen sich unter solchen Verhältnissen im oberflächennahen Eisen und zerfallen«, erläutert Martin, »dabei entstehen Protonen, die mit Hydroxidionen in der wässrigen Phase reagieren, und Elektronen, die auf das Ferredoxin wechseln.« Von dort aus könnten die Elektronen auf CO2 springen und dadurch diverse Reaktionen der CO2-Fixierung anstoßen, bei denen organische Moleküle wie Brenztraubensäure entstehen, ein zentrales Bindeglied des Zellstoffwechsels.

Edelstahlreaktor im Labor | Apparate wie dieser ermöglichen es, die chemischen Reaktionen auf der jungen Erde unter Laborbedingungen nachzustellen. Forscherinnen und Forscher befüllen ihn hierfür mit alkalischen Lösungen, Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid, metallhaltigen Mineralen und anderen Substanzen und lassen alles unter Hitze und Druck miteinander reagieren.

Jener Mechanismus könnte es dem »Urstoffwechsel« am Beginn des Lebens ermöglicht haben, Wasserstoff zu verwerten, ohne die Enzyme zu besitzen, die heutige Lebewesen dafür benötigen. »Damals sind die Elektronen des Wasserstoffs vermutlich an Metalloberflächen energetisch angehoben worden; Relikte dieser ursprünglichen Chemie haben sich in der Biologie moderner Zellen erhalten«, äußert Martina Preiner in einer einschlägigen Pressemitteilung. So finden sich in den aktiven Zentren heutiger zellulärer Enzyme oft Metallionen – wahrscheinlich ein Überbleibsel der früheren metallischen Oberflächen, das die Zellen in ihren Stoffwechselapparat integriert haben.

Viele der chemischen Reaktionen, die sich auf der jungen Erde abspielten und vermutlich das Leben hervorbrachten, lassen sich in heutigen Laboren nachmachen. Das Forschungsteam um Preiner und Martin nutzt dafür Edelstahlreaktoren mit den Abmessungen eines kleinen Eimers. Dort hinein geben sie alkalische Lösungen, H2, CO2 sowie metallhaltige Minerale und lassen alles bei hohen Temperaturen und leichtem Überdruck miteinander reagieren. Je nach den gewählten Bedingungen entstehen dabei verschiedene Produkte, darunter wichtige Biomoleküle. Sogar mehrere Sorten von Aminosäuren (Bausteine von Proteinen) bilden sich spontan, beschreibt Martin: »Das kann man im Labor sehr gut simulieren.«

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