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News: Wovon träumen Fliegen?

Sind Sie am heutigen Sonntagmorgen so richtig schön ausgeruht? Oder waren Sie bis spät in der Nacht auf den Beinen und freuen sich jetzt schon auf ein Mittagsschläfchen? Vielleicht tröstet es Sie dann ja zu wissen, dass Sie mit ihrer Müdigkeit nicht alleine sind. Das Bedürfnis nach Schlaf ist im Tierreich weiter verbreitet, als es zunächst den Anschein hat. Selbst Fliegen müssen schlafen - und wenn sie eine Nacht durchgemacht haben, nicken sie dafür tagsüber öfter mal ein.
Giulio Tononi vom The Neurosciences Institute in San Diego stand vor einem Fliegenkäfig und damit vor einem Problem: Woran merkt man überhaupt, ob Fliegen schlafen? "Es ist schwierig, ein Elektroencephalogramm (EEG) von einer Taufliege aufzunehmen," überlegte er, "also muss man auf Verhaltensmerkmale achten, wie Unbeweglichkeit, eine erhöhte Reaktionsschwelle und ein gesteigertes Schlafbedürfnis nach Schlafentzug. Diese homöostatischen Kriterien scheinen bei Vögeln und Säugetieren allgemein verbreitet zu sein."

Zusammen mit seinen Kollegen wollte Tononi ergründen, was so eine typische Drosophila melanogaster eigentlich nachts macht, wenn die Experimente abgeschlossen sind und das Labor still und friedlich auf den nächsten Tag wartet. Dazu setzten die Wissenschaftler die Taufliegen einem künstlichen Rhythmus von zwölf Stunden Helligkeit und zwölf Stunden Dunkelheit aus. Und tatsächlich: Dem Verhalten nach schliefen über 90 Prozent der Insekten. Wurden sie dabei gestört, zum Beispiel durch leichte Schläge gegen den Käfig, holten sie im Verlaufe der nächsten Hellperiode zumindest die Hälfte des Schlafes nach (Science vom 10. März 2000).

Nur weil eine Fliege still sitzt, muss sie noch lange nicht wirklich schlafen. Also suchten die Forscher nach einem weiteren Hinweis. In früheren Studien mit Nagetieren hatten sie festgestellt, dass die Aktivität verschiedener Gene im Gehirn sich beim Schlafen verändert. Eines davon codiert für ein Enzym, das am Abbau von Monoaminen beteiligt ist. Tononis Team verfügte über einen Taufliegenstamm mit einer Mutation im Dat-Gen, das die Information für die Arylalkylamin-N-Acetyltransferase trägt – eben eines der Enzyme, die im Gehirn von Drosophila Monoamine umsetzen. Und tatsächlich benötigten diese Fliegen mehr Schlaf, um durchwachte Nächte auszugleichen. Möglicherweise brauchen sie diese Extraruhe, um ihre Biochemie wieder in Ordnung zu bringen, weil sie nachts nicht genug Monoamine abbauen konnten, meinen die Wissenschaftler.

Das eigentliche Interesse der Neurobiologen gilt jedoch weniger den Taufliegen als vielmehr dem menschlichen Schlaf. Allerdings haben die Insekten als Modellsysteme einige Vorteile: So ist ihr gesamtes Genom bekannt, und die Auswirkungen von Mutationen in einzelnen Genen lassen sich in relativ kurzen Zeiträumen erforschen. Demzufolge kann es gut sein, dass künftige Therapien für Schlafstörungen und deren Folgen ihren Anfang mit Versuchen an Taufliegen nehmen werden. "Wäre es denkbar, dass ein Mangel an Schlaf schädlich sein kann, weil die Produktion von Monoaminvorstufen dann nicht unterbrochen wird?" fragt zum Beispiel Tononi. "Wir tappen diesbezüglich noch im Dunkeln, aber zumindest haben wir nun eine Ahnung, wo wir suchen sollen."

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