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»4000 Wochen«: Wider den Produktivitätswahn

Ein philosophisches Buch, das uns lehrt, Frust über zu wenig Zeit in Dankbarkeit zu verwandeln. Autor Oliver Burkeman ist davon überzeugt, dass Produktivitätswahn in einer Sackgasse endet.
Zeichnung einer Hand, die eine Taschenuhr zum Betrachter hält

4000 Wochen – das ist die durchschnittliche Lebensspanne eines Menschen in den westlichen Industrieländern. Die Botschaft von Autor Oliver Burkeman: Das Leben ist kurz. Das sei aber kein Grund zur Sorge. 4000 Wochen böten genug Zeit, die Dinge zu tun, die einem am Herzen liegen. Vorausgesetzt, man hält sich an einige Grundregeln.

Wer nun Tipps und Tricks für erfolgreiches Zeitmanagement erwartet, liegt allerdings falsch. Das Buch ist eher ein Gegenentwurf zum klassischen Ratgeber für Selbstoptimierer. Beim Zeitmanagement geht es darum, produktiver zu sein, also in kürzerer Zeit mehr Dinge zu erledigen. Wie der britische Journalist Burkeman schreibt, war er selbst diesem »Produktivitätswahn« verfallen. Doch der führe in eine Sackgasse. Man könne Zeit nicht »ansparen« – hinter jeder erledigten Aufgabe wartet schon wieder die nächste.

Um aus der Sackgasse herauszukommen, müssten wir akzeptieren, dass unser Leben endlich ist und wir nicht alles schaffen können, was wir uns vornehmen. Es gelte zu entscheiden, so der Autor, wie wir die begrenzte Lebenszeit nutzen wollen. Häufig wirke das bereits entlastend: einzusehen, dass man nicht alles erreichen kann, sondern sich festlegen muss.

Rückkehr zur tiefen Zeit

Burkeman beschäftigt sich ausführlich mit dem Phänomen Zeit sowie der Frage, wie sich unser Zeitgefühl in den vergangenen Jahrhunderten verändert hat. Er plädiert für die Rückkehr zur »tiefen Zeit«: einem Erleben, das sich einstellt, wenn wir uns nicht von der Uhr antreiben lassen, sondern ganz in unserem Tun aufgehen.

Schade, dass Burkeman keinen Bezug zu Michael Endes Jugendbuch »Momo« herstellt: Darin wollen »graue Männer« die Menschen dazu überreden, ihre Aufgaben schneller zu erledigen, um Lebenszeit anzusparen. Infolgedessen arbeiten die Menschen mehr und mehr, vernachlässigen Freundschaften und Interessen und werden dadurch immer unzufriedener, bis sie am Ende alle Lebensfreude verlieren. Inbegriff für einen Menschen, der tiefe Zeit erlebt, ist der Straßenkehrer Beppo, der eine endlos lang erscheinende Straße fegt. Dabei achtet er stets nur auf den nächsten Schritt und entwickelt so Freude an der Arbeit.

Oliver Burkeman versucht, den Frust über mangelnde Zeit in Dankbarkeit zu verwandeln: Wenn wir Zeit als Geschenk betrachten, können wir sie wertschätzen und mit den Dingen füllen, die uns wirklich wichtig sind. Dazu sollten wir bewusst auf das verzichten, was wir noch alles gerne tun würden, auf Ruhepausen achten und uns an dem erfreuen, was wir tun, sei es spazieren gehen oder die Straße fegen – egal ob wir darin einen Sinn erkennen oder nicht.

»4000 Wochen« ist eigentlich ein philosophisches Buch. Guten Rat zu geben, steht nicht im Fokus, man muss ihn schon zwischen den Zeilen herauslesen. Am Ende stehen fünf Fragen, die helfen sollen, sich selbst einzuschätzen, und zehn Tipps fassen die Kernbotschaften gut zusammen. Burkemans ultimativer Rat für ein gelingendes Leben ist einfach: in jeder Situation immer das Nächste und das Nötigste tun.

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